Strom sparen mit Blindenergie?

Es gibt Schwurbelthemen, von denen man irgendwann meint, dass man sich als Skeptiker damit nicht mehr beschäftigen muss. Natürlich, Sparanhänger zum Anklemmen an die Treibstoffleitung wird es geben, solange es noch Verbrennungsmotoren gibt, und Zeitungshoroskope werden wohl erst mit den Zeitungen verschwinden. Irgendwann erwartet man aber, dass über ein Thema einfach schon alles gesagt ist, oft auch schon von so ziemlich jedem. Wer solche Dinge dann doch noch glauben will, interessiert sich in der Regel sowieso nicht dafür, was wir Skeptiker sagen, und es gibt auch nicht mehr wirklich unbedarfte Dritte, die man vor dem ersten möglichen Schwurbelkontakt aufklären müsste.

So war ich dann doch etwas überrascht, als ich neulich gebeten wurde, ein aufklärendes Gespräch mit einem Verfechter von Stromspareinsätzen für die Steckdose zu führen. Solche Geräte gehören zu den absoluten Klassikern der pseudophysikalischen Schwurbelprodukte. Man steckt sie entweder neben anderen Geräten in eine Steckdose, oder sie werden über einen Stecker angeschlossen und bieten selbst wieder eine Steckdose, an die man dann seine Stromfresser anschließen soll, um sie sparsamer zu machen. Solche Geräte tauchen immer mal auf und verschwinden oft auch wieder, wenn allzu publik wird, dass sie keinen nachweisbaren Effekt haben.

Die behaupteten Wirkungsweisen sind dabei unterschiedlich. Manche dieser Produkte sollen Strom sparen, indem sie die Netzspannung herabsetzen. Das führt (bei den Geräten, die dann überhaupt noch funktionieren) tatsächlich zumindest kurzzeitig zu geringerem Verbrauch, aber eben auch zu reduzierter Leistung, was zum Beispiel bei Heizgeräten durch längere Laufzeit und damit wieder gleichen Gesamtverbrauch ausgeglichen wird. Andere Geräte sollen den Strom „harmonisieren“ oder zusätzliche Energie aus „Tachyonen“ oder „Raumenergie“ einfangen. Zum Harmonisieren kann man eigentlich nur sagen, dass unser Strom wunderbar harmonisch mit einer Spannung von 220 Volt 230 Volt (Dank an Wolfgang Bartsch für die Erinnerung – 220 Volt war früher mal) und einer sehr konstanten Frequenz von 50 Hertz (dazu gleich mehr) aus der Steckdose kommt. Was immer man daran verändert, kann die Funktion und die Effizienz dafür ausgerichteter Geräte nur verschlechtern. Dass es weder Tachyonen noch Raumenergie gibt, habe ich hier schon vor Jahren ausgeführt.

Die versprochenen Einsparungen sind typischerweise in einer Größenordnung, die sich von Verbrauchern nicht ohne größeren Aufwand kurzfristig nachprüfen lässt, weil sie zum Beispiel unter einem Viertel des Gesamtverbrauchs liegt oder erst nach Monaten eintreten soll.

Was zumindest mir erst mal neu war, war die Behauptung, ein Stromspargerät erlaube die Nutzung von Blindenergie. Hier kommt den Anbietern einmal wieder der Effekt zugute, dass man wenig Widerspruch zu erwarten hat, wenn man Erklärungen präsentiert, die besonders schwer zu verstehen sind. Wer nicht weiß, was Blindenergie ist, wird eine solche Erklärung erst einmal akzeptieren müssen. Und genau deshalb sehen wir uns das jetzt mal an.

Als Blindenergie bezeichnet man die rechnerische Energie sogenannter Blindströme, die ausschließlich in Wechselstromnetzen auftreten. Dementsprechend gibt es auch noch die Begriffe Blindarbeit (die gerade rechnerisch auftretende Blindenergie) sowie Blindleistung (die rechnerische Blindenergie pro Zeit). Was sind aber nun Blindströme?

In einem Wechselstromnetz wechselt die Spannung ständig ihre Richtung (zum Beispiel an unseren Steckdosen 50 mal pro Sekunde), so dass auch alle Ströme immer wieder in entgegengesetzten Richtungen fließen. Das Umpolen erfolgt dabei nicht schlagartig (das ginge technisch gar nicht), sondern als kontinuierliche Veränderung in Form einer Sinuskurve, wie in der folgenden Illustration.

Das Gegenstück ist Gleichstrom, zum Beispiel aus einer Batterie, bei der es einen festen Plus- und Minuspol gibt. Auf Englisch heißt Wechselstrom alternating current (AC) und Gleichstrom direct current (DC), womit ich Fans von uralt-Metal wahrscheinlich nichts Neues erzähle

Zu den Gründen, warum man für welche Zwecke eher Wechselstrom oder Gleichstrom verwendet, könnte man eine ganze Reihe eigener Artikel schreiben. Ganz kurz kann man sagen, Wechselstrom erzeugt auch wechselnde Magnetfelder, die wiederum Wechselstrom in einer benachbarten Leitung erzeugen können. Das erhöht die Verluste in langen Leitungen, es macht es aber auch sehr einfach, durch benachbarte Spulen Wechselstrom verlustarm von einer Spannung auf eine andere zu übertragen – das nennt man einen Transformator. Somit ist es bei Wechselstrom einfacher, die Energie für sehr viele Verbraucher in einer einzelnen Hochspannungsleitung zu übertragen und sie dann schrittweise in niedrigere, leichter abschirmbare Spannungen zu übersetzen, wenn sich das Netz verzweigt, bis zu den 230 Volt aus unserer Steckdose und schließlich den 5 bis 20 Volt innerhalb vieler elektronischer Geräte. Wenn Ihr mal wieder irgendwo hört, was für ein Genie Nikola Tesla gewesen sei und welche Wundertechnologien er erfunden habe: Teslas wirklich bedeutende Leistung bestand darin, die Vorteile des Wechselstroms deutlich gemacht zu haben. Die meisten anderen seiner Basteleien waren in der Praxis eher unbrauchbar.

Für sehr einfache Geräte, die elektrische Energie direkt in Strahlung und Wärme umwandeln, wie Herdplatten oder Glühlampen, funktioniert das ganz wunderbar. Je mehr Strom durch sie fließt, desto höher ist der Energieumsatz – genau in diesem Moment, und egal in welche Richtung der Strom fließt. Wenn man es gerne mathematisch mag, für solche Geräte ergibt sich die Stromstärke einfach aus dem Ohmschen Gesetz, Stromstärke ist gleich Spannung durch Widerstand, für Wechselstrom wie auch für Gleichstrom.

Anders sieht es bei Geräten aus, die Bauteile enthalten, die sich erst aufladen müssen, indem ein Strom fließt, bis sich darin die volle Spannung aufgebaut hat (Kondensatoren), oder bei Bauteilen, in denen sich erst ein Magnetfeld aufbauen muss, bis der volle Strom hindurchfließen kann (Induktivitäten). Hier treten bei Wechselstrom andere Effekte auf als bei Gleichstrom. Jedes Mal, wenn sich in einem solchen Gerät beim Wechselstrom die Spannung umpolt, wird darin eine gewisse Energie gespeichert und zeitlich versetzt wieder ans Stromnetz abgegeben. Die Ströme, die dadurch zusätzlich  fließen, bezeichnet man als Blindströme, die zwischenzeitlich gespeicherte Energie als Blindenergie. Es ist also die grundlegende Eigenschaft von Blindenergie, dass sie nur kurzzeitig zwischengespeichert, aber eben nicht genutzt wird. Würde man die Blindenergie nutzen, dann wäre sie keine Blindenergie, sondern ein ganz normaler Teil des Energieverbrauchs des jeweiligen Geräts.


Wechselstrom in einem Gerät ohne (grau) und mit (orange) dem zeitlichen Versatz gegenüber der Spannung im Netz, der sich in Form von Blindströmen äußert.

Auch wenn die gespeicherte Energie ins Netz zurückfließt – da die Blindströme zeitlich versetzt auftreten, stören sie das Netz und sind ein Problem für die Stromversorger. Diese müssen die Blindströme in ihren Anlagen kompensieren, um die Versorgung stabil zu halten, was seinerseits ganz real Energie braucht und Kosten verursacht. Bei Privathaushalten, mit vielen unterschiedlichen Geräten, zwischen denen sich die Zeitverschiebung der Blindströme wenigstens zu einem gewissen Teil ausgleicht, ist das weniger dramatisch – und wegen der schlechten Planbarkeit der Blindströme auch kaum zu steuern. Die Stromzähler von Privathaushalten sorgen daher dafür, dass Blindenergie nicht in der Abrechnung landet, sondern nur die tatsächlich genutzte Energie. Anders sieht es bei industriellen Großverbrauchern aus, vor allem wenn ein großer Teil ihres Verbrauchs auf einzelne oder gleichartige Maschinen entfällt, die alle gleichzeitig gleiche Blindströme erzeugen. In diesen Fällen kann es sich durchaus lohnen, direkt vor Ort die Blindströme durch entsprechende Zusatzschaltungen abzumildern, und die Stromanbieter belohnen das auch durch entsprechende Preismodelle. Solche Großabnehmer bezahlen also tatsächlich einen gewissen Preis für Blindenergie, private Verbraucher nicht.

Zumindest für private Verbraucher kann man also festhalten: Blindenergie nutzt man nicht, und man bezahlt sie auch nicht. Wenn ein wie auch immer funktionierendes „Stromspargerät“ tatsächlich Blindenergie nutzen würde, dann wäre es keine Blindenergie mehr, sondern man würde ganz normal die Energie aus dem Stromnetz verbrauchen, und man würde sie auch ganz normal bezahlen.

Und damit bleibt festzuhalten: Bei diesen wie bei anderen Stromspargeräten spart man am ehesten dann, wenn man sie sich spart.

Relativer Quantenquark als neues Video

So, jetzt gibt es mal wieder ganz klassischen Quantenquark, in Form eines Videos mit meinem aktuellen Grundlagenvortrag zum Thema. Da kursieren ein paar Vorgängerversionen ja schon länger auf Youtube, aber der Düsseldorfer Aufklärungsdienst hat für seinen DA! art-Award sicher die bislang professionellste Version auf die Beine gestellt. Da wir Corona-bedingt kein Livepublikum hatten, wurde das Ganze aus einem professionellen Greenscreen-Studio bei VR3 mit richtigen Studiokameras gestreamt und ist weiterhin auf Youtube anzusehen:

Die weiteren Vorträge aus der Reihe sind hier aufzurufen.

Die verschwundenen Tachyonen von Ruhpolding

Im Januar konnte ich mich hier noch über die wahrscheinlich schnellste Massage der Welt in einem Erlebnisbad in Ruhpolding amüsieren. Das hat sich offenbar bis nach Ruhpolding herumgesprochen, denn inzwischen gibt es auf der Seite des Anbieters zwar noch Ayurveda, Reiki und tibetische Mönche, aber keine Tachyon-Kristall-Massage mehr. Das muss natürlich nicht unbedingt mit meinem Artikel zu tun haben, denn Ruhpolding liegt ja im Kernland des Bayerischen Rundfunks. Vielleicht hat auch jemand aus dem Erlebnisbad die wundervolle Schimpftirade über obskure Tachyonen-Produkte gesehen, die gegen Ende dieser Sendung von BR-Alpha aus Harald Lesch herausbricht. Die Sendung ist schon älter aber sehr sehenswert, weil auch nochmal ausführlicher erklärt wird, wie man überhaupt auf die Idee kommt, dass es so etwas wie Tachyonen wenigstens rechnerisch geben könnte und welche Folgen das hätte.

Wer aber jetzt die Möglichkeit vermisst, sich mit etwas massieren zu lassen, von dem höchst fraglich ist, dass es überhaupt existiert, muss von Ruhpolding gar nicht weit fahren: Bei Chiemsee-Wellness ist die Tachyonen-Massage weiterhin im Angebot, wenn auch ein paar Euro teurer.

Eine Tachyonen-Ganzkörper-Massage gibt es auch in einer Naturheilpraxis im Sauerland. Die Massage soll helfen, wenn „alte Ablagerungen im Darm die Gedanken zum Thema Abgrenzung beeinflussen“ oder wenn „uralte Kindheitsängste Blasenentzündungen verursachen“. Zum Entgiften des Körpers ist sie natürlich auch besonders hilfreich, wenn man der Anbieterin glauben will. Wenn man das nicht ganz ungeprüft glauben will, kann man sich bei Fachärzten, in der Tagespresse und inzwischen sogar in Fitnessmedien darüber informieren, dass Entgiften Unsinn und eine eingebildete Lösung für ein nicht existierendes Problem ist. Wenn man aber bedenkt, dass am gleichen Ort auch Aderlass, Darmreinigung und Eigenbluttherapie angeboten werden, dann erscheint bei einer solch rohen Praxis die Tachyonenmassage doch gleich als die viel einladendere Alternative…

Ein besonders breites Angebot von Tachyonenmassagen findet sich übrigens in den Niederlanden und in Flandern. Man kann etwas für Body & Soul tun, unter dem lächelnden Blick Buddhas mit Tachyonen seine Chakren balancieren lassen, und das ganze stärkt schwache Organe, und es entgiftet natürlich auch bei unseren Nachbarn. Hier kommen für die Massage offenbar auch gerne hübsche bunte Glasstempel zum Einsatz:

Tachyonenstempel

Ausgangspunkt ist hier offenbar eine Kosmetikschule in Antwerpen, in der in einer Woche unterrichtet wird, wie man mit Tachyonen massiert. In Heerlen kann man das aber auch schon an einem Tag für 99 Euro lernen.

Auch ganz ohne besondere Ausbildung kann man aber das Tachyonen-Massageöl verwenden, das es im Münchener Klangschalen und Tachyonen Shop zu bestellen gibt.

tachyonenshop

Auf dieser Seite wird auch endlich mal verständlich erklärt, wie solche Tachyonenprodukte eigentlich funktionieren: „Sobald klar ist, dass Tachyon – wobei das erste Teilchen des formlosen Nullpunktenergie – ist die Quelle aller Frequenzen, ist es leicht, Tachyon bei der energetischen Spektrums zu platzieren.“ Und man bekommt vertrauenswürdig und sympatisch vermittelt, was man mit Tachyonen-Gleitgel macht:

tachyon lube

Und schließlich wird hier auch der Erfinder wenigstens dieser Linie von Tachyonenprodukten vorgestellt, der „Wissenschaftler, Naturwissenschaftler, Spiritualist“ David Wagner. Seit 1990 soll er in den USA schon über 3,9 Millionen Tachyonenprodukte verkauft haben.

David Wagner räumt auch gleich mit dem Einwand auf, dass hier möglicherweise ein Begriff aus der Physik nur im Übertragenen Sinne gebraucht wird und es hier möglicherweise um rein spirituelle Dinge gehen könnte, über die ich als schnöder Physiker mir gar kein Urteil erlauben dürfte. Nein, in seinen Erklärvideos zeigt Wagner, mit bunten Animationen untermalt, nicht nur, dass Tachyonen-Untersetzer Obst länger frisch halten, er macht auch absolut klar, es handelt sich hier um echte Teilchenphysik.

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Und an dieser Stelle höre ich besser auf zu schreiben, bevor ich auch noch in eine Tirade nach Art von Harald Lesch ausbreche.

Dekohärenter Quantenunsinn aus der Welt der Homöopathen

Manchmal freut man sich auch als typischerweise skeptisch dreinblickender Skeptiker beim Lesen von Nachrichten.  Gestern zum Beispiel war in der Onlineausgabe der Deutschen ApothekerZeitung ausgiebig über die Gründung des Informationsnetzwerks der Homöopathiekritiker zu lesen. Was jetzt davon zu halten ist, dass es ausgerechnet die DAZ erwähnenswert findet, dass es für die Journalisten keine großzügigen Goodies gab, weiß ich auch nicht. Immerhin großartig, an dieser Stelle auf Dubium C30 aufmerksam zu machen. Das kann man nicht oft genug tun: Es enthält nur Zucker (genau wie die allermeisten Homöopathika) und ist kein Arzneimittel (genau wie alle Homöopathika).

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Neugierig macht mich dann aber am Ende des Artikels ein Hinweis des Netzwerkinitiators Norbert Aust: „Außerdem gäbe es häufig Behauptungen, dass Homöopathie über Quanteneffekte oder Tachyonen wirken würde.“ Das begegnet einem ja immer wieder mal, aber wenn Norbert das an dieser Stelle erwähnent, hat er wahrscheinlich einen aktuellen Anlass. Und in der Tat, auf seinem Beweisaufnahme-Blog muss man nicht lange suchen. In einem Post vom 23.12. kritisiert der Homöopath Prof. Michael Frass, dass Norbert Aust eine seiner Studien kritisiert hat und fabuliert dabei von einer Verschränkung von Patient, Arzt und Medikament. Zum Verständnis des Zitats, in der Studie wurden Patienten mit starken Atemproblemen alternativ mit Homöopathika oder Placebos behandelt, und die Einteilung der Patienten in die beiden Gruppen erfolgte durch einen Arzt (aber laut Studientext zufällig, was auch immer der Arzt dabei getan haben soll…). Mit der Entfernung des Atemschlauchs ist in diesem Fall gemeint, dass es dem Patienten besser geht, also das Ziel der Behandlung (oder Nichtbehandlung) erreicht ist.

[Aust:] Es wird ausgeführt, dass die Bestimmung des Zeitpunkts für die Entfernung des Atemschlauchs durch einen Arzt erfolgte, der ansonsten nicht an der Studie beteiligt war. Die Zuordnung der Patienten zu den Gruppen und die Zuteilung der Arznei bzw. des Placebos erfolgte auch durch einen nicht beteiligten Arzt. Was, wenn diese beiden Personen tatsächlich identisch waren? Namen werden in der Studie nicht genannt, somit ist es durchaus möglich, dass ein ansonsten unbeteiligter Arzt in Kenntnis der Gruppenzuordnung die Zeitpunkte der Extubation bestimmte und damit bewusst oder unbewusst einen Einfluss ausgeübt hat

[Frass:]  Da kann ich Sie beruhigen: der/die zuordnende Arzt/Ärztin waren nicht identisch. Manche KollegInnen verzichten auf Namensnennung, ganz einfach, weil sie nicht in einen Strudel der oft sehr heftig geführten Homöopathiediskussion gezogen werden wollen. Würde man Ihren Gedanken aufnehmen, so befände man sich unweigerlich auf dem Terrain der Quantenphysik und dem Thema Verschränkung zwischen Patient, Arzt und Medikament. Wollten Sie dorthin?

Zunächst mal ist es natürlich erschreckend, dass jemand, der „wissenschaftliche“ Studien über Homöopathie publiziert, außer angeblichen Quanteneffekten kein Problem dabei sähe, wenn der selbe Arzt, der vorher festgelegt hat, welcher Patient zur Placebogruppe gehört, hinterher entschiede, wann bei welchem Patienten eine Besserung eingetreten ist. Wenn man selbst Doppelblindstudien veröffentlicht, sollte man eigentlich auch verstanden haben, warum man das tut.

Recht geschickt stellt Frass es selbst ein wenig so hin, als käme der Gedanke mit der Verschränkung nicht von ihm, aber vom grundsoliden Diplomingenieur Norbert Aust kommt er ja definitiv nicht. Der Dachverband österreichischer Ärztinnen und Ärzte für Ganzheitsmedizin, dessen Präsident Frass ist, hat auch kein Problem damit, offizielle Fortbildungspunkte dafür zu vergeben, dass sich Ärzte Vorträge wie diese anhören:

  • Biophysikalische Informationstherapie und Schmerz. Schmerz als Ursache gestörten Informationstransfers. Die Biophysikalische Informationstherapie (BIT) stellt ein dem aktuellen Wissensstand der Bio- und Quantenphysik adäquates ganzheitliches Therapieverfahren dar. […]
  • „Vierpoliges Ordnungssystem“ – Der Mensch als offenes, nichtlineares System im Wechselwirkungsbereich von Separation und Integration. Burkhard Heim hat zusammen mit Walter Dröscher die „Erweiterte Allgemeine Quantenfeldtheorie“ entwickelt. B. Heim ging von einem zwölfdimensionalen Weltbild aus, das sich aus 3×4 Di-
    mensionen zusammensetzt. […]

Auf „Biophysikalische Informationstherapie“ und die Quantenfeldtheorie von Burkhard Heim wird sicherlich an anderer Stelle noch einmal einzugehen sein. Was hat es aber mit der angeblichen Verschränkung von Patient, Arzt und Medikament auf sich?

Verschränkung bezeichnet in der Physik einen Vorgang, bei dem zwei oder mehr Teilchen, die eine quantenmechanische Wechselwirkung eingegangen sind, in der Folge für eine gewisse Zeit einen gemeinsamen Zustand bilden. Sie sind also nicht wirklich zwei unabhängige Teilchen, sondern eigentlich ein komplexes Ganzes, auch wenn sie sich inzwischen voneinander entfernt haben. Für kleinste Teilchen ist das eigentlich völlig alltäglich. Solche Interaktionen und ihre Nachwirkungen passieren in der Quantenwelt ständig, und ihre Summe über viele Teilchen ergibt ganz einfach das, was wir als Chemie kennen.

Beachtenswert wird das Ganze eigentlich nur, wenn man unter relativ künstlichen Bedingungen solche Teilchen nach der Wechselwirkung von der Außenwelt abschirmt und die so im Labor isolierte Zweier- oder Dreierverschränkung systematisch beobachtet. Was man dann einem Teilchen antut, wirkt sich auf beide aus. Das Antun beschränkt sich allerdings in der Praxis meist auf das Durchfliegen eines Magnetsfelds, denn sobald eines der Teilchen in eine direkte Wechselwirkung mit irgendwelchen anderen Teilchen tritt, müssten auch diese Teil dieses gemeinsamen Zustands werden, womit dann alle äußeren Einflüsse auf alle diese Teilchen zusammenkommen. Das Ergebnis dieses Zusammenkommens ist einfach: Der nur bei isolierter Betrachtung besondere Zusammenhang zwischen den ursprünglichen beiden Teilchen wird durch die Vielzahl anderer Effekte überlagert und wird damit bedeutungslos. Die isolierte Betrachtung der beiden Teilchen ist gar nicht mehr möglich. Die Bezeichnung für diesen Vorgang ist Dekohärenz, und das Ergebnis dieser Dekohärenz ist, dass sich die Welt in der Größenordnung von Patienten, Ärzten und Medikamenten genau so verhält, wie es die klassische Physik beschreibt. Sobald Dekohärenz auftritt, verschwinden alle Effekte der Verschränkung.

Wann tritt aber nun diese Dekohärenz auf? Einzelne Photonen, also Lichtteilchen, können in solchen verschränkten Zuständen sogar in der Atmosphäre mehrere hundert Kilometer zurücklegen, was der Presse gerne effekthaschend als „Quantenteleportation“ verkauft wird. Das ist aber eigentlich nicht sonderlich überraschend, wenn man bedenkt, dass Licht sich ja gerade dadurch auszeichnet, dass es die Luft durchdringen kann, ohne unterwegs irgendwelche Wechselwirkungen einzugehen. Aus dem All könnten uns im Prinzip verschränkte Photonen von Sternen aus Lichtjahren Entfernung erreichen.

Patienten, Ärzte und Medikamente bestehen aber nicht in erster Linie aus Licht, sondern aus Protonen, Neutronen und Elektronen. Die können über Licht wechselwirken, aber Informationsübertragung zwischen Menschen über Licht kennen wir schon. Dafür haben wir Augen, die zwar möglicherweise selbst höchst spannende Quanteneffekte enthalten aber eben nichts mit Homöopathie oder anderem Hokuspokus zu tun haben.

Nehmen wir einmal den noch allereinfachsten denkbaren Fall an, wie irgendetwas im Patienten mit irgendetwas im Arzt verschränkt sein könnte: Den Fall eines Elektrons. Wir behaupten also, im Körper des Arztes entstünde ein verschränkter Zustand von zwei Elektronen, von denen eins beim Arzt verbleiben, das andere irgendwie, zum Beispiel über das Medikament, den Patienten erreichen soll. Soll das Elektron durch die Luft fliegen, dann tritt Dekohärenz im Durchschnitt nach einem Millionstel einer Millionstel Sekunde ein. In dieser Zeit kann das Elektron maximal einige Zehntelmillimeter zurücklegen. Muss es unterwegs Haut, Kleidung, die Hilfsstoffe des Medikaments oder irgendwelches anderes Material durchdringen, dann verringert sich die mögliche Weglänge bis zur Dekohärenz grob um einen Faktor 1000. Eine sinnvolle Information zu übertragen, würde aber weitaus mehr als ein Elektron erfordern. Eine solche Informationsübertragung würde aber immer noch nicht bedeuten, dass Arzt und Patient in irgendeiner sinnvollen Form verschränkt wären, denn sowohl der Arzt als auch der Patient sind in sich vollkommen dekohärent. Eine bedeutungshaltige Verschränkung einzelner Teilchen gibt es zwar offenbar auch in biologischen Systemen, aber dort eben nur innerhalb einzelner, speziell dafür optimierter Großmoleküle.

Natürlich ist im Menschen alles irgendwie mit allem verbunden. Quantenmechanisch kann man das theoretisch auch als Verschränkung bezeichnen. Das ist ja eben das Wesen von Dekohärenz, dass der Zusammenhang von zwei Teilchen, den man ursprünglich beobachten will, durch immer mehr Verschränkung mit immer mehr Störfaktoren überlagert wird. Aber in der Summe über den ganzen Körper werden diese ganzen Verschränkungen eben wieder einfach zur klassischen Physik und Chemie.

Dekohärent ist damit leider auch das Geschwafel von Verschränkung in der Homöopathie. Wenn ich Norbert Austs Blog lese, fällt mir auf, er bleibt in seinen Formulierungen, jedenfalls für meine Verhältnisse, immer ausgesucht höflich. Wenn man sich mit solchem Unsinn auseinandersetzen muss, finde ich das bewundernswert.

Die schnellste Massage der Welt

Inzwischen, gleich im neuen Jahr, ist es ja doch noch Winter geworden in Deutschland, und gerade wenn man sich in den Bergen aufhält, tut ein Saunabesuch in Verbindung mit einer Massage sicher gut. Ab Freitag wird in Ruhpolding der Bedarf an Massagen wohl noch höher sein, denn dann beginnt der 4. Biathlon Weltcup dieser Saison. Vielleicht ganz passend für Schützen, gibt es da gerade in Ruhpolding ein ganz besonderes Angebot:

tachyonmassage

Eine Massage mit Hilfe überlichtschneller Teilchen… Das ist natürlich interessant. Die nicht existenten Meridiane und die nachweislich beliebig austauschbaren Akupunkturpunkte lassen wir an dieser Stelle mal beiseite. Da hier eindeutig von Quantenphysikern die Rede ist, kann in diesem Fall jedenfalls niemand behaupten, die Tachyonen seien nur eine Metapher und es sei eigentlich etwas ganz anderes gemeint.

Dummerweise werden Tachyonen von Quantenphysikern aber nicht als Quelle aller Materie angesehen, sondern eher als ein Zeichen dafür, dass eine Theorie noch nicht richtig ausgegoren ist und wahrscheinlich nicht viel mit der Realität zu tun hat. Nach Teilchen, die schneller sind als das Licht, wird inzwischen immerhin seit über 100 Jahren erfolglos gesucht, obwohl sie eigentlich in jedem größeren Teilchenexperiment hervorstechen müssten wie ein Süßwassersee in der Sahara. So gilt es in der Physik als ein Merkmal einer vielversprechenden Theorie, dass sie „tachyonenfrei“ ist, also keine Tachyonen braucht, um in sich schlüssig zu sein.

Rein mathematisch bekommt man überlichtschnelle Teilchen übrigens durchaus auch in der Relativitätstheorie unter, wenn man unbedingt will. Mann muss nur annehmen, ihre Masse sei imaginär, also ein Vielfaches der Wurzel von -1. Dass man etwas mathematisch rechnen kann, heißt aber noch lange nicht, dass es auch existiert. Der Abfallhaufen der Wissenschaft ist voll von Theorien, die mathematisch korrekt sind, aber nichts mit der Realität zu tun haben. Insofern kann man wohl davon ausgehen, dass reale Teilchen auch eine reale Masse haben und die Teilchen mit der imaginären Masse sehr wahrscheinlich auch selbst imaginär sind.

Mein Artikel zu Tachyonen-Quark im Skeptiker 4/2002 ist leider noch nicht online verfügbar – vielleicht kommt das ja noch. Dafür gibt es von Florian Freistetter einen wunderbaren Artikel, in dem er etwas ausführlicher ausarbeitet, was es mit Tachyonen auf sich hat und warum man die nicht in Bergkristallen einfangen oder damit massieren kann. Wer etwas anderes behauptet und sich dann auch noch auf Quantenphysiker beruft, muss einen experimentellen Beweis vorbringen, dass seine Tachyonen tatsächlich existieren – sonst sind sie eben doch nur Quantenquark.