Skeptisch ist man nicht allein

Das Verschwörungsmythen-Buch ist da! Die Kiste mit den ersten Exemplaren kam am letzten Wochenende bei mir an, und eigentlich wollte ich dazu nicht schon wieder einen Artikel schreiben, denn das soll hier ja nicht zur reinen Werbeseite verkommen.

Leider habe ich aber bei der Ankündigung des Buchs etwas sehr Wichtiges vergessen – nämlich mich zu bedanken. Dabei geht es in erster Linie um zwei von mir sehr geschätzte Menschen und tolle Experten, die ganz maßgeblich zu dem Buch beigetragen haben – sie haben nämlich jeweils praktisch ein komplettes Unterkapitel geschrieben. Dazu aber gleich mehr.

Zu den Büchern haben nämlich noch viel mehr Menschen beigetragen, und manche wussten es, manche aber auch nicht. Zunächst einmal braucht man für ein Buch, wenn man es professionell angehen will, natürlich einen Verlag. Bei meinen Büchern kam sogar die Initiative, sie zu schreiben, von den Verlagen, Springer und Hirzel. Bei „Relativer Quantenquark“ hatte ich im Schreibprozess viel Unterstützung durch Lisa Edelhäuser von Springer, die nicht nur vom Schreiben her, sondern mit ihrem fachlichen Hintergrund in der Quantenfeldtheorie auch inhaltlich viel betragen konnte und mich von mancher voreiligen Aussage abgehalten hat. Hinzu kam aus dem privaten Umfeld die unschätzbare Hilfe von Stephanie Dreyfürst mit ihrer langjährigen Erfahrung in akademischer Schreibdidaktik und Schreibforschung. Für mein erstes Buch war das genau richtig. Bei „Verschwörungsmythen“ hat mir Angela Meder, meine Ansprechpartnerin bei Hirzel, deutlich mehr Freiheiten gelassen – und ich muss sagen, das war jetzt auch genau richtig.

Nicht unterschätzen darf man aber vor allem die Bedeutung des skeptischen Umfeldes im Zustandekommen der Bücher. Am sichtbarsten ist das noch bei den Photos. Beim Quantenquark-Buch brauchte ich zur Geschichte der Relativitätstheorie ein Bild der Jupitermonde, wie sie durch die Teleskope des 17. Jahrhunderts ausgesehen haben könnten: Oliver Debus konnte genau das liefern. Bei „Verschwörungsmythen“ hatte ich in der Hinsicht gleich mehrere unkomplizierte Helfer. Für das Kapitel über die Flacherdler brauchte ich ein Schiff, das hinter dem Horizont verschwindet, und Mark Bailey stimmte sofort zu, dass ich seine gerade auf Facebook veröffentlichte Serie verwenden konnte. Martin Schmidt, mein Mitstreiter in einem Vortrag zu Chemtrails, lieferte zum entsprechenden Kapitel ein Bild von einem Himmel voller Kondensstreifen über Frankfurt-Höchst. Als ich für das gleiche Kapitel schließlich noch ein Photo von einem Halo um die Sonne suchte, bekam ich nach einem Aufruf auf der Facebookseite des Blogs buchstäblich Dutzende von spektakulären Aufnahmen angeboten. Die passendste, auch von Aufnahmezeitpunkt und -ort her, war schließlich eine von Jan Keilholz.

Gar nicht einzeln anzusprechen sind die vielen Anregungen, Inspirationen, Fragen, Hintergrundinformationen und Ideen, die ich aus dem skeptischen Umfeld aufnehmen konnte. Manche kamen bei den monatlichen Treffen der Frankfurter Regionalgruppe, andere nach Vorträgen, auf der SkepKon, bei Hoaxilla (ich freue mich auf das Neuschwabenlandbuch, das ich so gerne schon zum Zitieren gehabt hätte), im Skeptiker, auf Facebook oder auf Twitter, aber auch international bei der Euroscepticscon, bei Ratio in Bulgarien oder bei den vielfältigen Aktivitäten der britischen Skeptiker. In Deutschland spielt immer wieder die GWUP eine zentrale Rolle, ohne die ich mich kaum jemals so intensiv mit diesen Themen beschäftigt hätte, während vor allem die Briten weitaus weniger zentral organisiert sind. Offensichtlich haben es die Briten einfach nicht so mit dem Dazugehören…

Aber jetzt endlich zu meinen beiden Gastautoren:

Wenn man ein Buch über Verschwörungsglauben schreiben will, kommt man meines Erachtens nicht daran vorbei, wenigstens am Rande auf die Frage einzugehen, warum Menschen so etwas glauben, und was das am Ende für uns bedeutet. Dazu kann ich natürlich Theorien und Ergebnisse wiedergeben, die Andere veröffentlicht haben – und über die Jahre habe ich einige davon gehört und gelesen und mit Wissenschaftlern gesprochen, die aus unterschiedlichsten Blickwinkeln zu Verschwörungsglauben forschen. Ich kann aber nicht jemanden ersetzen, der selbst jahrelang zu diesem Thema geforscht hat, der immer wieder in den direkten Kontakt zu Menschen getreten ist, die an die unterschiedlichsten seltsamen Dinge glauben, der sogar Dr. Axel Stoll interviewt hat… Es ist schon einige Jahre her, dass ich auf einer SkepKon (die damals noch nicht SkepKon hieß) unter vielleicht 100 Zuhörern saß (größer waren die damals nicht) und einem jungen Psychologen zuhörte, der über die ersten Zwischenergebnisse aus seinem Promotionsprojekt über Verschwörungsglauben berichtete. Und falls sich jetzt jemand fragt, warum ich diese Geschichte aus dem Gipskrieg erzähle: Während ich den Vortrag hörte, noch bevor wir ein Wort gewechselt hatten, dachte ich mir: Mit dem müsste ich ein Buch zusammen schreiben. Wir haben das dann später versucht, und es ist nie etwas daraus geworden. Ich hatte keine Ahnung, wie man Verlage anspricht; er hatte zig andere Projekte; wir waren beide mit unserer Selbstständigkeit beschäftigt; er wurde Vater, ich geschieden… Als irgendwann der Hirzel-Verlag mit einer sehr ähnlichen Idee auf mich zukam, habe ich Sebastian Bartoschek erst einmal gefragt, ob er nicht als Koautor mitmachen will. Letztlich passte auch das nicht, also haben wir das wenigstens in kleinen Stückchen nachgeholt: Ich habe ein paar Fußnoten zu „Muss man wissen!: Ein Interview mit Dr. Axel Stoll“ und ein paar O-Töne im gleichnamigen Film beigetragen, und nun hat Sebastian also in meinem Buch die für mich immer etwas sperrige Frage beantwortet: „Warum wollen wir an Verschwörungen glauben?“.

Ein zweites Thema, das für mich sperrig war, kam im Zusammenhang mit dem Kapitel zu den Chemtrails. Wegen Behauptungen, Flugzeugkondensstreifen seien in Wirklichkeit Gifte, die mit finsteren Absichten über uns versprüht werden, habe ich 2005 erstmals angefangen, mich mit Verschwörungsmythen zu beschäftigen, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als das Thema erstmals in deutschsprachigen Medien auftauchte. Ein Stichwort, das mir dabei über die Jahre immer wieder begegnet ist, sind Morgellons: Die Vorstellung, dass Menschen durch Chemtrails oder ähnliche Belastungen Fasern unter der Haut wachsen, die merkwürdigerweise außer ihnen selbst niemand erkennt. Wie erklärt man aber als Physiker jemandem, der sich als krank empfindet, dass ihm körperlich sehr wahrscheinlich nichts, auf jeden Fall nicht das Vermutete, fehlt? Damit müsste sich ein Mediziner befassen, idealerweise jemand, der auch Erfahrung mit psychisch bedingten Erkrankungen hat. Es müsste jemand sein, bei dem glaubhaft ist, dass er die Beschwerden der Betroffenen ernst nimmt, auch wenn er erklären muss, dass die Ursachen nicht die vermuteten und sehr wahrscheinlich gar nicht organischer Natur sind. Am besten wäre jemand, der auch einem Saal voller Skeptiker erklären kann, dass große Mehrzahl der „verrückten“ Esoteriker alles andere als verrückt ist, sondern möglicherweise geistig gesünder als wir Skeptiker. Und idealerweise sollte ihm die Entwicklung unserer Gesellschaft am Herzen liegen und die Bedrohung für ihren Zusammenhalt durch Extremismus und Verschwörungsdenken bewusst sein. Wenn Jan Oude-Aost auf meine Anfrage nicht zugesagt hätte, wäre es sehr schwer geworden, diese Lücke zu füllen. Hat er aber, und ich bin stolz auch auf diesen wunderbaren Gastbeitrag.

Und jetzt, wo die überfälligen Danksagungen geschrieben sind, kann ich mich im nächsten Post wieder den Blogthemen zuwenden, die hier über die letzten Wochen schon wieder liegengeblieben sind.

Mal wieder ein Schwurblerkongress in einer öffentlichen Einrichtung

In den letzten Jahren musste ich mich ja schon mehrfach darüber aufregen, dass Kongresse mit Inhalten von Quantenheilung über Verschwörungstheorien bis Reichsbürgerpropaganda in von Steuergeldern gebauten Stadthallen und Konferenzzentren stattfinden durften.

Dieses Jahr ist es mal wieder soweit – mit dem dritten derartigen Kongress innerhalb von zwei Jahren in immer derselben städtischen Halle in Bergheim, weswegen ich dieses Mal einen offenen Brief an den Bürgermeister verfasst habe, für den ich auf die Schnelle 26 Mitunterzeichner gefunden habe – von Bürgern aus der Region bis zu Europas wohl renommiertestem Professor für Alternativmedizin.  Ein paar Hintergrundrecherchen gab es für die Kommune auch noch. Mal sehen, was daraus wird.

Offener Brief Bürgermeister Bergheim

Recherchen Akasha-Congress

Update 25.1.18: Inzwischen gibt es eine Reaktion der Stadt, in bester Tradition dessen, was man in Amerika als CYA (cover your ass) bezeichnet… nur leider ohne das eigentliche Problem zu erkennen.

Man könnte ja sagen, in so einer Situation könnte man auch die Stadt erst einmal vertraulich auf die problematische Veranstaltung aufmerksam machen, ehe man an die Öffentlichkeit geht. Leider zeigt unsere Erfahrung mit ähnlichen Veranstaltungen in Hessen, dass man da nicht einmal als örtlicher Bürger eine vernünftige Antwort erhält. Zudem ist die Stadt Bergheim ja sozusagen Wiederholungstäter, und Proteste gab es schon gegen den Quer-Denken-Kongress dort 2016.

Vordergründig handelt es sich beim Akasha-Congress um eine reine Altenaivmedizinveranstaltung ohne offensichtliche politisch extremistische Inhalte. Nicht, dass der medizinische Unsinn nicht schlimm und gefährlich genug wäre. Eine Frau Grünberg hält einen Vortrag mit dem Titel: „Brustkrebs mit Metastasen – na und?“.  Der Heilpraktiker Rainer Körner vermarktet sein „BioLogisches Heilwissen“, das er, wie er auf seiner eigenen Homepage schreibt, aus Ryke Geerd Hamers Germanischer Neuer Medizin entwickelt hat. Gleich drei Referenten kommen aus der MMS-Szene: Ätzende Bleichmittel als angebliche Medizin. Dazu ist vom GWUP-Blog bis zu Publikumsmedien und Behörden inzwischen so viel geschrieben worden, dass ich mir das an dieser Stelle denke ich sparen kann – auch wenn man beim Kopp-Verlag Bücher bestellen kann, die meinen, auch da ginge Probieren über Studieren. Klar, man kann auch probieren, ob es wirklich gefährlich ist, an eine Hochspannungsleitung zu fassen… aber halt nur einmal. Die Kongressreferentin Kerri Rivera praktiziert übrigens eine Form von MMS-Wahn, die ich immer für aufgebauschte Einzelfälle einiger Verwirrter gehalten habe: In ihrer Klinik in Mexiko traktiert sie autistische Kinder mit Chlorbleiche-Einläufen. Und nur für den Fall, dass jemand in diesem Kontext den Quantenquark vermisst: Mit von der Partie ist natürlich auch wieder Enrico Edinger, dessen bizarre Ansammlung akademischer Titel von lustigen Instituten aus Russland jedes Jahr anders auszusehen scheint – vermutlich aus juristischen Gründen. Ob Edinger in seinem Verfahren wegen Betrugs und Titelmissbrauchs vor zwei Jahren eigentlich verurteilt worden ist, kann ich auf die Schnelle nicht herausfinden. Wie schon beim letzten Akasha-Kongress 2016 (auch in Bergheim) und bei Reichsbürger-Aktivist Michael Vogts Quer-Denken-Kongressen 2014, 2015 und 2016 (letzterer auch in Bergheim) und geplant auch für den Gießener WIR-Kongress 2016 erzählt Edinger von der Überlegenheit russischer Weltraummedizin. Er wird also wahrscheinlich mal wieder seinen ENKI Disconder vermarkten, den man sich zum Preis von 1800 Euro um den Bauch binden kann, um die Quanteninformationen seines Unterbewusstseins umzuprogrammieren. Vielleicht stellt er ja auch seine ENKI-Bandanahaube zum Preis von 180 Euro vor, über die im Shop irgendwas mit Infrarotstrahlung fabuliert wird und die wohl tatsächlich funktioniert – als Mütze jedenfalls.

Auch wenn es oberflächlich so aussieht, als wäre das alles – der Akasha-Congress hat auch eine Anzahl höchst bedenklicher politischer Bezüge. Aufgefallen ist mir das zugegebenermaßen selbst als erstes, weil mich das Webdesign irgendwie an den verhinderten WIR-Kongress in Gießen erinnerte, bei dem ja auch Reichsbürger-König Peter Fitzek eine Audienz zugesagt hatte, die er aber ohnehin nicht hätte geben können, weil er da schon im Knast saß.

Akasha-Congress:

WIR-Kongress:

Ja, der Motivations-Betz, der zu meistgefragen Themen bei Sekteninfo NRW gehört, ist auch wieder dabei, aber ich kann mich irgendwie nicht dazu bringen, den interessant zu finden. Da gibt es Schlimmeres.

Die Kongresswebsite schreibt selbst, dass die Moderatorin Vesna Kerstan ihre Karriere bei Jan van Helsings Verschwörungskanal secret.tv begonnen hat – ja, der van Helsing, dessen bekanntestes Buch jahrelang als volksverhetzend beschlagnahmt war. Referent Enrico Edinger berichtet auf der Seite seiner eigenen Firma, dass er schon auf einer Veranstaltung des Honigmanns gesprochen hat, der wegen seiner unbelehrbaren Vorliebe für nationalsozialistische Symbole gerade zur Zeit eine Haftstrafe absitzt. Auf den Referenten Karl Probst berufen sich nicht nur die Vertreter der Germanischen Neuen Medizin. Psiram berichtet noch über ein paar Leichen aus seinem Keller, die ich nach so langer Zeit leider nicht mehr nachrecherchieren kann. Er soll schon 2004 gegenüber seinen Patienten Reichsbürgerideologie vertreten haben (als die noch kaum einer kannte), und weil er demnach auch seine Steuern nicht zahlen wollte, soll es in einem Ermittlungsverfahren des bayerischen Staatsschutzes auch eine Hausdurchsuchung bei ihm gegeben haben. Darüber soll er sich dann auch noch im Neuschwabenlandforum des unfreiwilligen Verschwörungstheorie-Internetstars Dr. Axel Stoll ausgelassen haben. Anfangs- und Schlussredner des letzten Akasha-Kongresses 2016, auch in Bergheim, waren Jo Conrad und Michael Vogt, die Initiatoren der Reichsbürgerkongresse Aufbruch Gold-Rot-Schwarz. Gerade über Vogt habe ich hier ja eigentlich schon genug geschrieben. Die Akasha-Congress-Website verlinkt auch noch ein Video von Initiator Ali Erhan im Interview mit Jo Conrad auf dessen Kanal bewusst.tv und ein Video von Stein-Zeit.tv. Andere Gäste auf Stein-Zeit.tv dürfen regelmäßig über „Die Souveränitätslüge“ fabulieren, unwidersprochen behaupten, die Bundesrepublik Deutschland sei eigentlich kein Staat oder für den „Freundeskreis Heimat und Recht“ werben.

Bei Reichsbürgern hört der Spaß nun wirklich auf.

Wobei, die Akasha-Congress-Website verlinkt ja auch diverse Sendungen des Onlineradios Okitalk, und wenn ich auf youtube sehe, wie Okitalk noch im Januar 2018 Werbung für die vom Insolvenzverwalter zerfledderten Reste von Peter Fitzeks Königreich Deutschland macht, während der im Knast sitzt, muss ich doch wieder lachen.

 

 

Dr. Axel Stoll hat auch tot noch keine Ahnung von Physik…

Eigentlich sollte mein nächstes Posting ja die Fortsetzung des Vortragsposts sein und auf Quantenquark in der braunen Esoterik eingehen, aber da das hier gerade aktuell hereinkommt, schiebe ich einen kurzen Kommentar dazwischen. Mit einer Form von brauner Esoterik hat es ja auch zu tun. Und weiter unten im Text möchte ich einem Missverständnis vorbeugen, das sich die Freie-Energie-Spinner zunutze machen könnten.

Axel Stoll hat offensichtlich immer noch keine Ahnung von Physik. Das ist an sich nicht sonderlich überraschend, denn er ist ja inzwischen seit zweieinhalb Jahren tot…

Der Hintergrund ist natürlich der Film „Ein Interview mit Dr. Axel Stoll“, zu dem ich damals ein paar Expertenkommentare abgegeben hatte.

Stoll hatte in dem Interview behauptet, in geheimen Nazi-Laboren sei eine beispiellos harte Legierung erzeugt worden, indem unterschiedliche Metalle bei Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt unter extremem Druck verquetscht habe – Quetschmetall, wie er das nannte. Das ist natürlich Blödsinn: Bei Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts werden Festkörper (auch Metalle) immer weniger elastisch, und wenn man sie dann großen Kräften aussetzt, bekommt man keine harte Legierung, sondern nur Brösel. Das funktioniert sogar schon bei den vergleichsweise milden -196°C (und somit 77K über dem absoluten Nullpunkt) von flüssigem Stickstoff:

Viel spannender als das ist aber der Spektrum.de-Artikel, der in dem Tweet verlinkt ist. Da ist es also einer Forschergruppe gelungen, in einem sehr kleinen, schwingenden Bauteil die Schwingungen extrem zu reduzieren, was man als Kühlung bezeichnet. Dazu setzten sie sogenannte gequetschte Mikrowellen ein. Das sind elektromagnetische Wellen, bei denen unterschiedliche Frequenzen so trickreich überlagert sind, dass unvermeidliche quantenmechanische Störungen nicht die übertragene Energie beeinflussen, sondern die Wellen nur verschieben. Gequetscht war also nicht das Metall, sondern die Wellen, mit denen die Schwingungen des Metalls gebremst wurden (und auch für die ist der Begriff „gequetscht“ irgendwie wenig erhellend).

Das Experiment ist interessant für Präzisionsmessungen, für die Erforschung von Quanteneffekten in mechanischen Schwingungen und letztlich auch für eine denkbare Form von Speichern in Quantencomputern. Leider könnte der Artikel auch einen falschen Eindruck erwecken: Der Titel „Kälter als die Quanten erlauben“ kann nämlich den Eindruck entstehen lassen, es sei gelungen, dem Bauteil die Nullpunktsenergie seiner Schwingungen zu entziehen. Die Nullpunktsenergie wird aber in der „Freie-Energie“-Szene gerne als Begründung dafür missbraucht, dass es doch möglich wäre, ein Perpetuum mobile zu bauen. Nun brauchte man natürlich auch in diesem Experiment um viele Größenordnungen mehr Energie für den Betrieb der Anlage, als man dem Bauteil entzogen hat, aber Leute wie Claus Turtur sind ja gerne kreativ in ihrer Interpretation von Messungen…

Nun geht es bei der Quantengrenze, unter die man das Bauteil hier abgekühlt hat, aber gar nicht um die Nullpunktsenergie, sondern um die sogenannte quantum back action. Dafür gibt es offenbar noch keine einheitliche deutsche Übersetzung – ich finde entweder einfach nur „Rückwirkung“ oder, weniger einfach, „Quantenstrahlungsdruckrauschen“. Deshalb hat sich der Autor des Spektrum-Artikels offenbar ein bisschen darum gedrückt, diese „niedrigste mögliche Energiemenge“ näher zu bezeichnen. Etwas vereinfacht geht es um den (wie man jetzt gefunden hat nur fast) unvermeidlichen, unkontrollierten Austausch von Energie zwischen Messgerät und beobachtetem Objekt durch Quantenfluktuationen. Das ist eine der quantenmechanischen Grenzen bei Messungen, und quantenmechanisch ist das Kühlen auch eine Form von Messung. Wenn man die trickreich umschiffen kann, dann ist das allemal einen Artikel wert.

Es liegt mir auch fern, mit dieser Anmerkung Spektrum-Autor Lars Fischer zu kritisieren. Er ist meines Erachtens neben Florian Freistetter einer der besten Wissenschaftsblogger/-journalisten in deutscher Sprache. Als jemand, der hobbymäßig ab und zu mal ein paar Zeilen zu grenzwissenschaftlichen Themen zusammentippt, kann ich mich vor dem, was er früher auf Fischblog und jetzt auf Spektrum geschrieben hat und schreibt, nur verneigen.

Nur falls Ihnen nun irgendwo jemand begegnet, der meint, es sei doch jetzt sogar der Mainstreamwissenschaft gelungen, Bauteilen ihre Nullpunktsenergie zu entziehen: Die Antwort ist nein. Man kommt mit dieser Methode nur näher an die Nullpunktsenergie heran, die im Originalartikel als „motional ground state“ bezeichnet ist. Das war bislang nur bei Bauteilen möglich, die mit extrem hohen Frequenzen schwingen und dadurch auch eine relativ hohe Nullpunktsenergie haben. Mit dieser neuen Methode schafft man das dann auch bei Bauteilen mit niedrigerer Frequenz, wo das bislang durch Quanteneffekte bei der Messung/Kühlung nicht möglich war.

Insofern – alles gut, Ihr Physikbuch stimmt noch. Man kann weder Objekten ihre Nullpunktsenergie entziehen noch Quetschmetalle herstellen.