Der folgende Screenshot aus einer Verschwörungstheoretiker-Gruppe erschien am Freitag auf der Facebook-Seite des goldenen Aluhuts:
Über den oberen Teil kann man natürlich lachen oder weinen. Dass Frauen sich bedroht fühlen, nicht nur in Situationen wie in Köln, ist verständlich. Dass sie nicht bedroht werden sollten, ist auch klar, und wie jede Gesellschaft stecken wir da im Zwiespalt von Sicherheit und Freiheit. Wer lernen will, sich wenigstens gegen eine Bedrohung durch einzelne Angreifer ein Bisschen besser wehren zu können, kann das tun, im Rhein-Main-Gebiet auch gerne von mir.
Schlimm finde ich, wenn man sich bedroht fühlt und sich dann in fremdenfeindlichen Unsinn und falsche Allmachtsphantasien flüchtet, was einen am Ende noch verletzlicher macht. Wenn der Unsinn aus Quantenquark besteht, gehört es eben hierher, und damit kommen wir zum unteren Teil.
Formulieren wir den mal halbwegs korrekt um: Alles, was wir im Universum finden, lässt sich als Quanten beschreiben, zum Beispiel mit Quantenfeldtheorien. Sinnvoll und machbar ist das nur, wenn man einzelne Teilchen (oder isolierte Systeme völlig identischer Teilchen) betrachten will, und lernen kann man daraus zwar, was die Welt im Innersten zusammenhält, aber leider nicht, wie wir unsere Gesellschaft etwas besser zusammenhalten. Worum es in Quantenfeldtheorien genau geht, findet man in Wikipedia leider nur auf einem Niveau, bei dem selbst mancher Physiker relativ schnell aussteigt. Dieser nicht ganz neue Artikel gibt einen ganz guten Überblick zum Einstieg. Ausführlicher und mit vielen weiterführenden Artikeln findet sich auch eine Einführung bei den Drachen auf Scienceblogs.
Vor Leuten, die mit Quantenfeldtheorien richtig gut umgehen können, habe ich größten Respekt, und Frauen sind darunter leider immer noch viel zu wenige. Zwar hat sich der Anteil der Physikabsolventinnen seit meinen Studienzeiten verdoppelt, aber eben nur auf 20 Prozent. Die einzige deutsche Physikprofessorin, die mir in meinem Studium begegnet ist, die spätere Präsidentin der Deutschen Physikalischen Gesellschaft Johanna Stachel, war nicht mal an meiner Uni. Bei uns in Frankfurt konnten Patriarchen wie Walter Greiner in ihren Vorlesungen noch unwidersprochen fragen: „Haben das alle verstanden? Die Damen auch?“ Ich erinnere mich auch noch gut an den Satz: „Sie können das lösen wie Physiker oder wie Biologinnen.“ Ohne Italien, wo Physik interessanterweise als Frauenfach galt, hätte es am CERN in den 90ern erschreckend wenig Physikerinnen gegeben. Kein Wunder, dass heute die erste CERN-Generaldirektorin eine Italienerin ist.
Niemand muss sich über das Schulniveau hinaus mit Physik beschäftigen, wenn es ihn oder sie nicht interessiert. Man verpasst etwas, kann aber überleben, ohne mit dem Quantenfeld sprechen zu können – es wäre nur hilfreich, dann keinen Unsinn darüber zu verbreiten. Wer sich aber dafür interessiert, sollte sich niemals von irgendwem einreden lassen: „Du kannst das nicht.“ Auch Quantenfeldtheorien sind ein Prozent Inspiration und 99 Prozent Perspiration, und das sage ich ganz selbstkritisch als jemand, der am CERN und in Brookhaven selbst lieber an Detektoren geschraubt hat.
Also, Ladies, sprecht mit den Quanten, aber fangt damit in einer Universität Eurer Wahl an. Lasst Eure Macht frei und zeigt den letzten Chauvi-Greisen, dass Ihr Eure Eichtheorien verstanden habt. Damit bildet man sich zwar nicht ein, eine Gottheit zu sein, aber man kann die Welt auch ein Stück weit verändern, und man weiß vor allem, wovon man redet.