Quantenquark bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft!

Nein, kein Grund für einen Shitstorm. Die altehrwürdige Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) hat sich nicht plötzlich der Verbreitung quantisierten Unsinns verschrieben. Vielmehr habe ich die Gelegenheit, bei den Frühjahrstagungen der DPG gleich zweimal das Thema Quantenquark vorzustellen und so vielleicht ein paar mehr Fachkollegen dafür zu sensibilisieren, was da so alles als angebliche Physik verbreitet wird. Bislang scheint vielen, auch innerhalb der DPG, das nicht wirklich bewusst zu sein, jedenfalls nicht als gesellschaftliches Problem. Dieses Bewusstsein wäre wichtig, denn letztlich ist es ein Problem, das man nur angehen kann, wenn man selbst ein bisschen Ahnung von Physik hat. Erfreulicherweise hatte ich ja schon vor zwei Jahren die Gelegenheit, im Editorial des Physik-Jounals (das alle DPG-Mitglieder kostenlos erhalten) ein paar deutliche Worte zu sagen… naja, vielleicht nicht so deutlich, wie ich das hier tue.

Der erste Vortrag ist schon diesen Mittwoch, auf der Frühjahrstagung der Sektion Materie und Kosmos in Bremen. Dabei trifft sich auch die Arbeitsgruppe Philosophie der DPG, und dort spreche ich darüber, wie Quantenquark durch verunglückte Wissenschatskommunikation gefördert wird.

Eine große Rolle in meinem Bremer Vortrag spielt vor allem die Vermischung von Wissenschaftskommunikation und PR. Es freut mich sehr, dass sich mit Anton Zeilinger kürzlich jemand sehr deutlich dazu positioniert hat, in dessen Themengebieten da meines Erachtens besonders viel schiefläuft. Zeilinger selbst wird regelmäßig und gegen seinen ausdrücklichen Willen von Homöopathen, Quantenheilern und anderen Quarkproduzenten als Kronzeuge herangezogen.

Die Tagung dauert von heute bis zum 17. März und findet statt in der Universität Bremen, Bibliotheksstraße 1. Ich bin am Mittwoch, 15.3., um 17 Uhr an der Reihe, und der Raum wird vom Eingang der Tagung entsprechend beschildert sein (eine DPG-Tagung insgesamt ist an einer Uni in der Regel nicht zu übersehen). Da sich die Veranstaltung an ein Fachpublikum richtet, ist sie leider nicht ganz billig: Das Tagesticket kostet für Nichtmitglieder 130 Euro. Immerhin können Bremer Studierende (keine Doktoranden) und eintägig auch alle Lehrer kostenlos teilnehmen.

Für alle kostenlos ist die zweite Veranstaltung, der Einstein Slam der jungen DPG auf der Frühjahrstagung in Dresden, am 21.3., 20 Uhr im Audimax der TU Dresden, Bergstraße 64.

Da habe ich natürlich nur zehn Minuten, aber das soll für manche Zuhörer ja den Unterhaltungswert noch steigern. Unter dem Titel „Allerlei Quantenquark“ werde ich dort so eine Art „Worst of“ vorstellen. Ob ich da unbedingt den Goldenen Albert gewinnen muss, weiß ich nicht – Siegervorträge bei Science Slams enthalten mir persönlich oft schon zu viel Klamauk. Unterhaltungswert hat Quantenquark aber auf alle Fälle, und falls Sie mich erst mal als Slammer gesehen haben wollen, bevor Sie sich überlegen, ob Sie da hingehen, empfehle ich meinen Vortrag über Biophotonen vom Frankfurter Science Slam zur Luminale, der in diesem Artikel verlinkt ist. Auf die Gelegenheit, auch das Thema Quantenquark mal vor einem richtig großen Publikum live vorzustellen, freue ich mich ganz besonders. Und natürlich freue ich mich auch über jeden Blog-Leser, der dort vorbeischaut und mich nach der Veranstaltung mal anspricht.

Ausbildung in „Humanquantenenergetik“ – mit Bildungsprämie vom Bundesministerium

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich beruflich fortzubilden? Das ist doch immer eine gute Idee. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Ausbildung zum „HUMANQUANTEN-ENERGETIKER®“ oder Geistigen Heiler bei der Deutschen Heilerschule? Da lernen Sie dann neben „Quantentheorie und Praxis“ auch über „die Kraft der Steine und Mineralien“, Reinkarnation und Fernheilung. Die 2790 Euro für die zehn Wochenendseminare können die Teilnehmer nicht nur als Weiterbildungskosten von der Steuer absetzen. Wer nicht zu viel verdient, bekommt (laut Webseite des Anbieters) auch einen direkten Zuschuss vom Staat bis zu freundlichen 500 Euro aus unseren Steuergeldern, und zwar nicht etwa aus dem Sozialhaushalt von Frau Nahles, sondern allen Ernstes vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Die Quantenheilung nach der Zwei-Punkt-Methode, für die bei der Deutschen Heilerschule geworben wird, läuft im Wesentlichen so ab: Der Heiler berührt den Patienten an zwei Punkten und beide stellen sich dabei vor, der Patient sei geheilt. Das war’s. So ähnlich beschreibt es jedenfalls Manuela Pietza in ihrer Doktorarbeit „Kontrollierte Studien zur Wirksamkeit der Quantenheilung“, die sie in Hogwarts, pardon, an der Universität Frankfurt/Oder abgeschlossen hat. Was das mit Quanten zu tun hat, erschließt sich offensichtlich nur jemandem, der überhaupt keine Ahnung von Physik hat, und über die so schön gelehrt und unverständlich klingenden Begriffe hinaus auch kein Interesse an Wissenschaftlichkeit jedweder Art. Dafür wird bei der Beschreibung der tatsächlichen Tätigkeit deutlich klarer, warum zwischen Quantenenergetiker und Geistheiler nicht weiter unterschieden wird. Die Geistheiler haben sich ja inzwischen höchstrichterlich bescheinigen lassen, dass sie niemanden heilen (und dass das allgemein bekannt ist), aber das kommt gleich nochmal.

An der gleichen Heilerschule kann man auch eine Ausbildung zum „Quantenpraktiker“ machen. Dabei geht es dann neben der Quantenheilung auch noch um die unsäglichen Biophotonen, über die ich zuletzt beim Science Slam in Frankfurt Lachsalven ausgelöst habe. Einen längeren Vortrag dazu gibt es von der SkepKon 2014 auf Youtube.

Nun könnte man ja über die merkwürdige Verwendung von 500 Euro Steuergeld lachen oder vielleicht auf unangemessene Zuversicht der „Bildungs“-Anbieter hoffen, wenn es sich denn hier um einen Einzelfall handelte. Bedauerlicherweise kann davon aber nicht die Rede sein:

Beim „Institut für Geistiges Heilen und Bewusstseinsentwicklung“ wird ebenfalls mit der Bildungsprämie geworben. Im Kleingedruckten wird dann aber erwähnt, der eigene Ausbildungsgang zum Geistigen Heiler nach „Intelligenz des Lebens“ sei für die Förderung in der aktuellen Form leider zu teuer. Auch diese Geistheilerausbildung verbindet Jahrtausende altes spirituelles Wissen“ mit Biophysik und Quantenphysik. Die Logik sieht folgendermaßen aus: Menschen bestehen aus Atomen, Atome aus subatomaren Teilchen und diese aus „Schwingungen von Energie und Informationen“. Das sind zwar nicht die versprochenen Forschungsergebnisse aus der Quantenphysik, dafür ist es aber Quantenquark vom Feinsten.

Die Ascendium Heilpraktikerschule wirbt mit der Bildungsprämie des Bundesministeriums für ihre „Naturheilkundlichen Therapieverfahren“. Dazu zählt dort unter anderem die Elektroakupunktur nach Voll, von der Martin Lambeck schon 2006 in der Zeit festgestellt hat, dass die ganze Physik völlig falsch sein müsste, damit sie tatsächlich funktionieren könnte. Quantenheilung nach der Zwei-Punkt-Methode ist bei Ascendium natürlich auch im Angebot, komplett mit schwurbeligem Max-Planck-Zitat und allerlei pseudophysikalischem Nonsense. Ähnlich wie hier wird auch bei der Heilpraktikerschule Landsberg nicht eindeutig gesagt, ob man den Bildungsgutschein auch für Quantenheilung bekommt, aber es wird auf der selben Seite damit geworben. In Landsberg soll die Ausbildung in Quantenheilung unter anderem deren Grundlagen aus der Sicht der Quantenphysik darstellen, also mache ich das hier auch mal kurz: Es gibt keine.

Während bei diesen beiden Heilpraktikerschulen nicht unbedingt klar ist, ob mit den Bildungsgutscheinen auch explizit für die Quantenheilung geworben wird, ist das bei anderen Anbietern allein schon dadurch klar, dass sie nichts anderes im Programm haben. Bei der Matrix-Schule Wichmann dreht sich zum Beispiel alles um die Matrix-Quantenheilung. Unter „Seminare und Kurse“ wird direkt auf die Förderung des BMBF hingewiesen, samt Abbildung des Prämiengutscheins und Link zu http://www.bildungspraemie.info/. Bei Matrix-Tierheiler-Ausbildung finden sich ebenfalls Link und Logo zur Bildungsprämie. Zur Ausbildung gehören neben Quantenheilung auch Tieraufstellungen, Rutengehen und Chakra-Harmonisierung.

Nachdem die pastafarischen Kollegen von FSMoSophica im März zum ersten Mal auf die Förderung von Geistheilerausbildungen durch das Bildungsministerium hingewiesen hatten, habe ich mir den Spaß gemacht, den parlamentarischen Staatssekretär Stefan Müller zu diesem Thema anzuschreiben. Einen bodenständigen CSUler könnte es ja vielleicht auch stören, wenn aus dem Budget seines Ministeriums Menschen unter anderem zum „Schamanischen Heilpriester“ ausgebildet werden. Vor ein paar Tagen kam tatsächlich ein ausführliches Antwortschreiben:

SchreibenMuellerKopf

In der Folge hieß es immerhin, die von mir zitierten Seiten sollten auf Verstöße gegen die Werbevorgaben zur Bildungsprämie geprüft werden. Dann folgte allerdings auch schon der Hinweis, im Förderprogramm werde „nicht nach Inhalten der Weiterbildungen unterschieden“. In Fragen der Qualität setze das Programm „auf die Urteilskraft der Teilnehmenden“. Das steht tatsächlich mehr oder weniger so in der Richtlinie für das Förderprogramm, die das Ministerium festgelegt hat. Eine Ausbildung zum Geistheiler, Schamanen oder Quantenenergetiker kann eine Beratungsstelle, die die Bildungsgutscheine ausstellt, demnach offenbar kaum ablehnen. Was immer dem Fortkommen im aktuellen oder einem angestrebten Beruf dienlich ist, wird gefördert. Nur mit dem Bildungsgutschein einen Führerschein zu machen, wird in der Richtlinie ausdrücklich ausgeschlossen.

Absurderweise benötigt man zwar für viele Berufe einen Führerschein, aber ein Geistheiler braucht gar keine Ausbildung. Wie das Bundesverfassungsgericht 2004 entschieden hat, weckt die Tätigkeit eines Geistheilers nicht „die Erwartung auf heilkundlichen Beistand“. Geist- und Quantenheiler brauchen also weder eine Ausbildung noch einen Kenntnisnachweis nach dem Heilpraktikergesetz. Rechtlich spricht nichts dagegen, einfach daraufloszuheilern.

Wie Staatssekretär Müller schreibt, gibt es keine validen Abgrenzungskriterien für sinnvolle oder unsinnige Weiterbildungen. Hauptsache, man erwartet, damit Geld verdienen zu können. Damit bieten sich natürlich auch für Fortbildungsanbieter ganz neue Perspektiven. Vielleicht könnte ich mal einen Kurs „Online-Zahlungsbetrug und wie man es nicht macht“ anbieten, nachdem ich das als Vereinskassierer mal auf der Geschädigtenseite mitbekommen habe. Ein Chemiker hingegen wäre sicher ein geeigneter Referent für eine Ausbildung als Crystal-Meth-Koch in seiner eigenen Breaking-Bad-Academy. Ach so, das ist natürlich nicht mehr im von Herrn Müller zitierten gesetzlich zulässigen Rahmen. Aber betteln ist ja nicht verboten, und der junge Mann, der mich gestern früh beim Aussteigen aus dem Auto bedrängt und aggressiv angebettelt hat, könnte von einer professionell geschulten Vorgehensweise nur profitieren…  Oder wie wäre es mit schwarzer Magie oder einer Fortbildung als Voodoo-Priester? Bieten wir doch die Ausbildung von Wunderheilern, Schlangenölverkäufern, Handauflegern und Geisteraustreibern an, und freuen wir uns über satte Zuschüsse vom Steuerzahler.

Bildung ist ja schließlich wichtig. Wir haben ja sonst nichts in Deutschland.