Zwei Germanen und ein Recherchefehler

Kennen Sie das auch? Sie haben einen Text geschrieben, ein Bild gemalt, einen Schrank geschreinert, Ihren Garten bepflanzt, sich dabei größte Mühe gegeben, immer wieder nach möglichen Fehlern gesucht, keine Fehler mehr gefunden – und genau in dem Moment, in dem Sie vor dem Ergebnis Ihrer Arbeit stehen und nichts mehr verändern können, werfen Sie noch einmal einen Blick darauf, und was ist das Erste, was Sie sehen?

Das ging mir bei meiner Diplomarbeit so, bei meiner Doktorarbeit, und ich habe sowohl bei Quantenquark als auch beim Verschwörungsmythen-Buch das erste Exemplar in meinen Händen nur sehr zögerlich aufgeschlagen, weil ich mir fast sicher war, auch dort würde mich von der ersten Seite, die ich ansehe, mindestens ein Tippfehler anspringen. Glücklicherweise sind diese Bücher aber bei den Verlagen schon von Programmplanern und Lektoren sorgfältig durchgearbeitet worden, so dass mir eine solche Erfahrung in diesen Fällen erspart geblieben ist. Es gab einzelne Verbesserungsvorschläge von Lesern zur ersten Quantenquark-Auflage, aber insgesamt bin ich mit der Qualität sehr zufrieden.

Und dann ist es mir doch passiert: Vor ein paar Wochen, es war ein Dienstagabend; das Hörbuch war gerade erschienen; am Montag hatte ich die Druckfreigabe für die zweite Auflage gegeben. Ein paar Tage zuvor hatte mich jemand auf den „veganen Germanen“ angesprochen – den googelte ich also nochmal, um nachzusehen, was der aktuell gerade so alles verzapft, und stellte fest – der „vegane Germane“ heißt Andreas Goebel. Im Quantenquark-Buch hatte ich allerdings geschrieben, der Blogger Aleksander Armbrust bezeichne sich selbst als „der vegane Germane“, und Armbrust heißt nun mal nicht Goebel. Das ist mir schon beim Verfassen der ersten Auflage passiert, weder den Lesern noch mir beim Überarbeiten aufgefallen, wurde im Hörbuch so gelesen – aber wenn ich es einen Tag früher bemerkt hätte, wäre es wenigstens in der zweiten Auflage noch zu korrigieren gewesen.

Aleksander Armbrust ist der Hauptautor des Terraherz-Blogs. Den muss man nicht unbedingt kennen, außer, man hat eine Vorliebe für wüste Verschwörungsmythen, Klimawandelleugnung, Nähe zur Reichsbürgerideologie, nicht nur unterschwelligen Antisemitismus und abstruse Pseudomedizin, oder man braucht Hinweise, wie man sich verhalten sollte, wenn man als Reichsbürger oder Rechtsextremist Anlass zu einer Hausdurchsuchung gegeben hat. Aktuell heißt es dort auch, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei „ein halbtotes Wrack“ oder ihr gelegentliches Zittern werde durch das Hören des ihr offenbar unerträglichen Deutschlandlieds ausgelöst. Überwiegend werden dort Inhalte von anderen Internetseiten oder Youtube-Kanälen verlinkt und mit kurzen Hinweistexten angekündigt.

Andreas Goebel, der „vegane Germane“ verbreitet seine Vorstellungen in einem Videoblog, der sich, wenig überraschend, vor allem an die Veganerszene wendet. Auch den muss man nicht kennen, außer, man hat eine Vorliebe für wüste Verschwörungsmythen, Nähe zur Reichsbürgerideologie, Rechtfertigung der Nazi-Verbrechen, Homophobie, nicht nur unterschwelligen Antisemitismus und abstruse Pseudomedizin.

Seinen Weg ins Quantenquark-Buch hat der erste der beiden seltsamen Germanen, Alexander Armbrust, mit der Aussage gefunden, mein peinlicher ehemaliger Institutsdirektor Hans-Peter Dürr sei einer seiner „größten Idole und Mentoren“ und Dürr beschreibe alles, wofür Armbrust „genauso einstehen würde“. Der entsprechende Artikel aus dem Jahr 2015 ist auf dem Blog heute nicht mehr zu finden. Dass solche Aussagen von jemandem kommen, der gleichzeitig verbreitet, die Erde sei eine Scheibe, sagt natürlich einiges darüber aus, welch wirre Vorstellungen von Quantenphysik Dürrs wichtigtuerisch vorgebrachte private philosophische Vorstellungen bei Laien ausgelöst haben.

Der Eindruck, Armbrust und der „vegane Germane“ seien dieselbe Person, ist bei mir beim Verfassen des Manuskripts für die erste Auflage im Jahr 2016 entstanden. Auslöser war anscheinend, dass Armbrust im Terraherz-Blog Videos verlinkt, bei denen er die Ankündigungstexte oft wörtlich übernimmt. Das tut er auch bei Goebels Videos, aktuell zum Beispiel bei diesem hier:

Auf Armbrusts Terraherz-Blog ist der Text absolut identisch:

Mitunter sind solche Ankündigungstexte auch in der ersten Person verfasst. So muss bei mir der Eindruck entstanden sein, Armbrust kündige ein eigenes Video an und sei selbst der „vegane Germane“. Im Detail kann ich das nicht mehr nachvollziehen, weil ich die Beiträge von damals auf der Seite nicht mehr finde.

Dennoch ist das natürlich schlampig recherchiert und darf nicht passieren. Ich entschuldige mich also bei den Lesern. Bei den beiden Germanen würde ich mich eventuell auch entschuldigen – nur ist mir nicht so ganz klar, wer von denen diese Verwechslung wohl eher als Beleidigung und wer als Auszeichnung verstehen würde…

Mal wieder ein Schwurblerkongress in einer öffentlichen Einrichtung

In den letzten Jahren musste ich mich ja schon mehrfach darüber aufregen, dass Kongresse mit Inhalten von Quantenheilung über Verschwörungstheorien bis Reichsbürgerpropaganda in von Steuergeldern gebauten Stadthallen und Konferenzzentren stattfinden durften.

Dieses Jahr ist es mal wieder soweit – mit dem dritten derartigen Kongress innerhalb von zwei Jahren in immer derselben städtischen Halle in Bergheim, weswegen ich dieses Mal einen offenen Brief an den Bürgermeister verfasst habe, für den ich auf die Schnelle 26 Mitunterzeichner gefunden habe – von Bürgern aus der Region bis zu Europas wohl renommiertestem Professor für Alternativmedizin.  Ein paar Hintergrundrecherchen gab es für die Kommune auch noch. Mal sehen, was daraus wird.

Offener Brief Bürgermeister Bergheim

Recherchen Akasha-Congress

Update 25.1.18: Inzwischen gibt es eine Reaktion der Stadt, in bester Tradition dessen, was man in Amerika als CYA (cover your ass) bezeichnet… nur leider ohne das eigentliche Problem zu erkennen.

Man könnte ja sagen, in so einer Situation könnte man auch die Stadt erst einmal vertraulich auf die problematische Veranstaltung aufmerksam machen, ehe man an die Öffentlichkeit geht. Leider zeigt unsere Erfahrung mit ähnlichen Veranstaltungen in Hessen, dass man da nicht einmal als örtlicher Bürger eine vernünftige Antwort erhält. Zudem ist die Stadt Bergheim ja sozusagen Wiederholungstäter, und Proteste gab es schon gegen den Quer-Denken-Kongress dort 2016.

Vordergründig handelt es sich beim Akasha-Congress um eine reine Altenaivmedizinveranstaltung ohne offensichtliche politisch extremistische Inhalte. Nicht, dass der medizinische Unsinn nicht schlimm und gefährlich genug wäre. Eine Frau Grünberg hält einen Vortrag mit dem Titel: „Brustkrebs mit Metastasen – na und?“.  Der Heilpraktiker Rainer Körner vermarktet sein „BioLogisches Heilwissen“, das er, wie er auf seiner eigenen Homepage schreibt, aus Ryke Geerd Hamers Germanischer Neuer Medizin entwickelt hat. Gleich drei Referenten kommen aus der MMS-Szene: Ätzende Bleichmittel als angebliche Medizin. Dazu ist vom GWUP-Blog bis zu Publikumsmedien und Behörden inzwischen so viel geschrieben worden, dass ich mir das an dieser Stelle denke ich sparen kann – auch wenn man beim Kopp-Verlag Bücher bestellen kann, die meinen, auch da ginge Probieren über Studieren. Klar, man kann auch probieren, ob es wirklich gefährlich ist, an eine Hochspannungsleitung zu fassen… aber halt nur einmal. Die Kongressreferentin Kerri Rivera praktiziert übrigens eine Form von MMS-Wahn, die ich immer für aufgebauschte Einzelfälle einiger Verwirrter gehalten habe: In ihrer Klinik in Mexiko traktiert sie autistische Kinder mit Chlorbleiche-Einläufen. Und nur für den Fall, dass jemand in diesem Kontext den Quantenquark vermisst: Mit von der Partie ist natürlich auch wieder Enrico Edinger, dessen bizarre Ansammlung akademischer Titel von lustigen Instituten aus Russland jedes Jahr anders auszusehen scheint – vermutlich aus juristischen Gründen. Ob Edinger in seinem Verfahren wegen Betrugs und Titelmissbrauchs vor zwei Jahren eigentlich verurteilt worden ist, kann ich auf die Schnelle nicht herausfinden. Wie schon beim letzten Akasha-Kongress 2016 (auch in Bergheim) und bei Reichsbürger-Aktivist Michael Vogts Quer-Denken-Kongressen 2014, 2015 und 2016 (letzterer auch in Bergheim) und geplant auch für den Gießener WIR-Kongress 2016 erzählt Edinger von der Überlegenheit russischer Weltraummedizin. Er wird also wahrscheinlich mal wieder seinen ENKI Disconder vermarkten, den man sich zum Preis von 1800 Euro um den Bauch binden kann, um die Quanteninformationen seines Unterbewusstseins umzuprogrammieren. Vielleicht stellt er ja auch seine ENKI-Bandanahaube zum Preis von 180 Euro vor, über die im Shop irgendwas mit Infrarotstrahlung fabuliert wird und die wohl tatsächlich funktioniert – als Mütze jedenfalls.

Auch wenn es oberflächlich so aussieht, als wäre das alles – der Akasha-Congress hat auch eine Anzahl höchst bedenklicher politischer Bezüge. Aufgefallen ist mir das zugegebenermaßen selbst als erstes, weil mich das Webdesign irgendwie an den verhinderten WIR-Kongress in Gießen erinnerte, bei dem ja auch Reichsbürger-König Peter Fitzek eine Audienz zugesagt hatte, die er aber ohnehin nicht hätte geben können, weil er da schon im Knast saß.

Akasha-Congress:

WIR-Kongress:

Ja, der Motivations-Betz, der zu meistgefragen Themen bei Sekteninfo NRW gehört, ist auch wieder dabei, aber ich kann mich irgendwie nicht dazu bringen, den interessant zu finden. Da gibt es Schlimmeres.

Die Kongresswebsite schreibt selbst, dass die Moderatorin Vesna Kerstan ihre Karriere bei Jan van Helsings Verschwörungskanal secret.tv begonnen hat – ja, der van Helsing, dessen bekanntestes Buch jahrelang als volksverhetzend beschlagnahmt war. Referent Enrico Edinger berichtet auf der Seite seiner eigenen Firma, dass er schon auf einer Veranstaltung des Honigmanns gesprochen hat, der wegen seiner unbelehrbaren Vorliebe für nationalsozialistische Symbole gerade zur Zeit eine Haftstrafe absitzt. Auf den Referenten Karl Probst berufen sich nicht nur die Vertreter der Germanischen Neuen Medizin. Psiram berichtet noch über ein paar Leichen aus seinem Keller, die ich nach so langer Zeit leider nicht mehr nachrecherchieren kann. Er soll schon 2004 gegenüber seinen Patienten Reichsbürgerideologie vertreten haben (als die noch kaum einer kannte), und weil er demnach auch seine Steuern nicht zahlen wollte, soll es in einem Ermittlungsverfahren des bayerischen Staatsschutzes auch eine Hausdurchsuchung bei ihm gegeben haben. Darüber soll er sich dann auch noch im Neuschwabenlandforum des unfreiwilligen Verschwörungstheorie-Internetstars Dr. Axel Stoll ausgelassen haben. Anfangs- und Schlussredner des letzten Akasha-Kongresses 2016, auch in Bergheim, waren Jo Conrad und Michael Vogt, die Initiatoren der Reichsbürgerkongresse Aufbruch Gold-Rot-Schwarz. Gerade über Vogt habe ich hier ja eigentlich schon genug geschrieben. Die Akasha-Congress-Website verlinkt auch noch ein Video von Initiator Ali Erhan im Interview mit Jo Conrad auf dessen Kanal bewusst.tv und ein Video von Stein-Zeit.tv. Andere Gäste auf Stein-Zeit.tv dürfen regelmäßig über „Die Souveränitätslüge“ fabulieren, unwidersprochen behaupten, die Bundesrepublik Deutschland sei eigentlich kein Staat oder für den „Freundeskreis Heimat und Recht“ werben.

Bei Reichsbürgern hört der Spaß nun wirklich auf.

Wobei, die Akasha-Congress-Website verlinkt ja auch diverse Sendungen des Onlineradios Okitalk, und wenn ich auf youtube sehe, wie Okitalk noch im Januar 2018 Werbung für die vom Insolvenzverwalter zerfledderten Reste von Peter Fitzeks Königreich Deutschland macht, während der im Knast sitzt, muss ich doch wieder lachen.

 

 

Ist Quantenquark rechts?

Entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten möchte ich die Leitfrage dieses Artikels schon gleich zu Anfang beantworten: Nein, ist er nicht. Unsinn gibt es mit jeglicher politischer Couleur, und das gilt auch für Quantenunsinn. Gepachtet hat den niemand.

Damit könnte ich eigentlich auch schon den Leser beschwichtigen, der mich vor ein paar Tagen über das Kontaktformular angeschrieben hat und wissen wollte, „weshalb die meisten der Beiträge“, die ich kritisiere, „als rechte, braune oder in ähnlicher Form offenbar politisch motivierter Quark abgeurteilt werden“.  Der Leser kann in den kritisierten Inhalten „beim besten Willen weder rechte oder braune oder reichsbürgerliche Motivation erkennen“. Ich solle meine Beiträge doch darauf beschränken, „offensichtlichen Quark auf sachlicher meinetwegen wisschenschaftlich fundierter Ebene zu widerlegen.“

Das verwundert mich dann doch ein wenig, auch weil das Beispiel eines geifernden Rechten-Jägers so gar nicht in mein Selbstbild passt. Schließlich habe ich mich in den Zeiten, als ich noch parteipolitisch aktiver war, immer selbst als „Rechten“ gesehen. Wenn ich bei der Friedberger Antifa-Bildungsinitiative (die tatsächlich eine Bildungsinitiative mit vielen spannenden Vorträgen ist) dem „schwarzen Block“ zugerechnet werde, ist damit meine frühere Mitgliedschaft in der CDU gemeint. Im Rahmen meiner skeptischen Aktivitäten habe ich mich bei allzu politischen Themen wie der Klimawandelleugnung oder der Gefährlichkeit von Technologien wie Kernenergie und Gentechnik jahrelang eher zurückgehalten, obgleich ich dazu im privaten Rahmen einiges zu sagen habe. Allzu politische Sichtweisen tun der Wissenschaftlichkeit in der Regel einfach nicht gut, und buchstäblich alle relevanten Parteien haben pseudowissenschaftliche Leichen in ihrem programmatischen Keller.

Wenn hingegen politischer Extremismus mit Pseudowissenschaft vermischt oder gar gerechtfertigt wird, kommt man als Skeptiker nicht umhin, sich dazu zu äußern. Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn die Kommunistische Partei Österreichs, das linke Regime in Venezuela oder der staatliche Rundfunk des Iran absurde Verschwörungstheorien verbreiten, ein amerikanischer Sender zur Atmosphärenforschung sei in Wirklichkeit eine Waffe, die künstliche Erdbeben auslöst.

Wer jedoch die Esoterikszene, insbesondere im Umfeld von Verschwörungstheorien, in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, dem kann nicht entgangen sein, dass die Vermischungen mit rechtem Extremismus deutlich zugenommen haben. Diese Zunahme ist auch weder eine rhetorisch begründete Unterstellung noch subjektives Bauchgefühl. Besonders in den Versuchen, in den letzten fünf Jahren, mit einem vorläufigen Höhepunkt 2014, eine „Querfront“ aus rechten und linken Extremisten zu bilden, spielten Esoterik und Verschwörungstheorien eine zentrale Rolle.

Als ich 2006 den ersten deutschsprachigen skeptischen Aktikel über die Chemtrails-Verschwörungstheorie geschrieben habe, gab es noch keinerlei Veranlassung, Rechtsextremismus darin mit einem Wort zu erwähnen, schienen doch die Vertreter dieses abstrusen Hirngespinstes der linken Umweltbewegung deutlich näher zu stehen als den damaligen Rechten. Der bekannteste Vertreter der Chemtrail-Thesen, Werner Altnickel, war Träger des deutschen Solarpreises und hatte sich gerade erst von Greenpeace getrennt. Heute fabuliert Altnickel auf seinem inzwischen gesperrten Youtube-Kanal („Militärische + Wirtschaftsnachrichten“) über die jüdische Weltherrschaft, die die Deutschen vernichten will und hat offensichtlich keine Probleme damit, zur rechten Szene gerechnet zu werden:

Als die Innsbrucker Frauenforscherin Prof. Claudia von Werlhof 2010 darüber fabulierte, das amerikanische Atmosphärenforschungszentrum HAARP diene in Wirklichkeit dazu, Erdbeben zu erzeugen und könne auch für die Verwüstungen in Haiti verantwortlich sein, erhielt sie Beifall hauptsächlich noch von der Kommunistischen Partei Österreichs. Inzwischen lässt sie sich beim Quer-Denken-Kongress (nicht zum ersten Mal) vom Reichsbürger Michael Vogt interviewen, der auch schon einen Film über den „Friedensflieger Rudolf Heß“ produziert hat. Auf dem gleichen Kongress traten auch der „Deutsche Mitte“-Protagonist Christoph Hörstel, der Haus-und-Hof-Autor des Kopp-Verlags, Gerhard Wisnewski, sowie Querfrontler Jürgen Elsässer auf.

Michael Vogt, der mehrfach als Initiator von Reichsbürger-Veranstaltungen aufgefallen ist und eine Honorarprofessur nach Kontakten zur NPD verloren hat, begrüßt in seinem Quer-Denken-TV und auf den zugehörigen Konferenzen eine Vielzahl von Größen der Esoterikszene, darunter einige, die vor 2014 kaum in einem politischen Umfeld in Erscheinung getreten sind, manche aber vielmehr durch Quantenquark. Hierzu gehört zum Beispiel der Hare-Krishna-Anhänger Marcus Schmieke. Schmiekes abstruse Vorstellungen von Quantenphysik sind eigentlich einen eigenen Artikel wert… naja, vielleicht sind sie es auch nicht wert. Sein Geld verdient er offenbar vor allem mit dem Timewaver, einem Gerät, das durch Veränderung eines angeblichen, pseudophysikalischen „Informationsfeldes“ Krankheiten heilen und Unternehmen beraten soll. Das Gerät soll allein von über 1500 Therapeuten genutzt werden – bei fünfstelligen Stückpreisen für die Therapeutenmodelle lässt das auf beachtliche Umsätze schließen. Inzwischen tritt der Mantra-lehrende Krishnajünger aber auf derselben Veranstaltung auf mit Holocaust-Bezweiflern, Verschwörungs-Schwurblern und Führern randständiger Parteien, die bei Veranstaltungen auch schon einmel Plakate der eigentlich konkurrierenden NPD als Transparente benutzen. Weiteren Quantenquark ins gleiche Umfeld bringt Dr. Michael König, der jahrelang eine Ausbildung zum „zertifizierten Quantenpraktiker“ anbot. Außer bei Vogt tritt König auch bei dessen Reichsbürger-Kollegen Jo Conrad auf.

Vogts Quer-Denken.tv und Conrads bewusst.tv sind jedoch bei weitem nicht die einzigen Online-Angebote in denen Quantenquark in bester Eintracht mit Antisemitismus, Verschwörungsdenken und Reichsbürger-Ideologie verbreitet wird. 78 Artikel zu „Quantenphysik“ und „Quantenmedizin“ finden sich auf Wissenschaft 3000 – unter anderem mit dem verurteilten Betrüger Hartmut Müller als Experten. Neben der Behauptung, die Erde sei eine Scheibe, findet sich an gleicher auch Werbung für den „Staat Ur“ des Reichsbürgers Adrian Ursache, der gerade wegen Mordversuchs vor Gericht steht. Auch das Königreich Deutschland des gerade wegen verschwundener Millionen im Gefängnis sitzenden Goldenes-Brett-vor-dem-Kopf-Preisträgers Peter Fitzek wird auf Wissenschaft 3000 hofiert. Da wundert es nicht, dass „Quantenphysik“ auch bei den Geistesgrößen im Königreich selbst ein Thema ist.

Dass die Verknüpfung von falscher Physik und problematischer politischer Agitation eine hundertjährige Tradition hat, zeigt sich in einem aktuellen Arktikel von meinem langjährigen Skeptikerkollegen Markus Pössel. Pössel, inzwischen Leiter des Hauses der Astronomie, beleuchtet darin die antisemitischen Motive hinter vielen Anfeindungen gegen Einsteins Theorien.

Weitere Beispiele von Verbindungen zwischen Quantenquark und der rechten Szene habe ich bereits im Januar hier aufgeführt. Das war allerdings bislang auch der einzige Artikel zu diesem Thema hier. Daher ist für mich schwer nachvollziehbar, wie der ominöse Leserbriefschreiber darauf kommt, in meinen „Diffamierungsartikeln“ würden „die meisten der Beiträge die Sie erwähnen als rechte, braune oder in ähnlicher Form offenbar politisch motivierter Quark abgeurteilt werden“.

Da ist es schon fast beruhigend, dass nicht alle derartige Fanpost mir politische Motive unterstellt- zum Teil halten die Schreiber mich auch für einen Fälscher, für bezahlt (schön wär’s) oder einfach für dumm:

Hallo Herr Dr. Hümmler,

wie kann man als ernstzunehmender Wissenschaftler nur so ein dummes Zeug schreiben.

Ich vermute, dass Ihr Doktortitel ein Plagiat ist, oder Sie gehören zu den Leuten, die dafür bezahlt werden dass sie die Nullpunktenergie als Humbug darstellen. Diese Energie wird früher oder später zum Einsatz kommen, daran arbeiten inzwischen viele Menschen.

Oder sind Sie vielleicht tatsächlich Dumm? denn: Was der Bauer nicht kennt….

Ausserdem finde ich es bezeichnend, dass auf Ihrer Homepage eine falsche Mailadresse steht.

Gruss

W.  Herbst

Ich muss zugeben, dass es dem Schreiber tatsächlich gelungen ist, mich genug zu verunsichern, dass ich eiligst auf allen meinen Webseiten meine Mailadressen nachgeprüft habe… es waren natürlich alle richtig.

Ich muss allerdings auch sagen, ich bekomme hier auch erfreuliche Zuschriften. Manchmal sogar sehr erfreuliche, zum Beispiel von Martin Piehslinger, der mich auf seine sehr wohlwollende Rezension zum Quantenquark-Buch auf seiner Homepage hingewiesen hat.

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im Zusammenhang mit dem Buch gibt es ganz aktuell sogar tatsächlich eine Möglichkeit, wie Sie mich für diesen Blog bezahlen können, wenn Sie denn möchten: Bestellen Sie das Buch (oder ein anderes aus dem Springer-Nature-Verlag) anstatt über den Buch- oder Onlinehandel einfach über den Link rechts oben direkt beim Verlag, und ich bekomme eine kleine Provision.

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Artikel Ende. Und ich hoffe, ich muss zu diesem Thema nicht so bald wieder schreiben.

Zwei Star-Trek-Kapitäne auf Abwegen und ein Physiker hinter dem Mond

Beim ersten Fall gab es noch ziemlich viel Aufregung, als vor zweieinhalb Jahren Kate Mulgrew ihre Stimme als Erzählerin für den Film The Principle hergab. (The Principle, nicht The Principal, falls sich jemand aus meiner Generation noch erinnert…) Das war etwas ungewöhnlich, denn heutzutage ist Kate Mulgrew wohl eine eher mäßig bekannte Schauspielerin, auch wenn sie in der Serie Orange Is the New Black mal wieder eine etwas prominentere Rolle bekommen hat. Gerade unter uns Nerds unvergessen ist aber ihre Rolle als Captain Kathryn Janeway in der Serie Star Trek: Voyager.

Von der Kommandantin eines Raumschiffs erwartet man natürlich ein gewisses Verständnis für Naturwissenschaft und vor allem für Dinge, die das Weltall angehen. Da war es schon eine eher unschöne Überraschung, ihre Stimme in einem „Dokumentarfilm“ zu hören, der die Behauptung verbreitete, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums. Erfreulicherweise hatte sich Kate Mulgrew schon vor dem Erscheinen des Films sehr deutlich davon distanziert und klargestellt, dass sie einfach als Sprecherin angeheuert worden war, ohne überhaupt zu wissen, worum es in dem Film gehen sollte.

Die Kernthese des Films, der sogenannte Geozentrismus, ist, wie Astronomieblogger Phil Plait es ganz gut auf den Punkt gebracht hat, noch abwegiger als der Kreationismus, wenngleich vielleicht nicht ganz so bekloppt wie die Idee, die Erde sei eine Scheibe. Auch die flache Erde erfreut sich ja gerade wachsender Beliebheit, wie man bei Google Trends eindeutig nachweisen kann:

An eine flache Erde glaubt also nicht nur Xavier Naidoo, sondern auch andere Geistesgrößen mit Hang zu Reichsbürgern und Verschwörungstheorien, zum Beispiel neulich der legendäre Domian-Anrufer.

Dazu passt auch der Macher von The Principle ganz gut, denn Robert Sungenis gilt laut Jewish Chronicle als Holocaustleugner und aggressiver Antisemit. Kate Mulgrew ist auch nicht die Einzige, die sich durch Sungenis‘ Machwerk benutzt fühlt, denn in dem Film verbaut er auch noch viele aus dem Zusammenhang gerissene Schnipsel aus Interviews prominenter, seriöser Physiker wie Michio Kaku und ausgerechnet Skeptiker- und Atheisten-Ikone Lawrence Krauss, um seine absurden Vorstellungen zu untermauern.

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Krauss fand dazu dann auch deutliche Worte und erklärte, Sungenis‘ Thesen als Unsinn zu bezeichnen, sei eine Beleidigung für das Wort Unsinn. Krauss meinte auch, man solle den Film einfach nicht mehr erwähnen, aber den Gefallen kann ich ihm an dieser Stelle leider nicht tun. Michio Kaku hat sich meines Wissens nicht ausdrücklich zu The Principle geäußert, aber der ist auch Kummer gewohnt: Seine populärwissenschaftichen Darstellungen werden regelmäßig in absurder Weise missbraucht, mal als Gottesbeweis, mal als Argument für die nutzlose und in hohen Dosen gefährliche Einnahme von kolloidalem Silber, mal von Vertretern der (angeblich) alt-hawaiianischen Huna-Lehre oder von Schamanen, und ein anderes Mal wird eins seiner Bücher von einer Geistheilerschule empfohlen. Vielleich ist der Kummer auch nicht ganz so groß, wenn er dadurch ein paar Bücher mehr verkauft…

In bester Quantenquark-Manier beruft sich Sungenis mit seiner Erde als Mittelpunkt des Universums ausgerechnet auf die Relativitätstheorie. Nach der Relativitätstheorie könne man ja jeden beliebigen Punkt im Universum als stillstehend ansehen und alle anderen relativ zu diesem betrachten. Das ist tatsächlich schon wesentlich älter als die Relativitätstheorie, nämlich eine Konsequenz des Relativitätsprinzips, das noch auf Galileo zurückgeht: Für jeden gleichförmig bewegten (also nicht beschleunigten) Beobachter gilt die gleiche Physik. Jeder rechnet in seinem eigenen Bezugssystem, es kommt aber am Ende immer das gleiche heraus. Nach der allgemeinen Relatitivitätstheorie gilt das sogar für Punkte auf der Erde, die sich ja nicht gleichförmig bewegen, weil die Erde um ihre eigene Achse und um die Sonne kreist (wenn man Herrn Sungenis nicht glaubt). Sungenis folgert daraus offenbar, seine Vorstellung von der Erde als Mitte des Universums sei dadurch bestätigt – schließlich könne nach der allgemeinen Relativitätstheorie jeder Punkt der Mittelpunkt des Universums sein, also auch die Erde. Tatsächlich ergibt sich aus der allgemeinen Relativitätstheorie aber nicht, dass man sich einen Mittelpunkt aussuchen kann, sondern dass alle Punkte gleichberechtigt sind, es also keinen Mittelpunkt geben kann.

Kate Mulgrew kann einem tatsächlich leid tun für den Job, den sie da angenommen hat. Nun muss man aber sagen, Kate Mulgrew ist eben nicht Captain Janeway, sondern eine relativ beliebige Filmschauspielerin. Wenn sie sich in den letzten Jahren überhaupt öffentlich über Dinge des wirklichen Lebens geäußert hat, dann ging es meistens um Alzheimer oder um ihr öffentliches Engagement bei den amerikanischen Abtreibungsgegnern.

Ein wenig anders ist das bei ihrem Kapitänskollegen von der zweiten Enterprise, Patrick Stewart alias Jean-Luc Picard. Stewart ist nicht nur Ritter des British Empire, ehemaliger Oxford-Professor und Vorgänger von Prince Andrew als Kanzler der Universität Huddersfield. Er ist definitiv eine Person des öffentlichen Lebens, dessen Äußerungen zum Leben, dem Universum und überhaupt von vielen Menschen sehr ernst genommen werden. Es wird berichtet, wenn er über Donald Trump twittert, ein Video über das britische Verhältnis zur europäischen Menschenrechtskonvention verbreitet, sich über Konflikte zwischen Schwulenrechten und Meinungsfreiheit äußert oder wenn er einfach nur meint, Politiker sollten mehr Star Trek sehen (seine Begründung dafür ist übrigens genau der Grund, warum ich Next Generation immer eher langweilig fand).

Um so interessanter ist, dass es offenbar kaum jemanden beschäftigt, dass ihm in diesem Jahr der gleiche Blödsinn passiert ist wie zwei Jahre vorher Kate Mulgrew: Er hat seine Stimme als Sprecher für einen pseudowissenschaftlichen Dokumentarfilm verkauft. Anders als damals für The Principle wird für The Connected Universe sogar ausdrücklich mit der Beteiligung von Patrick Stewart geworben. Der Regisseur beruft sich auch noch auf Stewarts angeblich so große Erfahrung mit den Fragen, um die es in dem Film geht.

Der Film glorifiziert die angeblich bahnbrechenden Erkenntnisse des fragwürdigen Physikers Nassim Haramein. Das ist genau der Nassim Haramein, von dem ich schon im Oktober hier geschrieben hatte, er sei mal einen eigenen Artikel wert. Haramein sollte nämlich eigentlich am 22. Oktober in Gießen beim „WiR-Kongress“ auftreten, und zwar in höchst illustrer Gesellschaft: Zu den anderen angekündigten Rednern gehörten  Jo Conrad, der auch schon mal alle Reichsbürger Deutschlands zu einer gemeinsamen Konferenz eingeladen hat, der oberste Souverän des Königreichs Deutschland Peter Fitzek (der ohnehin nicht hätte kommen können, weil er immer noch wegen verschwundener 1,3 Millionen im Knast sitzt) und Franz Hörmann, der als Professor an der WU Wien wegen „fragwürdiger Äußerungen zum Holocaust“ suspendiert war. Hörmann könnte auch Fitzeks Problem lösen, denn er erklärt in einem ganz ernsten Interview, wenn wir das Geld nicht abschaffen, werden wir von Außerirdischen auf einen anderen Planeten versetzt. Er hatte sich bestimmt schon auf einen anderen Sprecher gefreut, Rick Simpson, der meint, Hanf heile so ziemlich alles… Die Website mit der Rednerliste der Konferenz ist leider nicht archiviert, aber ich habe da noch einen Screenshot vom 12.8.2016:

wir-kongress

Die Veranstaltung wurde von der Kongresshalle Gießen abgesagt, nachdem wir mit den Aktionstagen gegen geistige Brandstiftung angefangen hatten, öffentlich darüber zu informieren. Haramein musste sich dann mit einem wesentlich kleineren Rahmen beim „4. Kongress für Grenzwissenschaften“ in einer Saarbrücker Turnhalle bescheiden. Eine Woche vorher hatte Haramein auch noch in Sarajevo einen gemeinsamen Auftritt mit dem Unsinns-Archäologen Semir Osmanagic, der behauptet, ein bosnischer Berg sei in Wirklichkeit eine steinzeitliche Pyramide mit heilenden Kräften.

Dass jemand zusammen mit Pseudowissenschaftlern, Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern und Alien-Gläubigen auftritt, heißt natürlich noch nicht automatisch, dass seine eigenen Vorstellungen von Physik falsch sind. Naja, glaubwürdiger wird er dadurch natürlich auch nicht… Es lohnt sich also schon ein kritischer Blick auf die Physik, die Haramein und sein Film so verbreiten.

Kernthema des Films ist mal wieder die altbekannte Floskel, nach der modernen Physik sei „alles mit allem verbunden“. Das wäre es ja eigentlich viel eher nach der klassischen Physik, nach der man ja im Prinzip alles vorausberechnen könnte, wenn man nur genug Informationen hätte. Die Quantenmechanik mit ihren Zufallsanteilen bei jeder Messung macht hingegen genau das unmöglich. Die typische Argumentation, warum nach der Quantenmechanik alles mit allem zusammenhinge, beruft sich normalerweise auf die Verschränkung, zu der ich hier und hier schon etwas mehr geschrieben habe. Über die Verschränkung können einzelne Teilchen oder kleine, ultrakalte Teilchensysteme einen gemeinsamen Zustand bilden, solange sie vollständig von der Außenwelt abgeschlossen sind. Da alles irgendwann mit der Außenwelt in Kontakt tritt, bevor es uns in irgendeiner Weise betrifft, und die Verschränkungen damit verschwinden, ergibt sich daraus eben gerade nicht, dass alles mit allem zusammenhinge.

Haramein lässt sich zusätzlich zur Verschränkung allerdings noch etwas besonderes einfallen: Bei Haramein sind die Protonen in allen Atomkernen durch sogenannte Wurmlöcher verbunden, wodurch ein globales Bewusstsein entsteht, das er als spacememory bezeichnet. Wurmlöcher sind rechnerisch denkbare Lösungen in der allgemeinen Relativitätstheorie, nach denen zwei entfernte Punkte in Raum und Zeit sozusagen durch eine Abkürzung in einer höheren Dimension miteinander verbunden sein könnten. Wurmlöcher sind ein beliebtes Thema in der Science Fiction – nur dummerweise gibt es keinerlei experimentelle Hinweise darauf, dass so etwas tatsächlich existieren könnte. Ausschließen kann man es auch nicht, aber zumindest größere Wurmlöcher müssten ziemlich selten sein, um nirgends im sichtbaren Universum beobachtbare Effekte zu erzeugen.

Diese Ideen hat Haramein sogar in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht – allerdings nicht etwa in einer Zeitschrift über Physik, sondern in Neuroquantology, einer eher grenzwissenschafltichen Zeitschrift, die sich mit Quanteneffekten in der Neurowissenschaft beschäftigt. Es gibt dort einen sogenannten Peer Review (die Artikel werden also von Fachleuten begutachtet), aber zumindest die Mitglieder des Advisory Boards (zu denen kaum Physiker gehören) sind selbst alle in hochgradig spekulativen Themen unterwegs, und die wenigsten dürften in der Lage sein, Harameins Abhandlungen über das Innenleben schwarzer Löcher zu folgen. Falls sich die Reviewer der Zeitschrift aus einem solchen Kreis rekrutieren, ist wenig ernsthafte Kritik an seiner physikalischen Argumentation zu erwarten. Der Herausgeber der Zeitschrift ist ein Assistenzprofessor für Medizin aus Izmir, und nach einer in Wikipedia zitierten Auswertung des wissenschaftlichen Zitiertwerdens (dem sogenannten Impact Factor) gehört die Zeitschrift zu den 5 Prozent der unbedeutendsten Fachblätter in der Neurowissenschaft.

Der Artikel selbst ist in seinen Kernaussagen bloße Spekulation und stellt eine Reihe von rein qualitativen Behauptungen auf, die dann als „Modell“ bezeichnet werden. Wie dieses „Modell“ experimentell getestet werden könnte, wird mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen zitiert der Artikel massenweise Ähnlichkeiten zu anderen Konzepten, die entweder reichlich fragwürdig sind, wie die Ideen von Stuart Hameroff zur Quantenkommunikation von Zellen oder völlig abwegig wie Rupert Sheldrakes angebliche Erkenntnisse zur Telepathie. Ähnlichkeiten sind überhaupt ein zentraler Punkt der Argumentation des Artikels. Dazwischen werden zwei Themen (Harameins Vorstellungen zum Aufbau von Protonen und vermutete Quanteneffekte in Skelettstrukturen lebender Zellen) in großer fachlicher Tiefe beschrieben. Darüber verliert man beim Lesen leicht den Überblick, dass diese beiden Passagen logisch in keiner Weise begründen, dass das, was vorher mit den Worten „es könnte sein, dass“ eingeführt wurde, hinterher wie eine gesicherte Erkenntnis behandelt wird.

Im Kern von Harameins Argumentation steht seine Vorstellung, die er schon vorher publiziert hat, Protonen seien in Wirklichkeit schwarze Löcher.  Damit erklärt er die starke Kernkraft, die Atomkerne und ihre Bestandteile wie Protonen zusammenhält, als einen Effekt der Schwerkraft, was eigentlich eine charmante Idee ist. Harameins Problem ist, ein Proton müsste dazu ca. 100.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 schwerer sein als es tatsächlich ist. Außerdem basiert sein gesamtes Modell fast ausschließlich auf der allgemeinen Relativitätstheorie, ignoriert aber ganz grundlegende Erkenntnisse der Quantenmechanik. Seine Versuche, sich aus diesem Problem herauszuwinden, sind zur Hälfte unlogisch und zur anderen Hälfte trivial und ohne Bezug zur eigentlichen Frage. Veröffentlicht hat er das im Sammelband der Vorträge einer Konferenz der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft über Programmierung zur künstlichen Intelligenz. Was Harameins Protonenmodell mit dem Thema der Konferenz zu tun hat, ist mir ein Rätsel, aber die Teilnahme lieferte ihm natürlich eine wissenschaftliche Veröffentlichung in einem seriös erscheinenden Medium. Harameins nächste „wissenschaftliche“ Veröffentlichung erfolgte dann in einer in Indien basierten Zeitschrift, bei der die Autoren für die Veröffentlichung bezahlen. Leider finden sich nur wenige kompetente Physiker, die sich die Mühe machen, Harameins Arbeiten detailliert auseinanderzunehmen.

In gewisser Weise ist Haramein ein gutes Beispiel dafür, warum Wissenschaftler eine solide Ausbildung brauchen und, gerade in der Physik, normalerweise in Gruppen arbeiten und einen intensiven Austausch mit kritischen Fachkollegen pflegen. Haramein hat offenbar die Voraussetzungen für einen ordentlichen theoretischen Physiker. Er kennt (und versteht anscheinend auch) wichtige Theorien, hat originelle Ideen für neue Modellierungen, setzt diese mathematisch um und schreibt Artikel, die den formalen Kriterien entsprechen. Dazwischen finden sich aber immer wieder absurde Gedankensprünge, Argumentationen, die sich im Kreis drehen, das völlige Ignorieren experimentell belegter Erkenntnisse, Rückgriffe auf uralte, längst nicht mehr haltbare Ansätze und das Zitieren von extremen Außenseiterideen, deren Wissenschaftlichkeit fragwürdig ist. Genau diese Probleme würden bei einem „normal“ arbeitenden Wissenschaftler schon im informellen Austausch innerhalb des eigenen Instituts von Kollegen angesprochen und könnten beseitigt werden. Spätestens in der kritischen Diskussion mit Fachkollegen auf speziellen Konferenzen zum eigenen Spezialgebiet oder im Reviewverfahren einer etablierten Fachzeitschrift zu diesem Spezialgebiet würde jemand den Finger in die Wunde legen.

Harameins Arbeit ist letztlich ein Ergebnis von zwei Generationen wissenschaftlichen Einzelgängertums. Eine Doktorarbeit hat Haramein offenbar nie verfasst, und aus seiner „vollständigen Biographie“ ist nicht zu erkennen, ob er ein Studium abgeschlossen hat. Stattdessen veröffentlichte er vor etwa 15 Jahren seine ersten Arbeiten gemeinsam mit Elizabeth Rauscher, die selbst zwar an renommierten Instituten begonnen hat, aber schon seit ihrer Promotion 1978 überwiegend an ihrem eigenen Tecnic Research Laboratory gearbeitet und sich dort mit allerlei umstrittenen Themen beschäftigt hat. Nach der Zeit mit Rauscher hatte Haramein sein eigenes Hawaii Institute of Unified Physics, das den Veröffentlichungen nach die meiste Zeit aus ihm allein bestanden hat. Der daraus resultierende Quantenquark ist sehr bedauerlich, denn mit einer soliden Ausbildung und der Einbindung in die Strukturen echter wissenschaftlicher Arbeit hätte aus Haramein durchaus etwas werden können.

Die Versuche, die ganze Physik aus der Weiterentwicklung der allgemeinen Relativitätstheorie zu erklären bis hin zu Details der Vorgehensweise, das Einzelgängertum und die Veröffentlichungen gerade da, wo sie nicht verstanden werden, erinnern deutlich an einen anderen Helden der Esoterikszene: den deutschen Nachkriegsphysiker Burkhard Heim. Mit Heims tragischem Leben und seiner fragwürdigen wissenschaftlichen Hinterlassenschaft werde ich mich ausführlich in einem Vortrag auf der SkepKon vom 29. April bis 1. Mai 2017 in Berlin beschäftigen.

Das alles muss ein Schauspieler vor einer wahrscheinlich nur mäßig bezahlten Sprecherrolle natürlich nicht unbedingt recherchieren, aber von Captain Picard hätte man irgendwie erwartet, dass er sich wenigstens über das informiert, was per Google in fünf Minuten zu finden gewesen wäre. Der ehemalige Kanzler einer Universität hätte vielleicht sogar zehn Minuten investieren dürfen.

Da bleibt mir persönlich als Trost nur, dass für mich ja ohnehin nie etwas über die erste Enterprise-Serie ging. Leonard Nimoy (Commander Spock) war mir vielleicht ein bisschen zu religiös, aber immerhin auf progressive ArtNichelle Nichols (Lieutenant Uhura) hat sich viele Jahre dafür engagiert, Frauen und Angehörige von Minderheiten für die Arbeit in der Weltraumforschung zu gewinnen und steht nach einem Schlaganfall mit 83 Jahren wieder vor der Kamera. George Takei (Lieutenant Sulu) ist bis heute in den sozialen Netzwerken ein engagierter Streiter für die Wissenschaft. Und William Shatner (Captain Kirk)… ist eben William Shatner.

Kein Esoterikkongress in Gießen – dafür drei sehenswerte skeptische Veranstaltungen

Wenn in diesem Blog in den vergangenen Wochen relativ wenig Neues aufgetaucht ist, dann  liegt das zu einem gewissen Teil an einer Indienreise, zum Teil an einem Buchprojekt und zum Teil an der Tatsache, dass man ja irgendwann auch noch Geld verdienen muss. Es liegt aber auch zu einem nicht unerheblichen Teil an einem tollen Projekt, das ein kleiner Kreis von Ehrenamtlichen seit Juli in Gießen auf die Beine gestellt hat: Den Aktionstagen gegen geistige Brandstiftung.

Im Laufe des Sommers wurde bekannt, dass ein Zusammenschluss von Esoterikern, Verschwörungstheoretikern und rechten Reichsbürgern einen Kongress in Gießen angekündigt hatte. Die Referentenliste war beeindruckend erschreckend: Zu den bekanntesten Angekündigten gehörten wohl Motivationsguru Robert Betz, Reichsbürger Jo Conrad, „die Ursache deiner Krankheit liegt in dir selbst“-Dahlke, und Franz Hörmann, ein Wirtschaftsprofessor, der empfiehlt, seine Kredite einfach nicht zurückzuzahlen und meint, dass Gaskammern nichts mit Gaskammern zu tun gehabt hätten. Quantenquark war auch reichlich im Angebot: Michael König bietet eine Ausbildung zum Quantenpraktiker an (und meint damit nicht Fußpflege), Konstantin Meyl will die Relativitätstheorie widerlegt haben, nimmt dafür aber die Existenz sogenannter elektromagnetischer Skalarwellen an, die nie jemand finden konnte, und Nassim Haramein wäre eigentlich einen ganzen eigenen Artikel wert. Tatsächlich gerne mal live hören würde ich Simon Parkes, dessen Gruppenmeditation im September 2015 dem Teilchenbeschleuniger am CERN nicht genügend Energie zuführen konnte, um das Raumtor zu öffnen, so dass dann einige außerirdische Reptilienwesen auf der Erde festsaßen – das schreibt er zumindest auf seiner Homepage. Später wurde dann auch noch der gerade Haft sitzende oberste Souverän des Reichsbürger-Königreichs Deutschland angekündigt.

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Mit ein paar Leuten, die schon beim Protest gegen den Quer-Denken-Kongress 2015 in Friedberg dabei waren, ist es gelungen, ein Gegenprogramm zu planen und gleichzeitig die Stadtpolitik über den anstehenden Kongress und die Problematik damit aufzuklären. Irgendwie schaffen es rechtsesoterische Veranstalter  immer wieder, für ihre Unsinn öffentliche, aus Steuergeldern finanzierte Stadthallen anzumieten. In Friedberg und Neu-Isenburg dürfte die Verwaltung nach den dortigen Quer-Denken-Kongressen wachsamer sein, also hatte man dieses Mal in Gießen die Kongresshalle gemietet. Tatsächlich haben wir es aber auch in Gießen wieder geschafft, ein breites, parteiübergreifendes Bündnis von Junger Union bis Linksjugend und vom Humanistischen Verband bis zum Rat der Religionen für einen Protest gegen den Kongress zusammenzubekommen.

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Erfreulicherweise hat es dann aber die städtische GmbH durchgesetzt, nach einem Wechsel des offiziellen Veranstalters ihre peinlichen Mieter wieder loszuwerden, so dass der Kongress in Gießen nicht mehr stattfinden kann. Es gibt aber andernorts trotzdem noch genug von der Sorte. Im November steigt wieder ein Quer-Denken-Kongress, diesmal in Köln, mit einem großen Teil der Redner, auf die Gießen nun glücklicherweise verzichten durfte. Vom Rest der Redner konnte man die meisten (nur Simon Parkes nicht, der würde mich wirklich interessieren…) schon Anfang Oktober beim Kongress des Kopp-Verlags in Stuttgart sehen.

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Was aber (unter anderem auch wegen der vielen ähnlich gelagerten Kongresse) trotzdem in Gießen stattfinden wird, sind drei wunderbare Aufklärungsveranstaltungen, die eigentlich gegen den Kongress protestieren und über diesen aufklären sollten. Die Veranstaltungen werden vom ganzen Bündnis unterstützt – veranstaltet werden sie von der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Justus-Liebig Universität und dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) Hessen. Also kein Esoterikkongress in Gießen, dafür drei richtig gute skeptische Veranstaltungen. Da kann man nur sagen, der Anspruch als Wissenschaftsstadt wird voll erfüllt.

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Schon am Donnerstag, 13.10.2016 um 20 Uhr läuft im kommunalen Kino im Jokus, Ostanlage 25 in Gießen der Dokumentarfilm Die Mondverschwörung. Wer sich beim Lesen dieses Artikels gefragt hat, was Esoterik eigentlich mit rechtsextremem Gedankengut zu tun hat, ist bei diesem Film genau richtig. Hier ist der Trailer, aber am 13.10. haben wir noch viel mehr zu bieten. Im Anschluss an den Film steht der Regisseur Thomas Frickel für eine ausgiebige Diskussion zur Verfügung, und die ist mit ihm erfahrungsgemäß ähnlich unterhaltsam wie der Film, nur eben mit der Möglichkeit, nachzufragen.

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Für Montag, den 17.10.2016 um 20 Uhr im Margarete-Bieber-Saal der Universität, Ludwigstraße 34, konnten wir einen juristischen Experten und engagierten Blogger über die Reichsbürgerszene gewinnen: Oliver Gottwald schreibt den Eisenfrass-Blog und macht Fortbildungen für hessische Justizbeamte zum Thema. Passend zu den Reichsbürger-Rednern, die Gießen erspart geblieben sind, spricht er über Peter Fitzek, das Königreich Deutschland und die Reichsbürger. Wer noch keine Ahnung hat, wer Peter Fitzek ist; das auf dem Screenshot unten ist nicht etwa der Prinz Karneval, sondern der oberste Souverän persönlich, und beim Draufklicken kommt man auf eine längere Doku des MDR, vielleicht zum Vorgruseln vor Olivers Vortrag. Infos zum Nachlesen finden sich auch bei unseren Unterstützern vom Sonnenstaatland.

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Unsere Hauptveranstaltung wird dann der große Infoabend am 20.10. um 19.30 im großen zoologischen Hörsaal der Universität, Stephanstraße 24. Unter dem Titel „Schwurbler, Nazis, Scharlatane?“ werfen wir einen unterhaltsamen Rundumblick auf das Gedankengut, das auf rechtsesoterischen Kongressen und Internetseiten so verbreitet wird. Ich stelle Kongresse dieser Art und ein paar der eher realsatirischen Referenten (hatte ich schon erwähnt, dass ich Simon Parkes auf eine gruselig-bizarre Art interessant finde?) kurz vor. Später am Abend werde ich dann auch noch eine Quantenheilung zelebrieren und damit hoffentlich ganz viele Zuhörer heilen – also, vom Glauben an Quantenheilung wenigstens. Die beiden großen Jungs vom Heißluftdampfer machen eine Live-Podcastaufzeichnung über Reichsbürger, bei der auch Experte Oliver Gottwald wieder mit an Bord sein wird. Der Physiker und skeptische Blogger (Nullius in Verba) Sebastian Schmalz, mit dem ich letztes Jahr in Friedberg viel Spaß als Vortragsduo hatte, knöpft sich populäre Mainstreamesoteriker wir Robert Betz und Rüdiger Dahlke vor und erklärt, warum deren Vorstellungen eben nicht sanft und harmlos sind. Der Ingenieur Dr. Norbert Aust, der auch gerne über Homöopathie schreibt, spricht über die angeblich unbegrenzt verfügbare Freie Energie, deren Aushängeschild Klaus Volkamer Gießen auch erspart geblieben ist. Der Gießener Satiriker und Autor Jörg Schneider liest: „So werde ich Nazi – Welcher Extremismus passt zu mir?“. Durch den Abend führt der Musiker und Kolumnist Frank Mignon.

Vielen Dank an alle Beteiligten, die mitgeholfen haben, das Programm auf die Beine zu stellen. Es hat schon im Vorlauf und bei unseren Treffen mit den vielen Leuten aus den ganz unterschiedlichen Parteien und Organisationen einen Riesenspaß gemacht.

Danke auch an Alexander von Alistration, der uns vier von seinen großartigen Comics für unsere Aktionstage zur Verfügung gestellt hat. Hier ist nochmal einer von seiner eigenen Seite:

Quanten sind Wesenheiten mit einem Bewusstsein. Das meint der ernst.

Immer, wenn man meint, es geht nicht mehr schlimmer, treibt jemand den Quantenquark in neue Höhen.

Meinen aktuellen Favoriten hat ein aufmerksamer Leser auf dieser Seite hier gefunden:

winsindeins

Die Seite selbst verbreitet in ihren anderen Artikeln alles Mögliche von buddhistischer Meditation und „Hochsensitivität“ bis hin zu Werbung für den Bruno-Gröning-Freundeskreis (samt Link zum Kopp-Verlag) und Reichsbürgerpropaganda. Der eingebundene Film passt da bestens ins Bild – er stammt nämlich aus Quer-Denken.tv, und das Interview führt Quer-Denken-Macher Michael Vogt, der sich in der Reichsbürgerszene ganz offensichtlich auch pudelwohl fühlt. Mit Quer-Denken.tv und ähnlichen rechtsesoterischen Videoprojekten werde ich mich am 26.1. bei Skeptics in the Pub in Köln unter dem Titel „Heiler, Heil, Geschäftemacher – rechte Esoterik im Internet-TV“ ausführlicher beschäftigen, und wer mehr über Reichsbürger wissen möchte, dem sei der Eisenfraß-Blog empfohlen.

Hier soll es ja um Quantenquark gehen, und in dem verlinkten Video gibt es reichlich davon.

Herr Vogts Interviewpartner Walter Thurner kommt nach eigener Angabe aus der Freie-Energie-Szene, er glaubt also, dass man Energie aus nichts erzeugen kann, und das begründet er… mit was wohl… natürlich mit Quanten. Im hinteren Teil des einstündigen Videos demonstriert er immerhin ziemlich eindrucksvoll, wie er aus seinen seltsamen Quantentheorien Geld erzeugen kann. Da preist er nämlich seine Therapien und Geräte an, was wohl der Hauptzweck des ganzen Interviews sein dürfte.

Davor kommen aber ein paar echte Höhepunkte des Quantenquarks. Den Anfang macht gleich Michael Vogt, der in seiner Anmoderation erst mal voraussetzt, dass Quanten und Bewusstsein dasselbe sind. Das kann Herr Thurner aber locker überbieten, indem er den fälschlich so bezeichneten Beobachtereffekt der Quantenmechanik benutzt, um kleinsten Teilchen Intelligenz zuzuschreiben: „Die Quanten sind sehr extreme Wesenheiten, wenn die wissen, bei einem Versuch, ob ich hinschau oder wegschau, die haben keine Augen, die wissen aber, dass ich hinschau und bringen andere Ergebnisse als wenn ich wegschau.“ So ist für Herrn Thurner klar: „Das müssen Wesenheiten sein; die müssen ein Bewusstsein haben.“ Wohlgemerkt, wir sprechen hier von Elementarteilchen. Immerhin, das Bewusstsein würde erklären, warum Frauen mit den Quanten sprechen können.

Nur mal zur Klarstellung: Der angebliche Beobachtereffekt kommt daher, dass man zum Beobachten kleinster Teilchen große Messgeräte braucht, deren Wechselwirkung mit den Teilchen das Gesamtsystem verändert. Ob auf das Messgerät tatsächlich ein Beobachter draufschaut oder ob die Messergebnisse niemals von irgendwem gesehen und auch nicht gespeichert werden, ist für diesen Effekt völlig egal, weswegen ich den Begriff „Messungseffekt“ vorziehen würde. Fachlich korrekt spricht man in der heutigen Physik von „Dekohärenz“.

Das hält aber Herrn Thurner nicht auf. Als nächstes nimmt er sich den Welle-Teilchen-Dualismus vor, den er genausowenig verstanden hat: „Was wir in der Quantenwelt entdecken, dass es […] Welle und Teilchen gleichzeitig ist, das wirkt sich ja in unserer Welt auch aus. Damit ist ja gesagt, unsere Welt gibt’s nicht. Das ist ja nur eine Illusion.“

Dieser Schluss ist natürlich sehr praktisch, wie er im Weiteren erläutert. Dass ein Schwerstkranker sich selbst als Besitzer einer defekten Niere erlebt, sei ja nur eine Information. Wenn man diese Information in der Quantenwelt ändert, könne er sich dann einfach wieder mit einer gesunden Niere erleben. Dazu braucht man dann nur noch die Geräte, die Herr Thurner verkauft.

Mit diesen Geräten erspart man sich auch noch die Einnahme möglicherweise unangenehm schmeckender Medikamente: „Ob ich jetzt den Kamillentee trink und die Substanzen im Magen hab, die ich dann verdaue, aber neben den Substanzen trägt die Kamille ja auch eine Information. Und nicht die Substanzen kommen zur Wirkung, sondern die Information. Und wenn ich die Information auf andere Art den Zellen zuführe, dann ist es auch gut, und das machen wir eben über die Quanten.“

Die Technologie, mit der Herr Thurner zu diesen Erkenntnissen gelangt ist, ist, wie er selbst erklärt, der Tensor. Bedauerlicherweise spricht er dabei nicht von der Tensorrechnung, die in der Quantenmechanik wie in vielen anderen Bereichen der Physik tatsächlich eine große Bedeutung hat. Was Thurner und diverse Esoteriker als Tensor bezeichnen (andere benutzen auch den Begriff Einhandrute), ist einfach ein Handgriff, an dem über eine lange, federnde Verbindung ein Gewicht befestigt ist. Das Ganze hat große Ähnlichkeit mit einem Katzenspielzeug aus dem Heimtierbedarf und dient letztlich dem gleichen Zweck wie ein Pendel oder eine Wünschelrute: Es schaukelt winzige, unwillkürliche Bewegungen der Hand auf und macht sie dadurch sichtbar, wozu man sich dann allerlei Unsinn zusammenschwurbeln kann, nicht zuletzt auch, dass man damit Zugang zur Quantenwelt erhält.

Bleibt die Frage, wie kommt man auf solches Zeug? Eine mögliche Erklärung dafür findet sich schon ziemlich am Anfang des Interviews: „Man muss ja eigentlich bei dieser Technologie, beim Tensorn, den Verstand ausschalten.“ Vielleicht sollte Herr Thurner einfach nicht so viel tensorn.