Schon im Juni hatte ich mich etwas ausführlicher mit der Shiva-Statue auf dem Gelände des Teilchenforschungszentrums CERN in Genf beschäftigt und die gar nicht esoterischen aber um so interessanteren Hintergründe beleuchtet, wie so ein Objekt in eine wissenschaftliche Einrichtung kommt. Dabei kamen auch so einige der zum Teil völlig absurden Verschwörungstheorien zur Sprache, die sich um diese Statue und um die Arbeit des CERN insgesamt ranken. Man hätte meinen können, verrückter als diese bizarren Weltuntergangsphantasien kann die Beschäftigung mit einem solchen Forschungszentrum ja nicht mehr werden. Das hat sich in den vergangenen Monaten als ziemlicher Irrtum herausgestellt.
Wenige Wochen nach dem Artikel kursierte in Verschwörungtheoretiker-Kreisen die Meldung, der Physiker und Whistleblower Dr. Edward Mantill hätte sich am 13. Juli in seinem Büro im CERN erschossen. Interessanterweise wurde schon an diesem 13. Juli ein fertig produziertes Video über den angeblichen Vorfall auf Youtube hochgeladen, bezeichnenderweise von einem Nutzer namens „Paranoid Times“:
Dr. Edward Mantill wird schon seit dem vergangenen Jahr, wenn überhaupt eine Quelle angegeben wird, als der Urheber der Behauptung zitiert, das CERN hätte das Ziel, ein Portal in andere Dimensionen zu öffnen und würde so irgendwelche dunklen Mächte in die Welt holen. Durch dieses Portal sollen auch schon allerlei merkwürdige Kreaturen auf die Erde gekommen sein:
Bei dem abgebildeten Wesen handelt es sich übrigens vermutlich einfach um einen im sibirischen Winter mumifizierten Vielfraß.
Mantill wird als Physiker und CERN-Mitarbeiter zitiert, an anderer Stelle ist ausdrücklich von einem „renowned physicist“ die Rede. Mantill scheint auch recht vielseitig gewesen zu sein: Laut dem Video forschte er an Neutrinos, nach anderen Quellen (wie hier bei „Christ Michael“) beschäftigte er sich mit Wechselwirkungen von Quarks. Viel unterschiedlicher können Arbeitsgebiete innerhalb der Teilchenphysik kaum sein. Das kommt vor, gerade bei Professoren, die über mehrere Jahrzehnte Arbeiten vieler Studenten betreut haben, ist aber eher ungewöhnlich für die Forscher, die die tatsächliche Arbeit machen. Ein Blick auf Mantills Veröffentlichungsliste könnte da natürlich Aufschluss geben, nur dummerweise findet sich in den einschlägigen Suchportalen keine einzige wissenschaftliche Arbeit dieses „renommierten Physikers“. Ohne eine einzige wissenschaftliche Veröffentlichung stellt sich natürlich die Frage, wo hat er eigentlich den Doktortitel her? Die Antwort ist relativ einfach und wurde schon im April vom „Angry Ufologist“ recht ausführlich nachrecherchiert: Es gibt und gab keinen Dr. Edward Mantill, weder am CERN noch sonstwo in der Physik.
Woher stammt aber dann die Geschichte von Mantill und seinem Wissen über die Portale zu dunklen Mächten, die seit 2015 auf allen möglichen Verschwörungsseiten wiedergekäut wird? Die älteste Quelle, die ich gefunden habe (22.1.2015), ist auf dem Internetportal Reddit ein längerer Text mit dem Titel: „I’m a Physicist at CERN. We’ve done something we shouldn’t have“. Innerhalb von Reddit findet man diesen Text auf der Unterseite „Reddit No Sleep“, die laut Beschreibung dazu dient, dass Autoren dort ihre Gruselgeschichten posten können.
Als Gruselgeschichte ist das Mantill-Thema, naja, durchwachsen. Die Idee mit dem CERN ist recht kreativ, und mit dem Ich-Erzähler ist die Geschichte einigermaßen stimmungsvoll aufgebaut. Sie krankt leider daran, dass der Autor so gar keine Ahnung von Physik oder vom CERN hat. Unter anderem berichtet der angebliche Physiker Mantill von einem normalen Tag am CERN, an dem im LHC planmäßig zwei Kollisionen im Abstand von neuneinhalb Stunden stattgefunden hätten. Es wäre auch für einen Laien leicht nachzurecherchieren gewesen, dass im LHC je nach Strahlfokussierung und danach, was man als Kollision mitzählt, einige hundert Millionen Kollisionen pro Sekunde stattfinden. Eine lustige Idee ist immerhin der Name von Mantills Kollegin in der Geschichte, Celine D’Accord. Frau Einverstanden hätte ich am CERN auch gerne kennengelernt.
Die Mantill-Geschichte ist übrigens nicht der erste Fall, dass Verschwörungstheoretiker über die angeblichen dunklen Machenschaften des CERN erfundene Geschichten als Quellen zitieren. Schon seit 2009 wird immer wieder eine Glosse des Technologiemagazins The Register zitiert, die sich eigentlich über die Ängste vor dem Weltuntergang durch das CERN lustig macht. Der Text schwadroniert genüsslich über „hyperdimensionale Monstermänner“ und „parallele Globo-Nazis“ und betont auch noch wörtlich, das sei natürlich alles Unsinn. So genau scheint den Artikel aber nicht jeder gelesen zu haben, der ihn ausdrücklich zitiert. Dort scheint sich auch der Erfinder von Edward Mantill bedient zu haben, denn der Register-Artikel ist die ursprüngliche Quelle eines Zitats des damaligen CERN-Forschungsdirektors Sergio Bertolucci. In Bertoluccis Zitat taucht erstmals die Formulierung auf, der LHC könne möglicherweise eine Tür in andere Dimensionen öffnen, womit Bertolucci offensichtlich das Auftauchen neuer Teilchen oder einer unerwarteten Teilchenwechselwirkung meinte. Bertoluccis Zitat, entstanden im Überschwang der LHC-Eröffnung war auch der Ausgangspunkt der ganzen The Register-Glosse.
Mantill ist auch nicht der einzige frei erfundene CERN-Physiker, mit dem wissenschaftsfeindliche Propaganda gemacht wird. So berichteten im Frühjahr 2016 diverse Onlinemedien über die Bekehrung von Professor Gunther Scheizle zum fundamentalistischen Christentum. Bei Scheizle soll es sich um einen Deutschen handeln, der am CERN forscht und eine Professur an der ETH in Zürich hat. Auch Prof. Gunther Scheizle scheint nie irgendetwas zu publizieren, und die ETH oder das CERN wissen auch nichts von ihm. Quelle soll eine christliche Zeitung „Gemeinschaft des Herrn“ aus München sein, die offenbar keine Webseite hat und außer der Scheizle-Bekehrung auch sonst nie im Internet erwähnt wird.
Interessant ist auch das Photo des angeblich bekehrten Professors:
Erinnert doch irgendwie ziemlich an ein altes Pressebild des ehemaligen CERN-Generaldirektors Rolf-Dieter Heuer:
Wie geht man als Wissenschaftler oder auch nur halbwegs wissenschaftlich kompetenter Mensch mit so viel Unsinn um? Eigentlich kann man darüber nur lachen. Leute in einer Diskussion überzeugen zu wollen, die einen für einen Verbündeten des Satans halten, ist ohnehin sinnlos. Wenn man zu einer Gruppe gehört, für die ein gewisses Grundverständnis der Naturwissenschaft mehr oder weniger selbstverständlich ist, ist die Versuchung groß, den Spinnern mit Satire zu begegnen. Das kann aber gewaltig nach hinten losgehen, vor allem wenn dabei ein Mangel an Lebenserfahrung mit einem offenkundigen Überschuss an Alkohol einhergeht, und auch das hatten wir diesen Sommer.
„Was soll das Menschenopfer-Ritual am CERN?“ titelte am 18. August der Verschwörungsblog „Alles Schall und Rauch“. Die amerikanische Freedom Fighter Times verkündete eine „Bombensensation am CERN“: Das Video eines satanischen Menschenopfer-Rituals vor der Shiva-Statue sei der Öffentlichkeit zugespielt worden. Das angesprochene Video gibt es tatsächlich, und es ist zwar für einen Kurzfilmpreis zu kitschig und klischeebeladen, aber es erreicht einen netten Gruseleffekt. Dazu benutzt es verwackelte Handybilder im „Blair-Witch“-Stil und eine theatralische Flucht des angeblichen Beobachters, bevor allzu aufwendige Spezialeffekte nötig geworden wären.
Die dunkel verhüllten Gestalten und das blonde Opfer sind ein bisschen abgedroschen, aber dafür finde ich die klobigen Turnschuhe des Oberpriesters wirklich mal etwas Neues…
Keine Satire ist aber so überzeichnet, dass Verschwörungstheoretiker nicht noch etwas daraufsetzen könnten: Wenige Tage nach dem Auftauchen des Videos wurde die Behauptung verbreitet, der Urheber des Videos sei tot aufgefunden worden. In die Welt gesetzt wurde sie offenbar von einem Youtube-Nutzer namens Richie from Boston, der sonst auch gerne die absurdesten Verschwörungstheorien über Hillary Clinton verbreitet. Richie hat das Video am 11.8. verbreitet, behauptet aber selbst nicht, den Urheber getroffen zu haben, sondern zitiert eine arabische Facebook-Quelle, die bis heute noch sehr lebendig postet. Die Behauptung, der Urheber des Videos sei tot, taucht vielmehr in einem Besucherkommentar zu einem Video von Richie auf
und ist möglicherweise einfach eine Verwechslung mit dem älteren Dr.-Mantill-Mythos. Dennoch wurde die absurde Geschichte unter anderem von der britischen Boulevardzeitung Daily Mirror aufgegriffen und wurde danach von Anderen so zitiert, dass Richie aus Boston den Tod der Quelle dem Mirror in einem Interview persönlich bestätigt habe.
Gedreht wurde das Video ganz offensichtich tatsächlich im CERN vor der Shiva-Statue. Der Platz befindet sich innerhalb des CERN-Hauptgeländes in Meyrin und ist für jeden Mitarbeiter, Gastwissenschaftler oder Mitarbeiter beauftragter Unternehmen Tag und Nacht frei zugänglich. Das sind insgesamt weit über 10.000 Menschen. Viel Betrieb ist dort nachts nicht, aber es wundert sich auch niemand, wenn sich dort jemand aufhält. Die Fenster im Hintergrund gehören zum Gebäude 39, einem Gästehaus für Wissenschaftler, die sich nur kurzfristig am CERN aufhalten. Mit insgesamt 490 Zimmern in seinen Gästehäusern gehört das CERN zu den größten Hotelbetreibern der Region, und ein guter Teil dieser Zimmer befindet sich auf dem Gelände in Meyrin. Aufgenommen wurde das Video, der Perspektive nach, aus dem ersten oder zweiten Stock des Gebäudes 40. In diesem Gebäude befinden sich Büros, die von den Experimenten am Großbeschleuniger LHC genutzt werden. Abgeschlossen sind solche Gebäude innerhalb des Geländes nachts in der Regel nicht, höchstens die einzelnen Büros; schließlich ist es nicht ungewöhnlich, dass dort auch zu ungewöhnlichen Zeiten jemand am Schreibtisch sitzt. Wer sich nur kurzfristig dort aufhält und im Gästehaus übernachtet, hat abends ohnehin meistens nichts besseres zu tun, und während der kostbaren Betriebszeit der Beschleuniger arbeitet in den Kontrollräumen der Experimentierhallen ohnehin immer jemand im Schichtbetrieb.
Als Urheber des schlechten Scherzes komen also grundsätzlich alle in Betracht, die Zugang zum Gelände haben. Festangestellte dürften aber für eine solche Schnapsidee kaum ihre Jobs riskieren – im Verhältnis zur spärlichen Bezahlung an Universitäten sind die steuerfreien Gehälter am CERN für viele Physiker ein Traum. Auch erwachsenere Gastwissenschaftler sollten sich der Tragweite eines solchen schlechten Witzes durchaus bewusst sein. Das gilt aber nicht unbedingt für die rund 300 Teilnehmer des Summer Student Programme, die sich zur fraglichen Zeit ebenfalls am CERN aufhielten und die dort die gleichen Freiheiten haben wie alle Anderen auch. Für viele der Summer Students hat der Aufenthalt am CERN eine gewisse Klassenfahrtatmosphäre, und nicht alle verbinden mit ihrer Teilnahme längerfristige berufliche Ziele. Das CERN bemüht sich natürlich, die Urheber der Aktion herauszufinden, aber solange sich nicht einer der Beteiligten outet, dürfte das schwierig sein. Die Summer Students sind längst abgereist, und für die CERN-Verwaltung arbeitet auch nicht gerade James Bond: Als ich einmal in unserer Experimentierhalle meine Scheckkarte verschlampt hatte (die man vor Arbeiten in Magneten besser aus der Tasche nimmt), wurde ich für die Verlustanzeige an die Werksfeuerwehr verwiesen, denn das CERN-Gelände ist ein exterritoriales Gebiet der UNESCO, und weder die Schweizer noch die französische Polizei fühlt sich zuständig. Die gleichen Feuerwehrmitarbeiter arbeiten nachts auch als Taxidienst, wenn die Pendelbusse zwischen den unterschiedlichen CERN-Standorten nicht mehr fahren…
Mehr als ein Ausschluss von zukünftiger Arbeit am CERN droht den Verantwortlichen ohnehin nicht – ein Video von einem schlechten Scherz zu drehen, ist ja keine Straftat.
Man kann natürlich fragen, wo eigentlich das Problem mit derlei missverständlicher Satire oder mit den veräppelten Verschwörungstheorien an sich liegt. Die Verschwörungstheoretiker selbst wird niemand bekehren, und interessierte Teile der Öffentlichkeit, die sich aktiv informieren, werden relativ schnell auf Klarstellungen stoßen, die weitaus plausibler sind als die Spinnereien selbsternannter amerikanischer Freiheitskämpfer. Das Problem liegt vielmehr bei Menschen, die sich gerade nicht für Grundlagenforschung interessieren, aber als Wähler und Steuerzahler natürlich dennoch betroffen sind. Eine falsch verstandene Anspielung oder ein gedankenlos platziertes „Umstritten“ in einem Zeitungsartikel können hier leicht den Eindruck erwecken, es gäbe mit dem CERN tatsächlich ein wie auch immer geartetes Problem. Das kann sehr relevant werden, wenn plötzlich in der Politik die CERN-Mitgliedschaft eines Landes ernsthaft in Frage gestellt wird, wie im Jahr 2009 in Österreich.
Ein Problem können solche Verschwörungstheorien aber vor allem für die Menschen sein, die am CERN arbeiten. Das muss nicht einmal so weit gehen wie 2008, als Nobelpreisträger Frank Wilczek wegen seiner öffentlichen Unterstützung für das CERN Morddrohungen bekam. Auch launige Bemerkungen abends in der Kneipe, wie viele Jungfrauen man denn im letzten Jahr geopfert hat, sind nur bei den ersten fünf Wiederholungen lustig. Ein viel größeres Problem wäre es, wenn Versuche der CERN-Verwaltung, schlechte Scherze wie das gezeigte Video künftig zu verhindern, zu Einschränkungen der Freiheit am CERN führten.
Ein Teil des Erfolgs des CERN liegt eben gerade in den Freiheiten, die die vielen Gastwissenschaftler dort genießen. Wenn man die Kontrollen an der Einfahrt passiert hat, wozu zu meiner Zeit eine Plakette an der Windschutzscheibe genügte, kann man sich innerhalb der CERN-Standorte völlig frei bewegen. Letztlich gibt es nur zwei Verwaltungsfelder, die einen in der praktischen Arbeit einschränken: Man muss aufpassen, dass man beim Transport CERN-fremder und mitunter teurer Geräte zu oder zwischen den CERN-Standorten nicht versehentlich mit dem französischen oder Schweizer Zoll in Konflikt gerät, und gelegentlich kontrolliert der Strahlenschutz, dass man sich oder seine Kollegen nicht fahrlässig zu hohen Strahlendosen aussetzt. Ansonsten gibt es natürlich Regeln, aber die beschränken sich (anders als ich das zum Beispiel in einem amerikanischen Nationallabor kennengelernt habe) auf Dinge, die einem auch der gesunde Menschenverstand sagt, und sie behindern in der Regel nicht die Arbeit.
Wenn man am CERN nachts um drei eine großartige Idee für eine Berechnung hat, hindert einen niemand daran, ins Büro zu gehen und sofort anzufangen. Das führt bei Manchen zu 70-Stunden-Wochen, aber wenn man ohnehin nach vier Wochen wieder ans heimische Institut fährt, findet man das möglicherweise gar nicht so schlimm. Wenn man sich von jemandem einen Rat erhofft, kann man die betreffende Person einfach fragen, egal ob sie für ein „konkurrierendes“ Experiment arbeitet oder Nobelpreisträger ist. Okay, letzteres tut man am Ende dann doch meist nicht – ein Nobelpreisträger ist eben auch am CERN… ein Nobelpreisträger – aber man könnte! Was zu regeln ist, wird in der Regel unbürokratisch innerhalb der Arbeitsgruppe oder des Experiments geregelt. In weiten Teilen arbeitet das CERN so informell wie ein Uni-Institut – nur eben wie eins mit über 10.000 Mitarbeitern… Das alles funktioniert nur, weil im Grundsatz erst einmal jeder jedem ein gewisses Vertrauen entgegenbringt.
Bemerkenswerte Möglichkeiten bietet das CERN auch für die Freizeitgestaltung. Die CERN-Homepage listet über 50 Clubs für Sport und Freizeitgestaltung auf – dazu existieren noch informelle Netzwerke für unterschiedliche Nationalitäten, die LGBT-Community sowie das Arbeiten und Leben am CERN mit Behinderungen. Hinzu kommen immer wieder offizielle und inoffizielle künstlerische Aktivitäten, wie ich sie schon im letzten Artikel angesprochen hatte. Das ist auch nötig: Wer mehr als ein paar Tage, aber nicht dauerhaft am CERN ist, möglicherweise auch noch als einziger Vertreter seiner Institution, ist dort in der Freizeit oft ziemlich isoliert. Die festangestellten oder dauerhaft abgeordneten Kollegen gehen abends nach Hause, und die einheimische Bevölkerung empfängt Fremde nicht unbedingt immer mit offenen Armen – vor allem, wenn sie auch noch relativ holprig oder gar nicht Französisch sprechen. Die Genfer Innenstadt ist rund zehn Kilometer entfernt, und die Busverbindung durch die Trabantenstadt Meyrin wird abends nicht attraktiver. Andere Freizeitmöglichkeiten sind ohne Auto kaum zu erreichen. Selbst für Berg- und Skifreunde hat der nahe französische Jura nur einen begrenzten Reiz, und beliebte Skigebiete wie Verbier oder Chamonix sind über zwei Fahrstunden entfernt. Nach zwei oder drei Wochen können auch ein relativ nettes Zimmer im Gästehaus und die bis spät geöffnete Cafeteria sehr traurige Orte werden, und manchmal kommt man sich vor wie in einer (immerhin recht komfortablen) Kaserne. In solchen Situationen sind die Clubs und Netzwerke eine ebenso willkommene wie notwendige Abwechslung. Auch diese Möglichkeiten beruhen aber auf dem gegenseitigen Vertrauen und der Offenheit, die durch Verschwörungstheorien und eventuelle Gegenmaßnahmen unterminiert werden.
Das ist ein entscheidender Punkt: Die Wissenschaftler, die in Forschungszentren wie dem CERN versuchen, ihre Arbeit zu machen, sind in erster Linie Menschen mit ganz normalen menschlichen Bedürfnissen. Das wird gerne vergessen, wenn selbst wohlmeinende Autoren beim Bekämpfen der Verschwörungstheorien CERN-Forscher als „geniale Männer und Frauen“ und „die besten Gehirne der Welt“ bezeichnen. Das ist schmeichelhaft, aber es ist eben auch entfremdend und dadurch gefährlich. Das CERN ist durchaus ein besonderer Ort mit besonderen Möglichkeiten, vielleicht auch mit ein paar besonderen Menschen. Aber auch die haben ganz normale Bedürfnisse und manchmal einen ziemlich schrägen Humor. Und es wäre wichtig, dass ihnen nicht der Spaß an der Wissenschaft vergeht.