Dr. Axel Stoll hat auch tot noch keine Ahnung von Physik…

Eigentlich sollte mein nächstes Posting ja die Fortsetzung des Vortragsposts sein und auf Quantenquark in der braunen Esoterik eingehen, aber da das hier gerade aktuell hereinkommt, schiebe ich einen kurzen Kommentar dazwischen. Mit einer Form von brauner Esoterik hat es ja auch zu tun. Und weiter unten im Text möchte ich einem Missverständnis vorbeugen, das sich die Freie-Energie-Spinner zunutze machen könnten.

Axel Stoll hat offensichtlich immer noch keine Ahnung von Physik. Das ist an sich nicht sonderlich überraschend, denn er ist ja inzwischen seit zweieinhalb Jahren tot…

Der Hintergrund ist natürlich der Film „Ein Interview mit Dr. Axel Stoll“, zu dem ich damals ein paar Expertenkommentare abgegeben hatte.

Stoll hatte in dem Interview behauptet, in geheimen Nazi-Laboren sei eine beispiellos harte Legierung erzeugt worden, indem unterschiedliche Metalle bei Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt unter extremem Druck verquetscht habe – Quetschmetall, wie er das nannte. Das ist natürlich Blödsinn: Bei Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts werden Festkörper (auch Metalle) immer weniger elastisch, und wenn man sie dann großen Kräften aussetzt, bekommt man keine harte Legierung, sondern nur Brösel. Das funktioniert sogar schon bei den vergleichsweise milden -196°C (und somit 77K über dem absoluten Nullpunkt) von flüssigem Stickstoff:

Viel spannender als das ist aber der Spektrum.de-Artikel, der in dem Tweet verlinkt ist. Da ist es also einer Forschergruppe gelungen, in einem sehr kleinen, schwingenden Bauteil die Schwingungen extrem zu reduzieren, was man als Kühlung bezeichnet. Dazu setzten sie sogenannte gequetschte Mikrowellen ein. Das sind elektromagnetische Wellen, bei denen unterschiedliche Frequenzen so trickreich überlagert sind, dass unvermeidliche quantenmechanische Störungen nicht die übertragene Energie beeinflussen, sondern die Wellen nur verschieben. Gequetscht war also nicht das Metall, sondern die Wellen, mit denen die Schwingungen des Metalls gebremst wurden (und auch für die ist der Begriff „gequetscht“ irgendwie wenig erhellend).

Das Experiment ist interessant für Präzisionsmessungen, für die Erforschung von Quanteneffekten in mechanischen Schwingungen und letztlich auch für eine denkbare Form von Speichern in Quantencomputern. Leider könnte der Artikel auch einen falschen Eindruck erwecken: Der Titel „Kälter als die Quanten erlauben“ kann nämlich den Eindruck entstehen lassen, es sei gelungen, dem Bauteil die Nullpunktsenergie seiner Schwingungen zu entziehen. Die Nullpunktsenergie wird aber in der „Freie-Energie“-Szene gerne als Begründung dafür missbraucht, dass es doch möglich wäre, ein Perpetuum mobile zu bauen. Nun brauchte man natürlich auch in diesem Experiment um viele Größenordnungen mehr Energie für den Betrieb der Anlage, als man dem Bauteil entzogen hat, aber Leute wie Claus Turtur sind ja gerne kreativ in ihrer Interpretation von Messungen…

Nun geht es bei der Quantengrenze, unter die man das Bauteil hier abgekühlt hat, aber gar nicht um die Nullpunktsenergie, sondern um die sogenannte quantum back action. Dafür gibt es offenbar noch keine einheitliche deutsche Übersetzung – ich finde entweder einfach nur „Rückwirkung“ oder, weniger einfach, „Quantenstrahlungsdruckrauschen“. Deshalb hat sich der Autor des Spektrum-Artikels offenbar ein bisschen darum gedrückt, diese „niedrigste mögliche Energiemenge“ näher zu bezeichnen. Etwas vereinfacht geht es um den (wie man jetzt gefunden hat nur fast) unvermeidlichen, unkontrollierten Austausch von Energie zwischen Messgerät und beobachtetem Objekt durch Quantenfluktuationen. Das ist eine der quantenmechanischen Grenzen bei Messungen, und quantenmechanisch ist das Kühlen auch eine Form von Messung. Wenn man die trickreich umschiffen kann, dann ist das allemal einen Artikel wert.

Es liegt mir auch fern, mit dieser Anmerkung Spektrum-Autor Lars Fischer zu kritisieren. Er ist meines Erachtens neben Florian Freistetter einer der besten Wissenschaftsblogger/-journalisten in deutscher Sprache. Als jemand, der hobbymäßig ab und zu mal ein paar Zeilen zu grenzwissenschaftlichen Themen zusammentippt, kann ich mich vor dem, was er früher auf Fischblog und jetzt auf Spektrum geschrieben hat und schreibt, nur verneigen.

Nur falls Ihnen nun irgendwo jemand begegnet, der meint, es sei doch jetzt sogar der Mainstreamwissenschaft gelungen, Bauteilen ihre Nullpunktsenergie zu entziehen: Die Antwort ist nein. Man kommt mit dieser Methode nur näher an die Nullpunktsenergie heran, die im Originalartikel als „motional ground state“ bezeichnet ist. Das war bislang nur bei Bauteilen möglich, die mit extrem hohen Frequenzen schwingen und dadurch auch eine relativ hohe Nullpunktsenergie haben. Mit dieser neuen Methode schafft man das dann auch bei Bauteilen mit niedrigerer Frequenz, wo das bislang durch Quanteneffekte bei der Messung/Kühlung nicht möglich war.

Insofern – alles gut, Ihr Physikbuch stimmt noch. Man kann weder Objekten ihre Nullpunktsenergie entziehen noch Quetschmetalle herstellen.

 

6 Gedanken zu „Dr. Axel Stoll hat auch tot noch keine Ahnung von Physik…“

  1. Da Müssen sie Jetzt schon den Kopf mal zum Denken benutzen, und nicht nur als Hutständer! Quetschmetal ist real, muss man wissen!

  2. Quetschmetall wurde nicht durch Kälte erzeugt sondern durch Wärme. Eine Eisenplatte die fest zwischen zwei Titanplatten eingeklemt und anschließend erhitzt wurde. Das heisse Eisen kann sich innerhalb der Titanplatten nicht ausdehnen und wird dadurch gequetscht und dichter. Nachteil. Macht man dieses Verfahren mit der selben Eisenplatte zu oft wird diese schwach Radioaktiv. Nachlesen kann man das auch im Buch von Axel Stoll “ Das Wissen um die wahre Physik“.

    1. Oh, witzig.
      Die absurde Vorstellung, durch mechanischen Druck und Hitze könne man Materialien radioaktiv machen (also Atomkerne verändern) zeigt allerdings deutlich, dass diese „wahre Physik“, wie die meisten anderen Äußerungen des Herrn Stoll auch, lediglich komödiantischen Wert hat.

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