Ganz kurz: Quantenquark zweimal geslamt

Da ich voraussichtlich noch bis zum Sommer eher selten zu längeren Beiträgen kommen werde, an dieser Stelle erst mal zwei Terminhinweise für Kurzentschlossene aus Mittelfranken oder dem Großraum Berlin (und natürlich für die Teilnehmer der Frühjahrstagungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft DPG).

Ich werde Quantenquark mal wieder als kleines Worst-Of im Science-Slam-Format (auf 10 Minuten komprimiert, pointiert, etwas anzüglich und dem Format geschuldet zwangsläufig ein bisschen albern) präsentieren, und zwar in diesem Frühjahr gleich zweimal kurz hintereinander. Veranstalter der Einstein-Slams ist wieder die junge DPG.

Erlangen: Dienstag, 6. März, 20 Uhr, Audimax der Friedrich-Alexander-Universität, Bismarckstraße 1

 

Berlin: Montag, 12. März, 20 Uhr, Urania, An der Urania 17, ein paar Schritte von der U-Bahn-Station Wittenbergplatz.

Damit bin ich also dieses Mal gleich auf zwei der vier DPG-Frühjahrstagungen vertreten – und natürlich treffen sich gerade die drei Fachgruppen, an denen ich aus früherer oder aktueller Tätigkeit interessiert bin (Hadronen und Kerne, Teilchenphysik sowie Industrie und Wirtschaft), auf den beiden anderen Konferenzen.

Inhaltlich verrate ich wohl nicht zu viel, wenn ich schon mal ankündige, dass in meinem Vortrag Walter Thurner wieder seinen Verstand ausschalten darf, und auch die „Unternehmensphysiker“ sind einfach zu schön, um sie wegzulassen. Ich habe aber auch ein paar schöne neue Fundstücke dabei.

Nachdem ich bis jetzt bei den Einstein Slams in Dresden Erster und in Münster Letzter geworden bin, bin ich schon sehr gespannt, was das Publikum in Erlangen und Berlin zum Quantenquark sagt…

Unternehmensberatung aus dem Nullpunktfeld

Eine Kleinigkeit gleich vorneweg – normalerweise nenne ich in meinen Artikeln ja immer Ross und Reiter und verlinke alle Quellen. Das werde ich in diesem Artikel zum Teil nicht tun, letztlich aus Gründen der Vorsicht: Hauptberuflich bin ich ja kein Wissenschaftler mehr, sondern Unternehmensberater, mit meiner eigenen Firma. Dabei beschäftige ich mich sehr detailliert und quantitativ für einige Unternehmen damit, wie es in ihrer Zukunft weitergehen könnte. Das hat viel mit der Frage zu tun, wie man ungenaues Wissen in Zahlen abbildet, mit Szenarien und mit Simulationen. Letztlich habe ich mich also von meinen tatsächlichen Tätigkeiten in der Physik nicht so sehr weit entfernt.

Wie wird man aber Unternehmensberater? Früher war das sehr einfach: Man ließ sich Visitenkarten drucken. Heute ist es etwas aufwendiger; man braucht auch noch eine Homepage. Was man nicht braucht, ist irgendeine Form von Zulassung oder auch nur eine Mindestqualifikation. Wenn man ein Unternehmen findet, das sich von einem beraten lässt, ist man Unternehmensberater. Das bedeutet aber, dass einige der Anbieter, um die es heute geht, dem Namen nach meine Wettbewerber sind und jemand auf die Idee kommen könnte, sie zu kritisieren, sei eine verunglimpfende Form von Werbung, und das will natürlich niemand.

Also, deshalb gibt es heute in vielen Fällen keine Namen und Verlinkungen; eine Suchmaschine kann ja auch jeder selbst benutzen. Aus diesem Grund habe ich im Titel auch auf ein spöttisches Wortspiel verzichtet – Satire ist bei diesem Thema ohnehin überflüssig. Außerdem wird der Artikel kürzer als der letzte, versprochen.

Vor ein paar Tagen berichtete die Journalistin Bärbel Schwertfeger von der „Zukunft Personal“, einer Fachmesse für das Personalwesen, und was sie dort fand, beschrieb sie unter der Überschrift „Quantenphysik für Personaler“. Dazu muss man sagen, dass Bärbel Schwertfeger schon so einiges erlebt hat, von merkwürdigen Ayurveda-Kuren über gefährliche Psychotechniken im Management, bis hin zu den Aktivitäten der Maharishi– und Scientology-Kulte. Ihr „Ärger des Monats“ im November waren aber kleine Rotlicht-Kästchen, die, auf die Stirn gelegt, die Wirbelsäule korrigieren sollten. Dazu konnte man auf der Messe „Lichtsprache“ lernen, mit Form-Farb-Kombinationen, die „aus der Quantenphysik bekannt“ sein sollen, und es gab eine Informationsfeld-Balancierung, die Blockaden bei Führungskräften lösen soll und natürlich auch aus den neuesten Erkenntnissen der Quantenphysik entwickelt wurde. Was das Informationsfeld sein soll, das da balanciert wird und von dem die verwendeten Geräte ihre Daten beziehen sollen, das konnten die Anbieter Frau Schwertfeger allerdings auch nicht erklären.

Dass innerhalb des Beratungsgeschäfts gerade das Personalwesen und Coaching besonders viele… sagen wir… amüsante Angebote enthält, darauf hat schon bei der SkepKon 2015 in Frankfurt Professor Uwe Kanning in seinem großartigen Vortrag „Coaching zwischen Profession und Konfession“ hingewiesen. Am gleichen Tag habe ich unter dem Titel „Freak Management“ über Esoterik in der Unternehmensberatung gesprochen. Bei einigen Zuhörern scheint damals der Eindruck entstanden zu sein, ich hielte die Mehrzahl meiner Berufskollegen für unseriös, was ich definitiv nie gesagt habe. Es gibt halt nur leider auch eine kleine Minderheit eher exotischer Angebote. Andere Zuhörer störten sich an meinem ironischen Unterton zum Neurolinguistischen Programmieren (NLP). Tja, manchmal bleibt einem eben nur Ironie, wenn man in einem Vortrag nicht die Zeit hat, solchen Unsinn systematisch zu zerlegen – abgesehen davon, dass es Psychologen gibt, die das wesentlich besser können als ich. Bei den Recherchern zu diesem Vortrag bin ich dann auch erstmals auf angebliche Unternehmensberatung mit Quantenphysik gestoßen.

Dieses Thema ist offenbar gerade im Trend. Jedenfalls ergibt eine simple Google-Suche eine Unzahl an Treffern, meinem ganz subjektiven Gefühl nach noch einmal deutlich mehr als bei der Recherche für meinen Vortrag vor knapp zwei Jahren. Die Kommunikation der Anbieter und, sofern vorhanden, die Darstellung der physikalischen Grundlagen, unterscheiden sich etwas. Bei näherem Hinsehen stellt man aber fest, dass alle Anbieter, bei denen das überhaupt nachvollziehbar ist, mit Geräten von nur zwei Herstellern arbeiten. Die angebliche Funktion unterscheidet sich dabei nicht wesentlich.

Was tun aber nun diese Berater im Vergleich zu anderen Unternehmensberatern? Dass es keine einheitliche Berufsqualifikation für Unternehmensberater gibt, liegt natürlich auch daran, dass die möglichen Tätigkeiten in diesem Feld so vielfältig sind. Beratungsprojekte können sehr unterschiedlich ablaufen, aber ein typisches Projekt in der klassischen Managementberatung besteht aus Datenerhebung, Datenanalyse, Maßnahmenentwicklung und Umsetzung.

Bei der Unternehmensberatung mit Quantenphysik kann man sich diese Schritte fast vollständig sparen. Daten über Markt, Wettbewerb, Kunden, Mitarbeiter und so weiter muss man nicht umständlich erheben – das verwendete Computersystem saugt sich alle benötigten Informationen aus dem Nullpunktfeld (oder aus dem weißen Rauschen oder der „Quantenfeld-Cloud“, je nachdem, bei wem man nachliest). Was das alles ist, dazu gleich mehr. Diese Messungen werden dann vom Computer automatisch mit irgendwelchen Datenbanken abgeglichen, und auf Basis davon werden Maßnahmen festgelegt. Computersysteme samt Messeinheit und Datenbanken kann man von den beiden Herstellern fertig einkaufen. Soweit ist das alles für den Berater natürlich unglaublich praktisch, weil er selbst offenbar kaum etwas tun muss. Jetzt wird es aber auch für das Kundenunternehmen praktisch. Normalerweise müsste der Kunde jetzt ja die entwickelten Maßnahmen umsetzen. Hätte man zum Beispiel festgestellt, dass die Mitarbeiter zu wenig Zeit haben, um sich um die Kunden zu kümmern, müsste man normalerweise ihre Aufgaben verändern und gegebenenfalls zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Bei der Quanten-Beratung kann man sich das sparen, denn die entwickelten Maßnahmen werden direkt zurück ins Nullpunktfeld geleitet (oder wo immer man seine Ergebnisse her hat). Damit ist automatisch alles Notwendige geregelt. Der Berater muss also, nach allem, was ich bei den entsprechenden Anbietern gefunden habe, fast nichts tun; der Kunde muss gar nichts tun, und das beste ist, verglichen mit richtiger Unternehmensberatung ist das Ganze bei Pauschalen von einigen hundert Euro im Monat auch noch ziemlich billig. Für den Preis bekommt man normalerweise nicht mal einen einzigen Beratertag – und ehe sich jetzt jemand über die raffgierigen Unternehmensberater aufregt, auch keinen Arbeitstag irgendeines Handwerksmeisters. Welchen Nutzen das alles haben soll, erschließt sich mir als Physiker zwar nicht, aber manche Kunden scheint das nicht zu stören: Einige Berater zitieren Referenzen nicht nur mit Namen, sondern zeigen sogar Videointerviews mit zufriedenen Kunden.

Schwieriger wird es, wenn man versucht, zu verstehen, was sich hinter Begriffen wie dem Nullpunktfeld oder der Quantenfeld-Cloud eigentlich verbergen soll. Bei den Angaben zum physikalischen Hintergrund haben die angeblichen Quantenphysiker nämlich in den meisten Fällen nicht viel wissenschaftlich Sinnvolles zu sagen. Auch mit physikalischem Hintergrundwissen sind die Erklärungen nicht unbedingt offensichtlich. Eine Quantenfeld-Cloud kommt in der seriösen Physik nicht vor. Das Nullpunktfeld hingegen scheint sich irgendwie vom Begriff der Nullpunktsenergie herzuleiten, der in der Quantenmechanik tatsächlich eine Rolle spielt.

Die Nullpunktsenergie ergibt sich in der Quantenmechanik unmittelbar aus der Heisenbergschen Unschärferelation. Die Unschärferelation besagt, dass man den Ort und die Bewegung (physikalisch genau ausgedrückt den Impuls) eines Teilchens nur mit begrenzter Genauigkeit bestimmen kann. Je genauer der Ort festgelegt ist, desto unschärfer wird die Bewegung und umgekehrt. Das bedeutet nicht, dass nur die Messung ungenau wird – die Bewegung selbst ist im entsprechenden Maße unbestimmt. Jetzt stellen wir uns vor, wir entziehen einem Teilchen seine gesamte Bewegungsenergie. Dann könnte es sich nicht mehr bewegen; sein Ort und seine Bewegung (oder dann eben Nicht-Bewegung) wären damit genau festgelegt und die Unschärferelation wäre nicht mehr erfüllt. Das geht nicht. Ein Teilchen behält also mindestens immer die Energie, die für die Unschärferelation erforderlich ist. Diese Energie hätte das Teilchen immer noch, wenn man ihm alle sonstige Energie entzieht, oder in den Begriffen der Wärmelehre, wenn man es bis auf den absoluten Nullpunkt abkühlt. Deswegen spricht man von der Nullpunktsenergie.

Ist es danach auch physikalisch sinnvoll, von einem Nullpunkt(s)feld zu sprechen? Ein Feld ist die räumliche Verteilung einer physikalischen Größe. Da die Nullpunktsenergie jeweils einem Teilchen zugeordnet ist, wäre die räumliche Verteilung der Nullpunktsenergie einfach nur die räumliche Verteilung aller Teilchen. Besondere Wechselwirkungen oder sonstige Eigenschaften, die man als Feld beschreiben müsste, gehören zur Nullpunktsenergie eben nicht.

Für diejenigen, die über das „(s)“ gestolpert sind – es gibt tatsächlich Leute, die sich ernsthaft Gedanken darüber machen, ob es „Nullpunktsenergie“ oder „Nullpunktenergie“ heißt. Bevor der Google-Algorithmus angefangen hat, das alles zu verwursten, genügte eine einfache Suche, um festzustellen, dass im tatsächlichen Sprachgebrauch Physiker weit überwiegend von Nullpunktsenergie sprechen und Esoteriker fast immer von Nullpunktenergie.

Populär geworden ist der physikalisch also sinnlose Begriff des Nullpunktfeldes durch das Buch „Das Nullpunkt-Feld: Auf der Suche nach der kosmischen Ur-Energie“ von Lynne McTaggart. Nach allem, was man über das Buch im Netz so findet, handelt es sich um eine physikalisch vollkommen absurde These, gerechtfertigt durch ein wüstes Sammelsurium aus dem Zusammenhang gerissener Zitate historischer Figuren wie Einstein und Heisenberg, durch falsch verstandene Fachbegriffe und belanglose Fakten, aus denen unbegründete Schlüsse gezogen werden. Nebenbei taucht darin auch noch der hanebüchene Unsinn der Biophotonen auf, mit dem ich mich hier auch schon ausgiebiger beschäftigen musste. Das ganze gipfelt dann in der physikalisch unhaltbaren Aussage: „Die Wellen des Nullpunkt-Feldes […] enthalten stets umfassende Informationen über die Form von allem, was existiert.“ Wenn man das erst einmal glaubt, ergibt es natürlich auch Sinn, aus diesem Nullpunktfeld die Daten für eine Wettbewerbsanalyse herauslesen zu wollen. Da müsste man ja schließlich jede Information über alles herauslesen können, was existiert. Genau das ist offenbar auch mit der Quantenfeld-Cloud gemeint. Letztlich wieder eine Variation des berühmten „alles hängt mit allem zusammen“-Unsinns.

Physikalisch korrekter ist wahrscheinlich die Beschreibung anderer Anbieter, die Informationen für die Analyse stammten aus dem „weißen Rauschen“. Rauschen entsteht in analogen Elektronikbauteilen, wenn man versucht, ein Signal zu verstärken, wo kein Signal ist, zum Beispiel bei einem Radio, das auf keinen Sender eingestellt ist. Was man verstärkt, sind letztlich einfach die zufälligen Störungen, die durch die Wärme in den Bauteilen ausgelöst werden. Von weißem Rauschen spricht man, wenn das Rauschen völlig zufällig über alle Frequenzen verteilt ist, also letztlich überhaupt keine sinnvolle Information mehr enthält. Aus diesem Rauschen die Informationen herauslesen zu wollen, mit denen man jemanden berät, ist… sagen wir: kreativ.

Welche Analysen werden aber jetzt auf Basis dieser Messungen von zufälligem Rauschen gemacht? Auch hier finden sich Angaben nur bei wenigen Anbietern, aber die Informationen, die man findet, sind ausgesprochen unterhaltsam. Einer der Anbieter findet in den Daten zum Beispiel pseudowissenschaftliche Belastungsfaktoren wie Elektrosmog, Erdstrahlen oder Wasseradern. Mögliche Impfungen der Mitarbeiter findet man in diesen Kreisen natürlich auch ganz schlimm. Gegenmittel können zum Beispiel Öle, Blüten oder Heilsteine sein, zum Beispiel der Zitrin, der das dritte Auge und das Scheitelchakra stimulieren soll. Eingesetzt werden natürlich nicht die Mittel selbst, sondern nur ihre Informationen, die als Rauschen oder durch blinkende Leuchtdioden ins Nullpunktfeld übertragen werden.

Eine Beraterin berichtet über ein Projekt in einem Möbelhaus, bei dem sie als Problemursachen unter anderem ein Energieloch, einen Teich südlich des Grundstücks (ganz schlecht fürs Feng Shui) und karmische Inzestenergien identifiziert hat. Da genügte es als Gegenmaßnahme natürlich nicht, ein Programm zur energetischen Reinigung ins weiße Rauschen zu senden. Im Eingangsbereich des Möbelhauses wurde zusätzlich eine Feng-Shui-Disk benötigt (ich vermute, damit ist so ein Ding hier gemeint).

Manchmal frage ich mich, warum ich mir bei meiner Arbeit so viel Arbeit mache.