Relativer Quantenquark live in Köln

In den vergangenen Monaten habe ich mich ja bei öffentlichen Vorträgen zum Thema Quantenquark meist auf einzelne Teilaspekte konzentriert. Das ist letztlich kaum vermeidbar, wenn man zum Beispiel bei einem Science Slam nur 10 Minuten Zeit hat. Bei den Freunden von Skeptics in the Pub in Köln hatten ich hingegen einmal wieder die Bühne für mich und konnte mit etwas mehr Tiefe auf unterschiedliche Aspekte von Quantenunsinn und falscher Relativität eingehen. Ich hatte sogar einmal wieder Zeit, wenigstens die Grundzüge der richtigen Relativitätstheorie und Quantenmechanik anzusprechen. Von der Idee her ist der Vortrag relativ ähnlich zu meinem allerersten Quantenquark-Vortrag aus Frankfurt, mit dem dieser Blog und das Buch ihren Anfang genommen haben und der oben unter „Die Seite“ verlinkt ist. Tatsächlich haben sich meine Gedanken zu diesem Thema seit Anfang 2015 natürlich weiterentwickelt, und daher freut es mich sehr, dass auch von diesem Auftritt ein Video existiert:

Das penetrante Product Placement unten rechts ist übrigens reine Absicht… Zu meinem Bühnenhabitus kann ich mich nur entschuldigen und sagen, ja, es war heiß, und beim nächsten Mal ziehe ich wieder etwas korrekter ein Sakko an – da bewegt man sich eben doch anders.

Da ich hinterher darauf angesprochen wurde, sei noch der Hinweis erlaubt, die Folie mit den drei Autos bei Minute 10 ist korrekt, nur mein Kommentar dazu war möglicherweise falsch zu verstehen. Der Sportwagen, der jeden Beobachter, unabhängig von dessen Geschwindigkeit, mit gleichem Geschwindigkeitsunterschied überholt, der also für jeden eine andere absolute Geschwindigkeit haben muss, ist natürlich als Gegenstand unseres Alltags unmöglich. Genau so verhält sich aber das Licht. Die korrekte Einleitung dazu wäre also gewesen: „Wenn das Licht ein Sportwagen wäre, dann verhielte es sich so wie dieser – nämlich völlig absurd.“

Natürlich freue ich mich auch weiterhin über Anregungen und kritische Kommentare, und natürlich auf über Einladungen, das Thema auch andernorts einmal live vorzustellen.

 

Wie man vom Atommodell zu Jesus kommt – ein Rezept für Quantenquark

Zwischen einem neuen Buchprojekt, der SkepKon, dem Science March und dem kleinen Detail, dass ich nebenbei auch noch irgendwie Geld verdienen muss, gab es ja in letzter Zeit wenig neuen Quantenquark zu lesen. Zur Überbrückung empfehle ich natürlich weiterhin jedem, der es noch nicht hat, das Quantenquark-Buch.

Eigentlich habe ich auch jetzt keine Zeit für einen neuen Artikel, aber wenn ich schon so nett auf Facebook auf geradezu idealtypischen Quantenquark hingewiesen werde, dann ist das doch einen genaueren Blick wert.

Da versucht also jemand, seine religiösen WahnVorstellungen mit Quantenquark zu begründen. Das ist an sich nicht sonderlich neu.

Im vergangenen Jahr hatte ich schon vom Physikprofessor Markolf Niemz von der Uni Heidelberg berichtet. Niemz erklärt die Halluzinationen im Rahmen sogenannter Nahtoderfahrungen zu Blicken ins Jenseits und begründet das ausgerechnet mit der Relativitätstheorie. Die Argumentation bleibt dabei vollständig auf dem Niveau von „es sieht so ähnlich aus, also muss es dasselbe sein; außerdem bin ich Physiker, also glaubt mir“. Als ich letztes Jahr über Niemz recherchiert habe, schien es um ihn etwas ruhiger zu werden, aber seitdem ist er wieder mit dem gleichen Unsinn unterwegs, gibt Interviews für Wallstreet Online, wo er behauptet, das Licht speichere menschliche Erfahrung über den Tod hinaus und tritt auf dem Züricher „Spiraldynamik-Kongress“ auf, zusammen mit Nahtod-Papst Pim van Lommel. Nun hätte man hoffen können, dass die „Elite-Universität“ Heidelberg ähnlich konsequent wäre wie die Hochschule Furtwangen im Fall ihres Professors Konstantin Meyl. Die Hochschule aus dem Schwarzwald (ursprünglich FH) distanziert sich von den Eskapaden ihres Professors und verbietet ihm, dergleichen in Vorlesungen seinen Studenten zuzumuten. Niemz‘ Machwerke hingegen werden von der Pressestelle seiner Universität wiederholt gefeiert, als seien es wissenschaftliche Leistungen. Da ist die Uni Heidelberg allerdings in guter Gesellschaft. Erst diesen Januar durfte Niemz seine Pseudophysik in einem öffentlichen Gastvortrag am Universitätsklinikum des Saarlandes ausbreiten. An der Uni Gießen gab es im April eine Veranstaltung mit dem Titel „Nahtoderfahrungen – Blick ins Jenseits?“, in der die Frage im Titel (wie Teilnehmer aus dem Kreis der Gießener Skeptiker entsetzt berichten konnten) kritiklos mit Ja beantwortet wurde. Das ist auch kein Wunder, wenn man den eben schon erwähnten Pim van Lommel aufs Podium setzt.

Eine wahre Erholung ist da schon Dirk Schneider, der Autor von Jesus Christus Quantenphysiker. Der begründet zwar auch religiöse Heilslehren mit Quantenquark, aber das tut er (soweit ich das herausfinden konnte) zumindest bislang nicht an öffentlichen Hochschulen. Stattdessen hält er seine Vorträge bei Veranstaltungen von Gruppen wie „Heiler Mensch, heile Erde e.V.“ oder der Stiftung Rosenkreuz zur Förderung hermetischen und gnostischen Gedankenguts.

Robi Sonderegger, der in dem eingangs verlinkten Artikel Jesus als Licht der Welt mit der Quantenphysik begründet, tritt auch eher nicht an Universitäten auf. Sein wichtigstes Betätigungsfeld sind Großveranstaltungen der Freikirche International Christian Fellowship, für die er ziemlich beeindruckend um die Welt tourt. Welchen Bezug er zur Quantenphysik hat, ist nicht wirklich klar, denn im Hauptberuf ist der Australier klinischer Psychologe und arbeitet wohl vor allem in der Traumatherapie. Wie sich eine solche Tätigkeit für beeinflussbare, hilfsbedürftige Menschen mit christlich-charismatischem Sektierertum verträgt, ist sicherlich eine relevante Frage, soll uns hier aber nicht weiter beschäftigen.

Viel spannender in Bezug zu unserem Thema ist Dr. Sondereggers Vortrag „Quantum Christianity“, auf den sich der verlinkte Artikel in jesus.ch offenbar bezieht.

Das Video ist inzwischen leider nicht mehr online. Falls es jemand (unter anderem Namen) noch irgendwo findet, bitte ich um Nachricht.

Das Spannende an dem Vortrag: Er enthält ein wunderbares, geradezu idealtypisches Beispiel der Argumentationsweise von Quantenquark. Dafür lohnte es sich tatsächlich, die ersten 15 Minuten durchzuhalten. Länger habe ich es dann allerdings auch nicht mehr geschafft – irgendwann wird die Pseudophysik des Traumatherapeuten für einen Physiker einfach traumatisch.

Der Einstieg kostet schon einiges an Überwindung: Die Frage, wie denn am ersten Schöpfungstag Licht gewesen sein kann, wenn Gott die Sonne erst am vierten Tag erschaffen hat, dürfte nicht nur mich als aktiven Religionskritiker und passiven Pastafari, sondern auch die meisten aufgeklärteren Christen spätestens seit der Grundschule nicht mehr ernsthaft beschäftigt haben. Wenn man die Bibel natürlich als wörtlich zu nehmendes, unbezweifelbares Wort Gottes sieht, hat man da offenbar Erklärungsbedarf, und den stillt Dr. Sonderegger auf seine ganz besondere Art: Mit dem Drei-Punkte-Rezept für Quantenquark.

Als ersten Schritt zum Quantenquark nimmt man eine tatsächliche und einigermaßen verblüffende Aussage aus der modernen Physik. Die gibt man halbwegs korrekt wieder, betont dabei aber vor allem, wie seltsam und verblüffend die moderne Physik doch ist. Sonderegger stellt dabei zunächst das Bohrsche Atommodell mit seinen Elektronenbahnen vor und erläutert dann halbwegs richtig den Wechsel zur Quantenmechanik, die den Elektronen anstatt festen Bahnen nur noch Aufenthaltswahrscheinlichkeiten für jeden Ort zuordnet. Anschließend erklärt er, heute habe die Wissenschaft sich stattdessen überlegt, dass das Innere des Atoms zu über 99,9 Prozent aus Nichts besteht. Dass das seit dem Rutherfordschen Streuversuch 1913 unbestritten ist und weder zum Bohrschen Atommodell noch zur Quantenmechanik in irgendeinem Widerspruch steht, scheint ihm nicht weiter aufzufallen. Nebenbei lästert er, die Wissenschaft könne sich ja nicht entscheiden und käme alle paar Jahre zu neuen Erkenntnissen. Dass es gerade das Prinzip von Wissenschaft ist, immer dazulernen zu wollen und sich dazu ständig selbst zu hinterfragen, muss natürlich tatsächlich befremdlich sein für jemanden, dessen Weltbild seit 2000 Jahren jedes Dazulernen kategorisch ausgeschlossen hat und mit dem Scheiterhaufen bedroht. Tatsächlich scheint Sonderegger auch sein Publikum mit so viel Wissenschaft zu überfordern, denn nach acht Minuten beruhigt er (unter Beifall) erst einmal, dass er nicht nur über Atome sprechen wird: „Jesus is coming!“

Im zweiten Schritt zum Quantenquark nimmt man die dargestellten Aussagen der Physik, interpretiert sie verfälschend in Alltagssprache und spinnt sie vorsichtig weiter. Dabei bleibt man immer so unklar, dass die Aussagen aus physikalischer Sicht zwar nicht wirklich haltbar aber auch nicht eindeutig falsch sind. Sonderegger behauptet dazu, die 99,9999 Prozent Vakuum innerhalb eines Atoms seien eben nicht nichts, sondern eine „quantum light energy“, aus der das Atom erst entstünde. Ein wohlwollender Physiker kann darin wahlweise das elektromagnetische Feld des Atomkerns oder die Vakuumfluktuationen aus der Quantenfeldtheorie erkennen, aber letztlich muss man einfach konstatieren, dass Sondereggers Quantenlichtenergie in der Physik nicht vorkommt. Normalerweise untermauert man diesen zweiten Schritt zum Quantenquark gerne mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten von Einstein, Heisenberg oder anderen Größen aus der Physikgeschichte. Sondereggers Publikum hat an einer Bestätigung durch Autoritäten dieser Art aber offenbar kein Interesse, und so präsentiert er lieber ein Bibelzitat:

Das Innere der Dinge ist unsichtbar, das steht schon in der heiligen Schrift, und inzwischen haben es auch die dummen Wissenschaftler herausgefunden, erklärt Sonderegger dazu. Dass diese relativ banale Aussage weder eine Erkenntnis der Quantenmechanik noch des Christentums ist, sondern sich so ziemlich bei jedem findet, der in den letzten 3000 Jahren Gedanken zur Natur der Dinge aufgeschrieben hat, lässt er vorsichtshalber unerwähnt. Stattdessen spöttelt er, in der Schweiz hätten die Wissenschaftler jetzt meilenlange Mikroskope, um das Etwas im Nichts für Sekundenbruchteile sehen zu können – so ungefähr die kindlich-naivste Beschreibung des CERN, die mir je untergekommen ist.

Im dritten und letzten Schritt zum Quantenquark nutzt der geneigte Quarkproduzent dann die gestiftete Verwirrung, um frei darauf los zu assoziieren und beliebigen Unsinn mit der Physik in Verbindung zu bringen. Sonderegger tut das mit der Behauptung, die Wissenschaft glaube (ein Wort, das er besonders betont) heute daran, dass alles im bekannten Universum von einer unsichtbaren Intelligenz außerhalb von Raum und Zeit zusammengehalten werde. Die angebliche unsichtbare Intelligenz tritt bei ihm dabei von einem Satz zum nächsten nahtlos und ohne jede Begründung an die Stelle der vorher von ihm an den Haaren herbeigezogenen Quantenlichtenergie. Diese so nun völlig haltlose Behauptung wiederholt Sonderegger mehrfach, immer an einzelne Teile des Publikums gerichtet. Und diese unsichtbare Intelligenz, die ja gleichzeitig eine Quantenlichtenergie ist, kann natürlich nur Jesus sein, den ja schon die heilige Schrift als das Licht der Welt bezeichnet. Und überhaupt – die Wissenschaft glaubt! Mit der Quantenphysik bekehren sich sogar die Wissenschaftler…

Herr, wirf Hirn vom Himmel!

Neues Vortragsvideo über Chemtrails, und gibt es auch Quantenchemtrails?

Ganz aktuell kann ich ein neues Video von einem meiner Vorträge melden: Seit heute ist „Chemtrails – Weltverschwörung oder Wetterphänomen?“ von Prof. Dr. Martin U. Schmidt (vom Institut für Anorganische u. Analytische Chemie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt) und mir online. Den Vortrag haben wir erst vorgestern im Club Voltaire in Frankfurt gehalten – danke an Dragan Pavlovic fürs Filmen und für die wahnsinnig schnelle Bearbeitung.

Zum gleichen Thema existiert auch noch ein älteres Video von mir bei Skeptics in the Pub aus Wien.

Eigentlich sollte man meinen, dass die Chemtrails-Verschwörungstheorie, also die Behauptung, dass von Verkehrsflugzeugen massenhaft und gezielt Chemikalien versprüht werden, um uns alle zu vergiften, mit Quantenquark gar nichts zu tun hat. Folglich würde das Vortragsvideo genau genommen überhaupt nicht hierher gehören. Das sehen einige Chemtrailgläubige allerdings anders.

Somit bestätigen sie einmal wieder mein erstes Gesetz vom Quantenquark: Man kann aus praktisch jedem esoterischen Quark Quantenquark machen, indem man einfach „Quanten-“ davorsetzt. Die Quantenhomöopathie hatten wir hier ja schon, aber es gibt zum Beispiel auch die Quantenakupunktur, Quantenyoga, Quantenastrologie, Quanten-Feng-Shui und so weiter. Warum also nicht auch Quantenchemtrails?

Auf der Seite des Urgroßvaters aller Chemtrailschwurbler, Jeff Rense, ist schon seit 2005 zu lesen, dass die Chemikalien aus Chemtrails mittels des quantenmechanischen Tunneleffekts auch in verschlossene Glasgefäße eindringen können. „Nachgewiesen“ hat das Renses Kollege James Neff am Geschmack von Lebensmitteln, die er über Nacht auf der Terrasse stehen hatte.

Einen anderen Zugang zum Thema hat die deutsche Seite detox-quantum.com, die gerade im Moment nicht erreichbar zu sein scheint. Dank des Google Caches kann man die zum Teil recht aktuellen Inhalte aber ansehen. Dort findet man allerlei Unsinn über Detoxen, also das angebliche Entgiften seines Körpers. Tatsächlich hat man genau zu diesem Zweck eine Leber und zwei Nieren, und wenn die das nicht mehr hinbekommen, braucht man keine Zwiebeln und keine grünen Smoothies, sondern schlicht und einfach entweder eine Transplantation oder regelmäßig eine Dialyse. Laut detox-quantum soll man sich aber trotzdem entgiften, und zwar unter anderem wegen der ganzen Gifte aus den Chemtrails. Stellt sich immer noch die Frage, was hat das außer dem Namen mit Quanten zu tun? Nun, die gleiche Autorin, Angelika Schlinger, verbreitet in diesem Kontext auch noch die absurde These, unsere Erwartungen würden durch irgendwelche quantenmechanischen Effekte den Zufall steuern. So eine Art „Bestellungen ans Universum“ (wozu es ein wunderbares Buch von Hugo Egon Balder gibt) in Form von Quantenquark also. Letztlich sind das einfach einmal wieder falsche Schlussfolgerungen aus dem so unglücklich benannten „Beobachtereffekt„. Das begründet Frau Schlinger mit dem berühmten Gedankenexperiment mit Schrödingers Katze, das sie ganz offensichtlich nicht mal in Ansätzen verstanden hat. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit Schrödingers gründlich missratenem Beispiel und dem Unsinn, der darum herum entstanden ist, muss ich auf mein demnächst erscheinendes Buch verweisen. Das erfordert etwas Hintergrund und mehr Platz, als in einem Blogartikel zur Verfügung steht. Besonders lustig ist Frau Schlingers Behauptung, Schrödinger hätte dank seines Katzenbeispiels den Nobelpreis erhalten. Das wäre in der Tat eine spannende quantenphysikalische Verletzung der Kausalität – wenn es nicht einfach falsch wäre. Schrödinger hat sein Gedankenexperiment mit der unseligen Katze nämlich 1935 aufgestellt, zwei Jahre nachdem er den Nobelpreis bekommen hatte, und zwar zusammen mit Paul Dirac für die Formulierung der Quantenphysik in Form von Wellen. „Quantenmechanik ist echt cool,“ findet Frau Schlinger. Da kann ich ihr nur zustimmen und ihr empfehlen, mal etwas darüber zu lernen.

Etwas weniger abstrus ist die Behauptung der deutschen Uralt-Chemtrailseite chemtrails-info.de, Chemtrails würden uns Lichtquanten vorenthalten. Nun gibt es zwar keine Chemtrails, aber die Kondensstreifen von Flugzeugen reflektieren natürlich Sonnenlicht ins All, wie jede andere Wolke auch. Damit wirken ganz normale Kondensstreifen auch tatsächlich von ganz alleine der globalen Erwärmung etwas entgegen, wobei der zusätzliche Treibhauseffekt durch das von den Flugzeugen emittierte Kohlendioxid langfristig überwiegen dürfte, denn das bleibt ja in der Atmosphäre, nachdem sich der Kondensstreifen schon lange aufgelöst hat. Absurd wird es dann erst mit der Behauptung, man könne das so fehlende Sonnenlicht ersetzen, indem man Lichtessenzen oder Lichtglobuli zu sich nimmt, die im Gegensatz zu echten Medikamenten eine hohe Konzentration an Lichtquanten enthielten. Lichtquanten sind… nun, eben Licht; die kann man nicht irgendwo einschließen, weil sie sich eben mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Und wenn etwas Lichtquanten emittiert, dann erkennt man das sehr einfach, nämlich daran, dass es leuchtet. Wenn Sie also der Meinung sind, dass Ihnen Lichtquanten fehlen (was sowohl psychisch als auch körperlich ja durchaus denkbar ist, gerade in dieser Jahreszeit), dann gehen Sie raus ins Tageslicht oder schalten Sie das Licht an!

Sehr bizarrer Quantenquark in  Bezug auf Chemtrails findet sich auch in einer amerikanischen Diskussionsgruppe zu Morgellons. Patienten mit Morgellons bemerken Fasern, die in oder unter ihrer Haut wachsen und allerlei Beschwerden auslösen, was sie in vielen Fällen auf Chemtrails zurückführen. Dummerweise kann niemand außer den Patienten selbst diese Fasern sehen, weshalb diese Krankheit in der Regel eher Psychiater als Hautärzte beschäftigt. Der Patient CrystalRiver überlegt sich in diesem Forum eine Hypothese warum die Medizin die Existenz dieser Fasern nicht anerkennt: Wenn irgendwannn niemand mehr an die Morgellons glaubt, dürften diese ja nach der Quantenphysik auch nicht mehr existieren. Damit scheinen sich seine Vorstellungen von Physik etwa auf dem Niveau von Frau Schlingers Wunsch-Bullshit zu bewegen.

Mit dem Stichwort „Fasern“ sind wir dann auch schon bei der wohl bedeutendsten Informationsquelle deutschsprachiger Chemtrailgläubiger: sauberer-himmel.de. Dort wird über eine Luftmessung aus der US-Großstadt Phoenix berichtet, in der sich in den Filtern Fasern niedergeschlagen hatten, die im Mikroskop verdächtig nach Textilfasern aus Kleidung, Teppichen oder Ähnlichem aussehen. Dazu wird eine angebliche Analyse aus einem nicht genannten Labor mit etwas abenteuerlichen Ergebnissen genannt.

„Radioaktives Natriumjodid“ – wer meint, messen zu können, dass das Natriumjodid (und nicht etwa irgendetwas anderes auf dem Filter) radioaktiv ist, müsste das Spektrum der Strahlung gemessen haben und müsste daher auch in der Lage sein, anzugeben, welches Isotop des Natriums oder des Jods denn da strahlen soll. Da weder Jod noch Natrium natürliche radioaktive Isotope haben, müssten die ja in einem Labor künstlich erzeugt worden sein – ziemlich viel Aufwand, wenn man bedenkt, dass das Ergebnis chemisch immer noch ein recht gewöhnliches Salz ist (im Jodsalz zum Kochen wird eher Natrium- oder Kaliumjodat zugesetzt). Und wie andere anorganische Salze auch bildet es eckige Kristalle und keine Fasern – und schon gar keine violetten. Das hier ist Natriumjodid (Bild vom Datenblatt beim Seilnacht-Verlag.

Für mich sehen die Bilder bei Sauberer Himmel so aus, als hätte da jemand seinen Hausstaub mit einem Klebestreifen aufgesammelt und dann durch ein Schülermikroskop aufgenommen.

Über diese „Messungen“ lässt sich dann auf Sauberer Himmel Harald Kautz-Vella aus. Nur so zur Einordnung – Kautz-Vella glaubt auch an ein schwarzes Öl, das Intelligenz und ein Bewusstsein hat und auf der Thule-Insel von Außerirdischen gefördert wird.

Kautz-Vella hält die Staubfasern aus Phoenix für Quantenpunkte. Quantenpunkte sind nichts weiter als Stellen innerhalb einer Kristallstruktur, in denen viele Atome so angeordnet sind, dass dort quantenmechanische Effekte auftreten, wie man sie sonst eher aus einem einzelnen Atom oder Molekül kennt. Das hat ein paar interessante Anwendungen in der Halbleitertechnik, in Displays (moderne Fernseher haben zum Teil Quantum Dot Displays) oder als extrem teurer Spezialfarbstoff für Laboranwendungen. Nur mit Fasern haben Quantenpunkte eben gar nichts zu tun. Warum jemand auf die Idee kommen sollte, einen solchen teuren Farbstoff als Chemtrail sinnlos in der Atmosphäre zu versprühen, kann sich allerdings nicht einmal Herr Kautz-Vella selbst erklären.

Fast schon sympatisch ist mir da die Argumentation des „Denke anders Blogs“. Die Autoren dort behaupten zwar den gleichen Unsinn wie Frau Schlinger, dass Realität nach der Quantenmechanik durch unsere Gedanken entstünde und entsprechend beeinflusst werden könnte, aber ihre Schlussfolgerung ist interessant: Chemtrails sind Projektionen des Unterbewussten und existieren nur, weil so viele Menschen an sie glauben. Das ist zwar noch nicht ganz die Einsicht, dass es sich bei den Chemikalienstreifen schlicht um Einbildung handelt, aber es ist schon ziemlich nahe daran.

Science Slam, Biophotonen und ein paar Klarstellungen zum Welle-Teilchen-Dualismus

Ich hatte neulich schon in einem Post auf meinen Beitrag zum Science Slam des Physikalischen Vereins anlässlich der Frankfurter Luminale im März hingewiesen. Photos gab es ja schon kurz danach, aber inzwischen sind auch die Videos des Slams online. Mein Favorit war übrigens der von Sabine Hornung zur archäologischen Forschung im Hunsrück, auch wenn sie im Titel mit dem Begriff Quantum recht liberal umgeht:

Natürlich gibt es auch meinen Science-Slam-Beitrag auf Video. Wer also kurz und knapp in zehn Minuten hören will, was Biophotonen sind und warum man das eigentlich gar nicht wissen muss, bitteschön:

Wer sich etwas mehr Zeit nehmen und anstelle der Slam-Polemik lieber mehr über die Entstehung und Verbreitung des Biophotonen-Blödsinns erfahren will, kann sich auch die Langversion von der SkepKon 2014 in München ansehen.

In den Youtube-Kommentaren zu eben diesem Video von der SkepKon wundert sich dann ein „HochOben1“, ob ich denn noch nie vom Welle-Teilchen-Dualismus gehört hätte, womit wir dann (natürlich) mal wieder beim Quantenquark sind.

Hintergrund der Bemerkung ist, dass ich im Vortrag folgendes erklärt hatte: Die Vorstellung, Zellen könnten durch „Biophotonen“ kommunizieren setzt voraus, es gäbe einen Mechanismus, durch den andere Zellen solche Photonen überhaupt wahrnehmen könnten. Nun müsste so ein Lichtsensor innerhalb einer Zelle ziemlich klein sein, um sämtlichen Zellbiologen bis heute verborgen geblieben zu sein. Je kleiner der Sensor, desto geringer ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon, das die Zelle erreicht, gerade diesen Sensor trifft und nicht an irgendeinem anderen Bauteil der Zelle nutzlos verpufft. Eigentlich logisch, oder?

Nicht für „HochOben1“ und seine Vorstellung vom Welle-Teilchen-Dualismus, die leider wieder verdeutlicht, wie viele Leute Begriffe aus der Quantenmechanik gehört haben und verwenden, obwohl sie sie nicht mal im Ansatz verstanden haben. Da das Photon ja auch eine Welle ist, also wie eine Wasserwelle durch die Zelle schwappt, stellt sich „HochOben1“ vor, müsste es doch an jedem Punkt der Zelle gemessen werden können, der Sensor könne also beliebig klein sein.

Nun spricht man aber beim Wellenbegriff der Quantenmechanik nicht umsonst von einer Wahrscheinlichkeitswelle. Die Welle gibt einfach an, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Teilchen an einem bestimmten Ort vorgefunden werden kann. Man kann ein solches Teilchen also nicht auf jedem Weg messen, den die dazugehörige Welle durchläuft, sondern eben nur auf einem der möglichen Wege, und welcher das ist, ist auch noch vollkommen zufällig. Dass der gemessene Ort eines Teilchens im Rahmen dessen, was die Welle beschreibt, zufällig ist, ist ja gerade eine der Kernaussagen der Quantenmechanik und des Welle-Teilchen-Dualismus.

Photonen sind in dieser Hinsicht auch noch besonders unpraktisch: Anders als elektrisch geladene Teilchen kann man sie nicht entlang ihres Weges verfolgen und ihre Spur messen, wie das zum Beispiel mein früheres Experiment (STAR am Brookhaven National Laboratory) mit hunderten von geladenen Teilchen aus einer einzelnen Atomkernkollision getan hat:

Photonen hingegen wechselwirken nach ihrer Erzeugung noch genau einmal mit der Außenwelt, und das ist bei ihrer Vernichtung. (Ehe jetzt noch jemand meint, mich über virtuelle Teilchen-Antiteilchen-Paare aufklären zu müssen, wenn die mit der Außenwelt wechselwirken, ist das Photon auch vernichtet.) Insofern hat man genau eine Chance, ein Lichtteilchen des sichtbaren Spektrums nachzuweisen, und das ist der Moment, an dem es auf eine undurchsichtige Oberfläche trifft. Das ist dann entweder ein entsprechender Sensor, dann hat man es wahrgenommen, oder es handelt sich um eine andere Oberfläche, dann verschwindet die winzige Energiemenge des Photons auf Nimmerwiedersehen irgendwo im thermischen Rauschen der Zelle. Daran ändert der Welle-Teilchen-Dualismus nichts, sondern das ist gerade das Resultat des Welle-Teilchen-Dualismus.

„HochOben1“ meint in seinen Kommentaren übrigens auch, ich erwecke den Eindruck, der arme „Entdecker“ der Biophotonen, Fritz-Albert Popp, stecke hinter den Heilpraktikern und Esoterikern, die irgendwelche merkwürdigen Biophotonenprodukte verhökern. Es war nicht meine Absicht, irgendwelche unfundierten Eindrücke zu erwecken. Tatsächlich habe ich in meinem Vortrag offenbar nicht deutlich genug darauf hingewiesen, dass Fritz-Albert Popp in seinen aktiven Zeiten jahrelang Vorträge auf den Veranstaltungen dieser Leute (z.B. bei der Deutschen Ayurveda Akademie) gehalten und unter anderem für die sogenannte Regulationsdiagnostik geworben hat, die dementsprechend von der Firma Quantisana mit seinem Bild vermarktet wird. Auch bei der Vermarktung des Timewaver, eines Therapiegeräts für bis zu 30.000 Euro, wird immer wieder nicht nur Popps Sohn, sondern auch er selbst zitiert.  Dass er Gutachten geschrieben hat, die unter anderem die Wirkung von „vitalisiertem“ Wasser bescheinigen sollten und sich auch die Verkäufer von „Power Light Stones“ aus Achat auf eine Auftragsuntersuchung von Popp berufen, kam irgendwie auch zu kurz. Und bestimmt haben auch die Leute, die seinerzeit 950 Euro für die Teilnahme an Fritze Popps „Summer Schools“ bezahlt haben, damit keinerlei kommerzielle Interessen verbunden…

Nochmal Chemtrails – zwei Vorträge, eine Demo, und warum ich das hier mache

„Es ist gut, mehr über Physik zu wissen. Damit man sich keine Quantenmassage aufschwätzen lässt.“ Das sagte vorhin einer der Zuhörer, nachdem ich bei der Frankfurter Volkshochschule im Rahmen des Studium Generale über die Grundideen von Relativitätstheorie und Quantenmechanik gesprochen hatte. Es ging in meinem Vortrag ausdrücklich nicht um Quantenquark, sondern nur um richtige Physik. Das Publikum im Studium Generale ist auch nicht spezifisch auf esoterische oder skeptische Themen fokussiert, und trotzdem bestand offenbar genau dazu Gesprächsbedarf.

Es ist immer wieder faszinierend, auf welche rege Resonanz Wissenschaft trifft, selbst wenn man eigentlich ganz abstrakt nur über die theoretische Physik spricht.

Liebe Physikerkollegen: Das sollten wir öfter machen. Menschen interessieren sich tatsächlich für Naturwissenschaft, und je mehr Sinnvolles sie darüber finden, desto weniger gehen sie den Quantenschwurblern auf den Leim.

Mein Vortrag über Chemtrails in Wien am 20. April, den ich im letzten Post angekündigt hatte, ist schon als Video online:

skeppub wien

Es war eine schöne Veranstaltung, in einem Konzertkeller mit toller Atmosphäre. Zum Glück wollte mich niemand singen hören. Nachdem wir kurzzeitig mit einer Verschwörung des Wirts zu tun hatten, der den fest installierten Beamer falsch angeschlossen hatte, konnten wir auch mit einer halben Stunde Verspätung starten, und das Publikum ist super bei der Stange geblieben.

Mein Vortrag war der zweite bei den Wiener Skeptikern zum Thema Chemtrails innerhalb einer Woche. Der andere, von dem Chemiker Per Federspiel, ist auch online zu sehen, und ich finde es ganz spannend zu sehen, wie anders er an das Thema herangeht.

Und ein drittes Filmchen zum Thema Chemtrails gibt es zu vermelden: Am 24.4. berichtete Spiegel TV von einer Demonstration der Chemtrail-Verschwörungstheoretiker in Berlin. Wenn man sich die O-Töne der Teilnehmer anhört, wird denke ich relativ schnell deutlich, warum wir Skeptiker nicht unbedingt die ganz überzeugten Gläubigen oder gar ihre Aktivisten als unsere Gesprächtspartner suchen…

Insofern freue ich mich natürlich über jeden Quantenesoterik-Überzeugten, der auch mal den Relativen Quantenquark liest, aber eben auch und vor allem über Neugierige, Interessierte, Fragende, Suchende, Verunsicherte, Amüsierte und nicht zuletzt über Skeptiker und über jeden, der über seltsame Dinge auch gerne mal den Kopf schüttelt, auch wenn er den Quark schon lange für Quark hält.

Preaching to the converted ist doof, aber sich austauschen, Informationen teilen und auch mal zusammen lachen macht doch mit Freunden mindestens genauso viel Spaß, oder?