Relativer Quantenquark als neues Video

So, jetzt gibt es mal wieder ganz klassischen Quantenquark, in Form eines Videos mit meinem aktuellen Grundlagenvortrag zum Thema. Da kursieren ein paar Vorgängerversionen ja schon länger auf Youtube, aber der Düsseldorfer Aufklärungsdienst hat für seinen DA! art-Award sicher die bislang professionellste Version auf die Beine gestellt. Da wir Corona-bedingt kein Livepublikum hatten, wurde das Ganze aus einem professionellen Greenscreen-Studio bei VR3 mit richtigen Studiokameras gestreamt und ist weiterhin auf Youtube anzusehen:

Die weiteren Vorträge aus der Reihe sind hier aufzurufen.

Die Scobel-Videos – sehenswert!

Die Scobel-Sendung mit meinen Statements zu Quantenquark ist inzwischen gelaufen und aktuell bei 3Sat in der Mediathek anzusehen. Es hat übrigens nicht mal eine Stunde gedauert, bis ich nach der Sendung per Mail das erste Angebot bekam, mir ein ganz neues Modell der Kosmologie zu präsentieren. Falls Sie zufällig auch gerade die Physik neu erfunden haben – wirklich, ich bin da die falsche Adresse; ich forsche ja nicht einmal mehr aktiv.

Hier ist der knapp sechsminütige Beitrag zu meinen Themen, für den ich in meinem Büro kunstvoll in einen überlagerten Zustand versetzt wurde:

Schön gestaltet und pointiert gemacht, und die Aussagen kommen alle unverzerrt heraus. Ich habe mir in der Rolle als griesgrämig-skeptisch brummelnder Spielverderber noch nie besser gefallen…

Ein bisschen rätselhaft bleibt für mich, warum die Redaktion unbedingt das Global Consciousness Project in dem Beitrag unterbringen und ihm auch noch so viel Raum einräumen musste.  Das bizarre Relikt aus der großen Zeit der Parapsychologie, dessen Gedankenwelt deutlich an die yogischen Flieger des Maharishi-Kults erinnert, wird schon seit Jahren nur noch vom Rentner Roger Nelson aus seiner Privatwohnung betrieben. Von den „100 Forschern“, die daran einmal beteiligt gewesen sein sollen, würde ich gerne einmal eine Kollaborationsliste sehen – auf der Homepage finde ich sie jedenfalls nicht.

Mit etwas mehr Zeit ist auch die Sendung als Ganzes äußerst sehenswert. Ein gewisses Vorwissen zur Quantenmechanik (so auf dem Niveau, das ich hier oder im Buch versuche zu vermitteln) schadet allerdings nicht, denn Scobel und die drei Physikprofessoren im Studio diskutierten da für ein normales Fernsehpublikum schon ziemlich anspruchsvoll.

In der Diskussion zu dem leider unvermeidlichen Katzenvieh hatte ich in der ersten Runde ein bisschen die Befürchtung, dass mehr zur Mystifizierung als zur Erhellung beigetragen wird. Ein paar Minuten später haben aber dankenswerterweise alle drei Experten nochmal sehr deutlich gesagt, dass aus der Quantenmechanik eben nicht folgt, dass es halb lebende und halb tote Katzen geben müsse. Überhaupt fand ich die Diskussionen im Verlauf der Sendung immer besser.

Jeder der drei Studiogäste hat für mich ein Highlight eingebracht, das die Sendung sehenswert gemacht hat. Bei Professor Kuhlmann war es die didaktische Klarheit, gerade dann, wenn allzu nebulöse Vorstellungen von der Quantenwelt hätten entstehen können. Frau Professor Hiesmayr vermittelte die Begeisterung für die neuen Technologien, die sich abzeichnen, aber eben noch nicht ganz funktionieren. Professor Mauch erdete mit dem nüchternen Blick, der meines Erachtens für die heutige Physik unverzichtbar ist, ein paar allzu spekulative Gedanken und brachte das noch viel zu wenig bekannte Konzept der Dekohärenz ins Gespräch.

Ein inneres Fest war es mir natürlich, wie am Schluss alle über Quantenquark diskutiert haben, und zwar genau unter diesem Begriff, für den ich Peter Menne gar nicht dankbar genug sein kann.

Wie man Quantenquark potenziert

Ich finde es ja immer faszinierend, wenn es jemand schafft, eine Form von Quark mit einer gänzlich anderen Form von Quark zu begründen und meint, sich damit einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Besonders lustig ist das zum Beispiel, wenn der Haus-AltenaivAlternativmediziner der rechtsesoterischen Querdenkerfraktion, Manfred Doepp, die Leistung unterschiedlicher Handy-Harmonisierungs-Chips mit Hilfe eines kinesiologischen Muskeltests vergleicht. Da hat er wirklich das optimale Testverfahren gefunden: Um eine funktionslose Technik, die ein nicht existierendes Problem lösen soll, zu testen, kommt eben nur eine Placebomethode in Frage.

Ungefähr auf diesem Niveau bewegt man sich, wenn man die angebliche Wirksamkeit homöopathischer „Arzneimittel“ mit falscher Quantenmechanik erklären will. Und eigentlich sollte man erwarten, dass Harald Walach bei diesem Thema die Nase vorne hat, der ehemalige Leiter von Hogwarts an der Oder. Walachs Schwache Quantentheorie ist schließlich hervorragend geeignet, um so ziemlich jeden pseudowissenschaftlichen Unsinn mit etwas zu untermauern, was wenigstens auf den ersten Blick vage wie Physik aussieht: Walach und seine Koautoren haben ein paar Begriffe aus der Quantenmechanik, ähm, entliehen (vor allem „Verschränkung“ und „Komplementarität“), die für die meisten Menschen schwer verständlich sind, aber immerhin nach Naturwissenschaft klingen. Das wäre für sich genommen ja kein Problem, wenn denn klar würde, dass es dabei um reine Analogien oder einen metaphorischen Gebrauch der Begriffe ginge. Um genau das zu verschleiern, tauchen aber in praktisch jedem Artikel über die Schwache Quantentheorie seitenweise Abhandlungen über Physik auf, was reichlich unsinnig wäre, wenn man die Begriffe ehrlich nur metaphorisch oder als Analogie verwenden würde. Ich hatte das an anderer Stelle schon angemerkt: Wenn man eine empfindliche Person metaphorisch als Mimose bezeichnet, fügt man keine Abhandlung über die Physiologie tropischer Hülsenfrüchtler an. Offenbar um den Eindruck zu verstärken, dass es sich wohl doch um so etwas wie Physik handelt und um Kritik abzuschrecken, sind die meisten Artikel auch noch mit (ebenfalls seitenweise) hochgradig abstrakten theoretischen Modellen beladen, die mathematisch sicherlich korrekt sind, denn Koautor Hartmann Römer ist ein sehr anerkannter theoretischer Physiker. Das Problem bei der ganzen Mathematikschlacht ist: Es wird an keiner Stelle klar, was das ganze eigentlich mit der Realität zu tun hat. Die Physik verwendet Mathematik, um experimentell messbare Sachverhalte zu beschreiben – selbst Theorien, zu denen man aktuell noch nichts messen kann, sind zumindest klar auf dieses Ziel ausgerichtet. Bei der Schwachen Quantentheorie erscheint mir jedoch höchst zweifelhaft, ob die Mathematik dort (außer für Professor Römer selbst, für den das sicher ein faszinierendes Gedankenspiel ist) einen anderen Zweck hat, als die Leser zu verwirren. Walach selbst lehnt schließlich wissenschaftliche Experimente zu den Systemen, die die Schwache Quantentheorie beschreiben soll, ausdrücklich ab: „Im Grunde setzen Experimente kausale Strukturen voraus, die es per definitionem in solchen Systemen eben gerade nicht gibt.“ Anschließend versteigt er sich auch noch zu der hanebüchenen Behauptung, auch die Quantenmechanik sei nicht experimentell geprüft.

Dieses merkwürdige Konstrukt müsste die Homöopathen ja nun eigentlich in helles Entzücken versetzen, und genau das muss Walach auch gedacht haben. Schon im ersten Jahr nach der offiziellen Vorstellung der Schwachen Quantentheorie in Foundations of Physics bezog sich gleich der erste wissenschaftliche Aufsatz über die Anwendungsmöglichkeiten dieser Theorie auf die Homöopathie. Veröffentlicht wurde der Artikel (Autor Harald Walach) überigens in der Zeitschrift Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde (Herausgeber Harald Walach). Tatsächlich scheint die schwache Quantentheorie aber in der Esoterikszene so richtig nur die Parapsychologen und die Familienaufsteller zu begeistern. Parapsychologe Walter von Lucadou, der schwach-quantenphysikalische Verschränkungen nicht nur bei der Fußball-Nationalmannschaft, sondern auch bei angeblich hellseherischen Träumen am Werk sieht, ist auch noch selbst einer von Walachs Koautoren. Sucht man hingegen nach Schwacher (oder, wie Walach es heutzutage selbst lieber hört, Generalisierter) Quantentheorie in Verbindung mit Homöopathie, findet man dort neben ihm selbst und seinen Koautoren in erster Linie Artikel von Skeptikern. Überhaupt scheinen sich Skeptiker mehr für dieses pseudophysikalische Konzept zu interessieren als irgendjemand sonst, weswegen ich da jetzt hier auch einen Haken dranmache.

Dass die Homöopathen sich nicht besonders für die Schwache Quantentheorie zu begeistern scheinen, heißt aber nicht, dass sie etwas gegen Quantenquark hätten – ganz im Gegenteil. Zum einen kommt natürlich in jeder Homöopathie-Diskussion, wenn man vorrechnet, dass in Hochpotenzen kein einziges Molekül der Ursubstanz mehr enthalten ist, irgendjemand mit dem alten Käse (Quäse?) um die Ecke, in der Quantenphysik hinge doch alles mit allem zusammen, und deshalb habe Wasser eben ein Gedächtnis. Warum aus der Quantenmechanik eben nicht folgt, dass in irgendeinem sinnvollen Sinne alles mit allem zusammenhängt, habe ich hier schon mal angerissen. Außerdem gibt es in der Homöopedia ausführliche Artikel zum Nicht-Zusammenhang von Quantenphysik und Homöopathie und dazu, warum man sich dafür auch nicht auf den österreichischen Physiker Anton Zeilinger berufen kann. Der harte Kern wie der Zentralverein homöopathischer Ärzte (ich liebe diesen Vereinsnamen – „homöopathische Ärzte“ klingt für mich immer ein bisschen wie „pyromane Feuerwehrleute“ oder „kriminelle Justizbeamte“…) ist zu dem Thema allerdings auch relativ zurückhaltend. Andere haben allerdings aus Quantenquark gleich eine ganz neue Homöopathie gemacht.

Da wäre zum Beispiel die „Quantenlogische Homöopathie“, die der Begründer, Professor Walter Köster, selbst lieber „Quantenlogische Medizin“ nennt, obwohl es dabei um nichts weiter geht als um die Auswahl der richtigen homöopathischen „Arznei“, die dann in dem, was der Patient bekommt, nicht enthalten ist – dank der üblichen homöopathischen „Potenzierung“, der x-mal 10-fachen Verdünnung, durch die die Wirkung nach homöopathischer Logik immer stärker wird. Kösters Anspruch ist eigentlich gar nicht mal schlecht – wegzukommen von der völlig sinnfreien (und alles andere als „ganzheitlichen“) Zuordnung irgendwelcher Stoffe zu irgendwelchen Symptomen nach dem Ritual der homöopathischen „Arzneimittelprüfung“. Köster erhebt also den Anspruch, den Mittelchen jeweils eine „Eigenschaft“ zuzuordnen, für die sie gut sind. Das wäre gegenüber der klassischen Homöopathie, die Köster folgerichtig auch als wissenschaftsfeindlich bezeichnet, in der Tat ein echter Fortschritt. Für diesen Fortschritt bemüht Köster die Quanten – allerdings in einer Weise, über die man nicht einmal mehr lachen kann. Ein Quant ist nach Köster eine „gestaltende Verbindung“ zwischen zwei Extremvarianten, weil seiner Ansicht nach ein Elektron in einem Atom nur an einem von zwei Orten (=Schalen) gemessen werden kann, nie dazwischen.

Das ist natürlich schon nach Anfängerkenntnissen von Quantenmechanik oder Atomphysik so falsch, wie es nur sein kann. Die „Schalen“ sind keine Orte, sondern Energiezustände, und die sind zwar quantisiert (es sind also nur bestimmte Werte möglich, aber viel mehr als zwei), aber nicht messbar. Messbar sind nur die Übergänge dazwischen, bei denen Energie absorbiert oder abgegeben wird. Messbar ist auch der Ort des Elektrons, aber der kann mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten an jedem beliebigen Punkt innerhalb und sogar weit außerhalb des Atoms liegen. Bei Herrn Professor Kösters Vorstellungen von Quanten mangelt es ganz offensichtlich an physikalischem Grundlagenwissen auf Abiturniveau, welches man zum Beispiel hier bei „Frustfrei Lernen“ nachholen kann. Entsprechend „quantenlogisch“ ist dann auch seine Herleitung dessen, was er als „das Quant“ bezeichnet, nämlich das Homoöpathische Arzneimittelbild, also die Zuordnung der Mittelchen zu den Symptomen. Die erfolgt bei Köster nämlich offenbar einfach nach umgangssprachlichen Assoziationen. Mit Ambra werden im Darm eines Pottwals Fremdkörper ummantelt, also hilft Ambra gegen alle Symptome, die sprachlich mit Ummanteln oder Verhüllen in Verbindung gebracht werden. Was soll man zu so viel geballter Wissenschaftlichkeit noch sagen? Die Anhänger dieser bizarren Lehre scheinen überwiegend aus meiner hessischen Nachbarschaft zu kommen, was mir irgendwie schon zu denken gibt…

Allein die Tatsache, dass Köster die klassische Homöopathie mit ihrem Guru Samuel Hahnemann als wissenschaftsfeindlich bezeichnet, dürfte ihm schon den Unmut unseres nächsten Kandidaten einbringen. Lothar Brunke betreibt einen Blog namens „Quantenhomöopathie nach Hahnemann“ und hat seine früheren Blogbeiträge in einem Buch unter dem Titel „Wissenschaftliche Homöopathie“ veröffentlicht. In Diskussionsbeiträgen im Forum der homöopathischen Ärzte tut Brunke sich vor allem dadurch hervor, dass er jede Hypothese über die Homöopathie dann für falsch und diskussionsunwürdig erklärt, wenn sie von den unfehlbaren Lehren Hahnemanns abweicht. Die gleiche Unfehlbarkeitskeule trifft dann natürlich auch Walachs Schwache Quantentheorie und die von ihr angenommene pseudophysikalische Verschränkung von Arzneimittel und Symptom: „Diese Aussage widerspricht den Erkenntnissen von Herrn Hahnemann“, erklärt Brunke in seinem Buch, womit die Schwache Quantentheorie für ihn auch schon weitgehend erledigt ist. Andere Homöopathenkollegen, die von der reinen Lehre des Meisters abweichen, bezeichnet Brunke dann auch einfach als Geistheiler. Das klingt natürlich irgendwie mehr nach Vatikan als nach Wissenschaft, und so stellt sich die Frage, was Herr Brunke eigentlich unter „wissenschaftlicher Homöopathie“ oder „Quantenhomöopathie“ versteht. Sein Buch eröffnet Brunke mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat des Mitbegründers der quantenphysikalischen Konzepts der Dekohärenz, Dieter Zeh. Etwas über Dekohärenz zu lernen, würde vielen Quantenquark-Autoren sicher gut anstehen. Zehs hochgradig abstrakte Arbeit, aus der das Zitat stammt, ist dafür aber denkbar ungeeignet. Sie ist für Diskussionen theoretischer Physiker untereinander gedacht und man muss schon ziemlich tief in Grundsatzfragen der Quantenmechanik und die dazugehörige Mathematik eingestiegen sein, um dem folgen zu können. Der Satz, den Brunke dort herausklaubt, klingt so, als bestätige Zeh das berühmte „Alles hängt mich allem zusammen“. Tatsächlich bezieht sich das Zitat aber auf das auch unter theoretischen Physikern umstrittene und obendrein rein theoretische Viele-Welten-Modell zur eher philosophischen Interpretation der Quantenmechanik, von dem eben nur eine Welt für unsere Realität relevant wäre. Es ist schon hilfreich, zu verstehen, was man zitiert… Tatsächlich verlinkt Zeh auf seiner Homepage einen großartigen und (für ernsthaft interessierte Laien mit etwas Mühe) tatsächlich verständlichen Aufsatz, in dem er klarstellt, was da gemeint ist – und das erklärt eine Wirkung nicht vorhandener Wirkstoffe eben gerade nicht.

Damit ist aber immer noch offen, wie denn eine „wissenschaftliche Homöopathie“ laut Brunke wirken soll. Die Antwort findet sich in einem Artikel, den er 2011 für die Allgemeine Homöopathische Zeitung geschrieben hat. Die Antwort ist: Homöopathie wirkt über Biophotonen! Dazu, dass Fritz-Albert Popps Konzept der Biophotonen unsinnig ist, habe ich schon in diesem Post zwei Vorträge von mir verlinkt, und ich hatte eigentlich die Hoffnung, da Popp mit fast 80 Jahren kaum noch öffentlich auftritt, gerät das Thema langsam in Vergessenheit und ich muss es nicht mehr verschriftlichen… Hier also nochmal die lange Version von der SkepKon 2014:

Brunke verbreitet also auch nichts weiter als Quantenquark, was darin gipfelt, dass er Samuel Hahnemann im Klappentext zu seinem Buch als ersten Entdecker der Quantenphysik bezeichnet. Als Max Planck 1900 mit dem Strahlungsgesetz die erste Idee der Quantenphysik aufbrachte, war Hahnemann schon mehr als 50 Jahre tot.

Die gleiche absurde Idee von Hahnemann als erstem Quantenphysiker verbreitet auch Helmut Trott, ein Heilpraktiker aus Südbaden, der mit „miasmatischer Homöopathie“ wirbt. Miasmen sind eine Vorstellung aus der Zeit vor der Entdeckung von Bakterien und Viren, nach der Krankheiten durch üble Gerüche verursacht werden und man sich mit räuchernden Schnabelmasken davor schützen kann. (Bild: Wikimedia)

Trotts Erklärung für eine „quantenphysikalische“ Wirkung der Homöopathie sind sogenannte morphische (auch: morphogenetische) Felder. Die haben dummerweise aber überhaupt nichts mit Quantenphysik zu tun, sondern sind ein Relikt aus der Mottenkiste der Biologie. Mit morphischen Feldern erklärte man (hypothetisch) sich die Entwicklung heranwachsender Organismen, bevor die Bedeutung der DNA als Bauplan für Proteine entdeckt wurde. Die Idee wurde in den 1980ern von Rupert Sheldrake wieder aufgewärmt und mit einem fadenscheinigen physikalischen Anstrich versehen und ist seitdem in der Esoszene recht beliebt. Vielleicht braucht Sheldrake hier auch mal irgendwann einen eigenen Artikel…

Wenn der oben erwähnte selbsternannte Leiter der homöopathischen Glaubenskongregation, Lothar Brunke, einige seiner Homöopathenkollegen als Geistheiler bezeichnet, meint der das ganz offensichtlich als Abwertung, zumal er deren Tätigkeit auch als „gefährliche Scharlatanerie“ bezeichnet. Ein paar andere seiner Kolleginnen, die ihre eigene „Quanten-Homöopathie“ verkaufen, hätten gegen die Bezeichnung Geistheiler aber vermutlich gar nichts einzuwenden, und zwar die Erdschwestern. Dagmar Schneider-Damm und Meike Dörschuck werben nämlich ganz ausdrücklich auch mit „russischen, geistigen und kosmischen Heilweisen – auch Geistheilung genannt“. Was ihre Homöopathie zur Quanten-Homöopathie macht, ist wohl, dass die beiden nebenbei auch noch mit Quantenheilung heilern. Ein bisschen was zur Quantenheilung hatten wir hier schon mal – das muss ich an dieser Stelle nicht wiederholen. Außerdem gehört laut der Inhaltsangabe zu ihrem Buch „Homöopathie-Profile“ zu ihrer Quanten-Homöopathie auch, mittels Kieselerde die Erde zu heilen, und die morphischen Felder sind auch wieder mit von der Partie. Außerdem kann man sich auch meditativ mit den homöopathischen Wirkkräften eines Mittels in Verbindung setzen – alles Physik, natürlich. Und schließlich: „Auch in anderen Bereichen können wir mithilfe der Quantenphysik alles erreichen, wenn wir uns nur dessen bewusst werden.“ Ansonsten besteht ihr Buch aber vor allem aus dem, woraus Homöopathie letztlich immer besteht: Einer langen Auflistung von Mittelchen, jeweils mit einer Liste von Wehwehchen, für die der Patient von diesen Mittelchen – nichts bekommt.

Und schließlich hat die Sinn/Seelenintelligenz-Akademie auch noch eine Sinn/Quanten-Homöopathie im Angebot. Danach entstehen Krankheiten nicht etwa durch Infektionen, Verletzungen oder Alter, sondern durch „unharmonische Schwingungen“ in unseren Organen. Die Sinn/sche Vorstellung von Quanten-Homöopathie, zusammengebraut aus dem Trio Infernale des verdünnten Nichts (Homöopathie, Bachblüten und Schüsslersalze), liefert die notwendigen „feinstofflichen Informationen“ als „Heilfrequenzen“… Was das mit Quanten zu tun hat oder welchen Sinn das überhaupt ergeben soll, steht leider nicht dabei, und das dazu empfohlene Sinn/Körperenergetik-Seminar für 440 Euro wollte ich nun doch nicht belegen, nur um das herauszufinden.

So, und nach so viel Quark verabschiede ich mich – ich brauche jetzt dringend meine Rescue-Tropfen…

 

Dekohärenter Quantenunsinn aus der Welt der Homöopathen

Manchmal freut man sich auch als typischerweise skeptisch dreinblickender Skeptiker beim Lesen von Nachrichten.  Gestern zum Beispiel war in der Onlineausgabe der Deutschen ApothekerZeitung ausgiebig über die Gründung des Informationsnetzwerks der Homöopathiekritiker zu lesen. Was jetzt davon zu halten ist, dass es ausgerechnet die DAZ erwähnenswert findet, dass es für die Journalisten keine großzügigen Goodies gab, weiß ich auch nicht. Immerhin großartig, an dieser Stelle auf Dubium C30 aufmerksam zu machen. Das kann man nicht oft genug tun: Es enthält nur Zucker (genau wie die allermeisten Homöopathika) und ist kein Arzneimittel (genau wie alle Homöopathika).

zucker-e1444401151383

Neugierig macht mich dann aber am Ende des Artikels ein Hinweis des Netzwerkinitiators Norbert Aust: „Außerdem gäbe es häufig Behauptungen, dass Homöopathie über Quanteneffekte oder Tachyonen wirken würde.“ Das begegnet einem ja immer wieder mal, aber wenn Norbert das an dieser Stelle erwähnent, hat er wahrscheinlich einen aktuellen Anlass. Und in der Tat, auf seinem Beweisaufnahme-Blog muss man nicht lange suchen. In einem Post vom 23.12. kritisiert der Homöopath Prof. Michael Frass, dass Norbert Aust eine seiner Studien kritisiert hat und fabuliert dabei von einer Verschränkung von Patient, Arzt und Medikament. Zum Verständnis des Zitats, in der Studie wurden Patienten mit starken Atemproblemen alternativ mit Homöopathika oder Placebos behandelt, und die Einteilung der Patienten in die beiden Gruppen erfolgte durch einen Arzt (aber laut Studientext zufällig, was auch immer der Arzt dabei getan haben soll…). Mit der Entfernung des Atemschlauchs ist in diesem Fall gemeint, dass es dem Patienten besser geht, also das Ziel der Behandlung (oder Nichtbehandlung) erreicht ist.

[Aust:] Es wird ausgeführt, dass die Bestimmung des Zeitpunkts für die Entfernung des Atemschlauchs durch einen Arzt erfolgte, der ansonsten nicht an der Studie beteiligt war. Die Zuordnung der Patienten zu den Gruppen und die Zuteilung der Arznei bzw. des Placebos erfolgte auch durch einen nicht beteiligten Arzt. Was, wenn diese beiden Personen tatsächlich identisch waren? Namen werden in der Studie nicht genannt, somit ist es durchaus möglich, dass ein ansonsten unbeteiligter Arzt in Kenntnis der Gruppenzuordnung die Zeitpunkte der Extubation bestimmte und damit bewusst oder unbewusst einen Einfluss ausgeübt hat

[Frass:]  Da kann ich Sie beruhigen: der/die zuordnende Arzt/Ärztin waren nicht identisch. Manche KollegInnen verzichten auf Namensnennung, ganz einfach, weil sie nicht in einen Strudel der oft sehr heftig geführten Homöopathiediskussion gezogen werden wollen. Würde man Ihren Gedanken aufnehmen, so befände man sich unweigerlich auf dem Terrain der Quantenphysik und dem Thema Verschränkung zwischen Patient, Arzt und Medikament. Wollten Sie dorthin?

Zunächst mal ist es natürlich erschreckend, dass jemand, der „wissenschaftliche“ Studien über Homöopathie publiziert, außer angeblichen Quanteneffekten kein Problem dabei sähe, wenn der selbe Arzt, der vorher festgelegt hat, welcher Patient zur Placebogruppe gehört, hinterher entschiede, wann bei welchem Patienten eine Besserung eingetreten ist. Wenn man selbst Doppelblindstudien veröffentlicht, sollte man eigentlich auch verstanden haben, warum man das tut.

Recht geschickt stellt Frass es selbst ein wenig so hin, als käme der Gedanke mit der Verschränkung nicht von ihm, aber vom grundsoliden Diplomingenieur Norbert Aust kommt er ja definitiv nicht. Der Dachverband österreichischer Ärztinnen und Ärzte für Ganzheitsmedizin, dessen Präsident Frass ist, hat auch kein Problem damit, offizielle Fortbildungspunkte dafür zu vergeben, dass sich Ärzte Vorträge wie diese anhören:

  • Biophysikalische Informationstherapie und Schmerz. Schmerz als Ursache gestörten Informationstransfers. Die Biophysikalische Informationstherapie (BIT) stellt ein dem aktuellen Wissensstand der Bio- und Quantenphysik adäquates ganzheitliches Therapieverfahren dar. […]
  • „Vierpoliges Ordnungssystem“ – Der Mensch als offenes, nichtlineares System im Wechselwirkungsbereich von Separation und Integration. Burkhard Heim hat zusammen mit Walter Dröscher die „Erweiterte Allgemeine Quantenfeldtheorie“ entwickelt. B. Heim ging von einem zwölfdimensionalen Weltbild aus, das sich aus 3×4 Di-
    mensionen zusammensetzt. […]

Auf „Biophysikalische Informationstherapie“ und die Quantenfeldtheorie von Burkhard Heim wird sicherlich an anderer Stelle noch einmal einzugehen sein. Was hat es aber mit der angeblichen Verschränkung von Patient, Arzt und Medikament auf sich?

Verschränkung bezeichnet in der Physik einen Vorgang, bei dem zwei oder mehr Teilchen, die eine quantenmechanische Wechselwirkung eingegangen sind, in der Folge für eine gewisse Zeit einen gemeinsamen Zustand bilden. Sie sind also nicht wirklich zwei unabhängige Teilchen, sondern eigentlich ein komplexes Ganzes, auch wenn sie sich inzwischen voneinander entfernt haben. Für kleinste Teilchen ist das eigentlich völlig alltäglich. Solche Interaktionen und ihre Nachwirkungen passieren in der Quantenwelt ständig, und ihre Summe über viele Teilchen ergibt ganz einfach das, was wir als Chemie kennen.

Beachtenswert wird das Ganze eigentlich nur, wenn man unter relativ künstlichen Bedingungen solche Teilchen nach der Wechselwirkung von der Außenwelt abschirmt und die so im Labor isolierte Zweier- oder Dreierverschränkung systematisch beobachtet. Was man dann einem Teilchen antut, wirkt sich auf beide aus. Das Antun beschränkt sich allerdings in der Praxis meist auf das Durchfliegen eines Magnetsfelds, denn sobald eines der Teilchen in eine direkte Wechselwirkung mit irgendwelchen anderen Teilchen tritt, müssten auch diese Teil dieses gemeinsamen Zustands werden, womit dann alle äußeren Einflüsse auf alle diese Teilchen zusammenkommen. Das Ergebnis dieses Zusammenkommens ist einfach: Der nur bei isolierter Betrachtung besondere Zusammenhang zwischen den ursprünglichen beiden Teilchen wird durch die Vielzahl anderer Effekte überlagert und wird damit bedeutungslos. Die isolierte Betrachtung der beiden Teilchen ist gar nicht mehr möglich. Die Bezeichnung für diesen Vorgang ist Dekohärenz, und das Ergebnis dieser Dekohärenz ist, dass sich die Welt in der Größenordnung von Patienten, Ärzten und Medikamenten genau so verhält, wie es die klassische Physik beschreibt. Sobald Dekohärenz auftritt, verschwinden alle Effekte der Verschränkung.

Wann tritt aber nun diese Dekohärenz auf? Einzelne Photonen, also Lichtteilchen, können in solchen verschränkten Zuständen sogar in der Atmosphäre mehrere hundert Kilometer zurücklegen, was der Presse gerne effekthaschend als „Quantenteleportation“ verkauft wird. Das ist aber eigentlich nicht sonderlich überraschend, wenn man bedenkt, dass Licht sich ja gerade dadurch auszeichnet, dass es die Luft durchdringen kann, ohne unterwegs irgendwelche Wechselwirkungen einzugehen. Aus dem All könnten uns im Prinzip verschränkte Photonen von Sternen aus Lichtjahren Entfernung erreichen.

Patienten, Ärzte und Medikamente bestehen aber nicht in erster Linie aus Licht, sondern aus Protonen, Neutronen und Elektronen. Die können über Licht wechselwirken, aber Informationsübertragung zwischen Menschen über Licht kennen wir schon. Dafür haben wir Augen, die zwar möglicherweise selbst höchst spannende Quanteneffekte enthalten aber eben nichts mit Homöopathie oder anderem Hokuspokus zu tun haben.

Nehmen wir einmal den noch allereinfachsten denkbaren Fall an, wie irgendetwas im Patienten mit irgendetwas im Arzt verschränkt sein könnte: Den Fall eines Elektrons. Wir behaupten also, im Körper des Arztes entstünde ein verschränkter Zustand von zwei Elektronen, von denen eins beim Arzt verbleiben, das andere irgendwie, zum Beispiel über das Medikament, den Patienten erreichen soll. Soll das Elektron durch die Luft fliegen, dann tritt Dekohärenz im Durchschnitt nach einem Millionstel einer Millionstel Sekunde ein. In dieser Zeit kann das Elektron maximal einige Zehntelmillimeter zurücklegen. Muss es unterwegs Haut, Kleidung, die Hilfsstoffe des Medikaments oder irgendwelches anderes Material durchdringen, dann verringert sich die mögliche Weglänge bis zur Dekohärenz grob um einen Faktor 1000. Eine sinnvolle Information zu übertragen, würde aber weitaus mehr als ein Elektron erfordern. Eine solche Informationsübertragung würde aber immer noch nicht bedeuten, dass Arzt und Patient in irgendeiner sinnvollen Form verschränkt wären, denn sowohl der Arzt als auch der Patient sind in sich vollkommen dekohärent. Eine bedeutungshaltige Verschränkung einzelner Teilchen gibt es zwar offenbar auch in biologischen Systemen, aber dort eben nur innerhalb einzelner, speziell dafür optimierter Großmoleküle.

Natürlich ist im Menschen alles irgendwie mit allem verbunden. Quantenmechanisch kann man das theoretisch auch als Verschränkung bezeichnen. Das ist ja eben das Wesen von Dekohärenz, dass der Zusammenhang von zwei Teilchen, den man ursprünglich beobachten will, durch immer mehr Verschränkung mit immer mehr Störfaktoren überlagert wird. Aber in der Summe über den ganzen Körper werden diese ganzen Verschränkungen eben wieder einfach zur klassischen Physik und Chemie.

Dekohärent ist damit leider auch das Geschwafel von Verschränkung in der Homöopathie. Wenn ich Norbert Austs Blog lese, fällt mir auf, er bleibt in seinen Formulierungen, jedenfalls für meine Verhältnisse, immer ausgesucht höflich. Wenn man sich mit solchem Unsinn auseinandersetzen muss, finde ich das bewundernswert.