Die zwei Geschlechter und die Logik des Quantenquarks

Es war hier peinlich lange sehr, sehr ruhig, ich weiß. Das lag zum Teil an der Entstehung meines vierten Buchs „Faktenimmun“, zum Thema Wissenschaftsleugnung, das Ihr über den Link rechts auf der Seite bestellen könnt. Es hat aber auch sehr viel mit der höchst problematischen Entwicklung der Skeptikerorganisation GWUP zu tun, einer Entwicklung gegen die ich ein Jahr lang als Vorsitzender angekämpft habe. Das hat ungeheuer viel Zeit und Kraft gekostet, aber es war den Versuch wert, eine wichtige, verdiente Organisation seriös zu halten – auch wenn es letztlich nur ein Jahr Aufschub gebracht hat. So findet sich inzwischen jemand im Vorstand der GWUP, der mir unter anderem vorgeworfen hat, ich hätte „Schwierigkeiten damit, gut belegte Thesen und Erkenntnisse einer bedeutenden Wissenschaftsdisziplin anzuerkennen“. Warum das? Weil ich darauf hingewiesen habe, dass „Geschlecht“ eben auch biologisch ein komplexes Thema ist, das nicht auf ein primitives „nur zwei“ reduziert werden kann – außer eben, man will sich in den Dienst höchst fragwürdiger und letztlich menschenfeindlicher Propaganda stellen und die wirklichen wissenschaftlichen Fragen unter den Tisch fallen lassen. Auch bei der Mitgliederversammlung gipfelte die Diskussion über den künftigen Vorsitz in der Frage eines Wissenschaftsratsmitglieds an die beiden Kandidaten: „Wie viele Geschlechter gibt es?“

Die Fragestellung kann einem bekannt vorkommen:

Zu den Aushängeschildern des Vereins gehört inzwischen jemand, der nebenbei im gut ausgestatteten Videostudio der ehemaligen RT-Deutsch-Moderatorin Jasmin Kosubek als „Ex-Woker“ freundlich lächelnd darüber fabuliert, wie gefährlich doch „Wokeness“, also die Rücksichtnahme auf Minderheiten, sei.

Wer die Tragödie der GWUP im Detail nachlesen möchte, kann das bei Florian Aigner tun, der alles mit viel mehr Geduld und Sachlichkeit zusammengefasst hat, als ich es könnte.

Eine schriftliche Übersicht dazu, wie komplex das Thema des Geschlechts in der Biologie ist, findet sich zum Beispiel in einem wunderbaren Leitartikel im Laborjournal, geschrieben von Prof. Dr. Diethard Tautz, dem kürzlich emeritierten Direktor der Abteilung „Evolutionsgenetik“ am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön. Er war auch einer unserer Gäste in der Folge „XX oder XY – ist es so einfach?“ des WTF-Talks, in dem Annika Harrison, Bernd Harder und ich viele Fragen zu dem Thema stellen und spannenden Diskussionen der Experten lauschen konnten. Weitere Gäste waren der Bioethiker Prof. Dr. Christoph Rehmann-Sutter, Sprecher des Sonderforschungsbereichs sexdiversity der Universität Lübeck, die Wissenschaftshistorikerin Prof. Dr. Lisa Malich, ebenfalls in diesem Sonderforschungsbereich aktiv, sowie der Biologe Fabian Deister von der Zoologischen Staatssammlung München, der als „Fabiologe“ auf Youtube Wissenschaft erklärt. Seht Euch die Folge an – für mich gehört sie zu den besten, die wir im WTF-Talk bis jetzt hatten.

Ich will die Inhalte hier gar nicht wiederholen. Was mir aber im Kontext dieser Diskussionen aufgefallen ist, ist die frappierende Ähnlichkeit der Argumentation der „Es gibt nur zwei Geschlechter“-Ideologen mit der der Quantenschwurbler, die ich schon im Buch Relativer Quantenquark und seitdem in diversen Vorträgen dargelegt habe. Es handelt sich gewissermaßen um eine schrittweise Eskalation des Unsinns von der Wahrheit bis zu dem Bullshit (ja, das ist der korrekte Begriff aus der Philosophie), dem man Glaubwürdigkeit zuschreiben möchte.

1. Man beginnt mit einer (bei korrekter Formulierung) wahren Aussage.

Im Fall des Quantenquarks verwendet man dabei gerne eine Aussage aus der modernen Physik, die für Laien besonders erstaunlich wirkt. Man kann sich zum Beispiel aus der Relativitätstheorie bedienen mit: „E = mc². Energie und Masse sind äquivalent.“ Aus der Quantenmechanik eignet sich etwas wie: „Bei Messungen tritt ein Phänomen auf, das Beobachtereffekt genannt wird.“ Dass dieser Beobachtereffekt nichts, aber auch wirklich gar nichts mit einem menschlichen Beobachter zu tun hat, erwähnt man vorsichtshalber nicht. Alternativ kann man auch auf das Phänomen der Quantenverschränkung zwischen zwei gemeinsam entstandenen kleinsten Teilchen verweisen, das nur so lange existiert, wie diese Teilchen vollständig von der Außenwelt isoliert sind.

Bei der Argumentation der „nur zwei Geschlechter“-Ideologie lautet die entsprechende wahre Aussage: „Bei der zweigeschlechtlichen Fortpflanzung gibt es genau zwei Geschlechter von Fortpflanzungszellen.“ Ja, diese Aussage ist genau so banal und beinahe tautologisch, wie sie klingt. Es geht dabei nicht um Menschen. Es geht überhaupt nicht um ganze Organismen. Es geht ausschließlich um Fortpflanzungszellen. Diejenigen Fortpflanzungszellen, deren Mitochondrien auf die nächste Generation übergehen, bezeichnet man als weiblich.

Wenn man statt einzelner Zellen ganze Organismen betrachtet, die sich zweigeschlechtlich fortpflanzen können, dann findet man zum Beispiel Tiere oder Pflanzen, die gleichzeitig beide Geschlechter von Fortpflanzungszellen produzieren können. Andere produzieren im Laufe ihres Lebens erst das eine und dann das andere Geschlecht. Es gibt auch jede Menge Organismen solcher Arten, die gar keine Fortpflanzungszellen produzieren – am bekanntesten sicherlich die „Arbeiterinnen“ bei der Honigbiene. Dazu kommt, dass Zweigeschlechtlichkeit nicht die einzige Möglichkeit ist, sich fortzupflanzen. Die nichtgeschlechtliche Vermehrung unabhängig von spezifischen Fortpflanzungszellen ist in der Natur weit verbreitet (vor allem bei Einzellern, aber zum Beispiel auch bei Pflanzen durch Ableger). Bei diversen Reptilien, Knorpelfischen, Spinnentieren und Insekten gibt es auch eine eingeschlechtliche Vermehrung (Parthenogenese) über unbefruchtete Fortpflanzungszellen.

Biologisches Geschlecht ist also schon auf zellulärer Ebene bemerkenswert vielfältig, und wenn man dann ausgewachsene, vielzellige Organismen betrachtet, ist eine Zuordnung zu einem von genau zwei Geschlechtern letztlich immer eine Übervereinfachung mit zwangsläufigen Ungenauigkeiten. Auch ein Mensch hat niemals ausschließlich männliche oder ausschließlich weibliche „Geschlechtsmerkmale“ – und das ist natürlich ein Bestandteil (und auch ein Forschungsfeld) der Biologie.

2. Man formuliert bewusst ungenau, so dass man nicht lügt, aber bei Laien ein falscher Eindruck entsteht.

Dieser Zwischenschritt ist entscheidend für das Funktionieren der ganzen Scheinargumentation. Man verschiebt die Torpfosten und erweitert den wahrgenommenen Inhalt der Aussage, bleibt dabei aber noch so vage, dass man sich bei fundierter Kritik problemlos auf sicheres Terrain zurückziehen kann. Im Fall der Relativitätstheorie wird so aus der Äquivalenz von Masse und Energie die Behauptung, Materie sei ja „nur“ Energie, wobei unklar bleibt, ob damit überhaupt Energie im physikalischen Sinne gemeint ist. Aus dem irreführend benannten Beobachtereffekt der Quantenmechanik wird die Behauptung, der Beobachter beeinflusse das Ergebnis einer physikalischen Messung (in Wahrheit sorgt ein Beobachter, wenn überhaupt, höchstens dafür, dass eine Messung im quantenmechanischen Sinne überhaupt stattfindet). Zur Quantenverschränkung folgt an dieser Stelle in der Regel der Hinweis, dass dieser von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnete Effekt nach neuen Forschungsergebnissen auch in Größenordnungen des Alltags relevant sei. Alle diese Behauptungen haben gemeinsam, dass sie eindeutig falsch sind, man Kritik daran aber wegen der Ähnlichkeit zu wissenschaftlich korrekten Aussagen als bloße Wortklauberei abtun kann.

Die analoge Behauptung aus der Geschlechterdebatte ist, in der Biologie gäbe es genau zwei Geschlechter. Das ist noch spezifisch genug, um es oberflächlich von Fragen des sozialen Geschlechts abzugrenzen, dem man damit noch eine, wenngleich gegenüber der Biologie als „echter Wissenschaft“ minderwertige, Existenzberechtigung zuspricht. Dem könnte die kritische Frage begegnen, ob denn Forschung zur Vermehrung der in jedem Supermarkt zu findenden Cavendish-Banane (die sich, weil kernlos, nicht zweigeschlechtlich fortpflanzen kann) oder zur Vermehrung von Schnecken als Zwitter keine Biologie sei. Dann kann man sich immer darauf zurückziehen, man habe ja nur vom „biologischen Geschlecht“ gesprochen, das eben als das Geschlecht von Fortpflanzungszellen definiert sei. „Definiert“ ist dabei ein wichtiges Wort. Dass mit dem Geschlecht in einigen Feldern der Biologie ausschließlich das Geschlecht von Fortpflanzungszellen gemeint ist, ist nicht eine wissenschaftliche Erkenntnis (also ein Ergebnis von Wissenschaft), sondern schlicht eine Definition. Diese Definition ist deshalb praktisch, weil sie eben, ganz anders als eine Geschlechtsbestimmung nach Chromosomen oder sogenannten Geschlechtsmerkmalen, gerade zu den gewünschten genau zwei Geschlechtern führt.

Für einige Forschungsfragen ist das sicherlich eine hinreichende Definition – wenn man ein Geschlecht ganzer, mehrzelliger Organismen angeben will, ist es das aber nicht. Man kann sich darauf herausreden, der Organismus hätte dann eben das Geschlecht der Fortpflanzungszellen, die er produziert, und das sei ja bei Menschen, anders als zum Beispiel bei Schnecken, immer nur eines. Die Existenz von Menschen, die sich so eben nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen, wischt man als seltene Ausnahmefälle vom Tisch. Dabei vergisst man dann gerne, dass nach dieser Zuordnung eben nicht nur ein Teil der intersexuellen und transsexuellen Menschen, sondern zum Beispiel auch viele Überlebende von Hodenkrebs und praktisch alle Frauen jenseits der Wechseljahre überhaupt kein Geschlecht hätten.

3. Man folgert daraus ungehemmt völlig unhaltbare Behauptungen.

Haben die Leser oder Zuhörer den zweiten Schritt kritiklos als wissenschaftliche Erkenntnis hingenommen, dann sind im Folgenden Tür und Tor offen für die hanebüchensten Behauptungen, ohne dass man noch viele kritische Nachfragen befürchten muss – zumindest solange man die jeweiligen Voreingenommenheiten des Publikums bedient.

So heißt es, die Energie, die angeblich nach der Relativitätstheorie dasselbe wie Materie sein soll, sei die Energie menschlicher Gedanken, die dementsprechend in der Lage seien, die Realität nach ihren Wünschen zu formen. Der Beobachtereffekt soll nicht nur die Messung beeinflussen, sondern ihr Ergebnis festlegen, und gleichzeitig werden allerlei Vorgänge zu quantenmechanischen Messungen erklärt, so dass man sich seine Zukunft mehr oder weniger beliebig „manifestieren“ kann. Aus der vermeintlichen spukhaften Fernwirkung wird „alles hängt mit allem zusammen“, so dass das esoterische Wunschkonzert nicht nur für einen selbst, sondern gleich für die ganze Welt gilt, man sich von Deutschland aus also bequemerweise auch gleich Frieden im Nahen Osten manifestieren kann – in der betreffenden Szene sicher gerne einen „Frieden“, in dem Israel nicht mehr vorkommt.

Bei den selbsternannten Rettern der Biologie fällt an dieser Stelle einfach unter den Tisch, dass es ja eigentlich nur um die Biologie ging, und aus der Ursprungsthese wird einfach: „Es gibt nur zwei Geschlechter!“ Dabei handelt es sich dann auch weder um eine Definition noch um eine vermeintliche wissenschaftliche Erkenntnis, sondern um die Forderung nach einer gesellschaftlichen Norm. Viele Leute, die vorgeben, für die Integrität der Biologie einzutreten, nutzen diesen Satz, um Menschen auszugrenzen und abzuwerten, die von ihrem Verhalten, ihren Bedürfnissen oder ihren körperlichen Voraussetzungen nicht dieser gewünschten Norm entsprechen. Die Wächter dieser Norm präsentieren Kiwi-Emojis (weil es zwei Geschlechter von Kiwipflanzen gibt) sowie diverse andere transfeindliche Codes in ihren Social-Media-Profilen und bezeichnen nach Belieben öffentlich Frauen, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen, als Männer. Während der olympischen Spiele inszenierten sie eine beispiellose Hetzkampagne gegen die (als Frau geborene) Boxerin Imane Khelif – und die „neue“ GWUP beteiligte sich zu meinem Entsetzen, aber nicht zu meiner Überraschung an dem schmutzigen Spiel.

(9.9.2024: Ich füge an der Stelle mal den folgenden Absatz aus einer Facebook-Diskussion ein, weil er vielleicht nochmal etwas klarer macht, worum es mir eigentlich geht.)

Warum will jemand wissen, ob Geschlecht in der Biologie binär ist? Darf jemand nicht zur Vermehrung von Schnecken forschen, weil die nicht binär sind? Darf jemand in der Genetik nicht mit väterlicher und mütterlicher Linie modellieren, weil Geschlecht auf der Ebene von Einzelorganismen viel komplexer ist? Natürlich nicht. Es wird auch niemand seine Doktorarbeit schlechter bewertet bekommen, weil er sich darin Geschlecht so definiert, wie es auf seine Forschungsfrage passt. Für die seriöse Biologie ist das eine Diskussion über Kaisers Bart. Problematisch wird es erst, wenn Leute meinen, Jura oder Gesellschaftspolitik aus etwas herleiten zu müssen, was auch in der Biologie kein Forschungsergebnis, sondern einfach nur eine Definition ist.

Wieviel das Ganze mit Wissenschaftlichkeit zu tun hat, sieht man an den Xitterkanälen des Aushängeschilds der deutschen anti-Trans-Bewegung, der (seit inzwischen sechs Jahren) Biologiedoktorandin Marie-Luise Vollbrecht. Bekannt wurde sie 2022, als sich diverse rechte Gruppen empörten, weil die Humboldt-Uni einen Vortrag abgesagt hatte, in dem Vollbrecht angeblich nur erklären wolle, dass es in der Biologie genau zwei Geschlechter gibt. Auf dem Xitteraccount, auf dem sie zu ihrer Forschung und allgemein zur Arbeit junger Wissenschaftler schreibt, erschienen im gesamten August 2024 genau drei Posts. Auf ihrem parallel betriebenen transfeindlichen Hetzaccount waren es im selben Zeitraum mehr als 200.

Aufklären über Verschwörungsmythen im Mondlandungshype

Die letzten paar Tage waren ein bisschen verrückt, nicht nur für mich, sondern wohl für jeden, der sich in Deutschland schon mal ausführlicher zu Verschwörungsglauben geäußert hat. Heute ist die erste bemannte Mondlandung genau 50 Jahre her, und plötzlich waren die Behauptungen, die sechs Apollo-Landungen seien in Wirklichkeit auf der Erde inszeniert worden, wieder überall in den Medien. Die Vertreter solcher Behauptungen kamen dabei selbst eher selten vor, was unter anderem damit zusammenhängen dürfte, dass viele, die zumindest in Deutschland solche Thesen aktiv verbreiten, auch noch ganz andere, ziemlich menscheinfeindliche Vorstellungen auf ihrer Agenda haben, so dass man ihnen vielleicht nicht unnötig ein Forum bieten will. Dafür liefen bei uns Skeptikern die Telefone heiß, und offensichtlich waren vor allem Fernsehjournalisten von dem ja erst seit 50 Jahren feststehenden Termin völlig überrumpelt worden und fingen gestern früh an, fieberhaft Interviewpartner für die Abendnachrichten zu suchen.

Dafür freut es mich besonders, dass die GWUP es, in einem nächtlichen Kraftakt unseres Filmgenies Stanley Kubrick Andreas Weimann, geschafft hat, pünktlich heute das Video meines Vortrags zur Mondlandung beim diesjährigen Skeptical in Augsburg vorzustellen. Der Vortrag ist eine deutlich kürzere Version als der, den ich in Wien gehalten habe. Von dort soll es demnächst auch noch ein Video mit der vollen Dosis geben.

Der Vortrag hat mir großen Spaß gemacht, was man glaube ich erahnen kann, und ich finde auch die Filmumsetzung hervorragend gelungen. Die eigens bestellte Jacke hat ihren Zweck auch erfüllt, würde ich sagen.

Dass sich bei mir in den letzten Tagen die Anfragen gehäuft haben, kann auch an dem Spiegel-Online-Interview „Vom ersten Tag an gab es Zweifler“ vom Donnerstag liegen, das mir auch große Freude gemacht hatte – bis auf die letzte Frage jedenfalls. Müssen diese Journalisten das Buch denn auch noch so genau lesen…?

Auf jeden Fall hörenwert finde ich auch das Live-Interview auf radioeins von gestern Nachmittag. Lebendig und ein bisschen frech geführt, aber durchaus mit etwas Tiefe. Ich muss zugeben, dass ich eher wenig Radio höre, aber vom Verhältnis des Aufwands, den man als Interviewgast hat, zu dem, was man am Ende rüberbringt, ist es deutlich angenehmer als Fernsehen.

Das war mir auch schon bei dem halbstündigen Interview in hr iNFO im Juni aufgefallen, das der HR gestern einfach nochmal ausgestrahlt hat.

Als ich gestern nach der Zuschaltung bei radioeins in Frankfurt aus dem Studio kam, ging es draußen vor der Tür gleich weiter. Nach einem kurzen Statement für die WELT/Sat1-Nachrichten kam ein Team von RTL für einen Beitrag im Nachtjournal (in der Sendung ab Minute 9:47), den ich durchaus empfehlen kann, weil darin sogar Zeit war, auf einige Argumente einzugehen.

Und wenn sich der Hype um die Mondlandung dann langsam wieder gelegt hat, gibt es hier auch wieder richtigen Quantenquark, versprochen.

Kein Esoterikkongress in Gießen – dafür drei sehenswerte skeptische Veranstaltungen

Wenn in diesem Blog in den vergangenen Wochen relativ wenig Neues aufgetaucht ist, dann  liegt das zu einem gewissen Teil an einer Indienreise, zum Teil an einem Buchprojekt und zum Teil an der Tatsache, dass man ja irgendwann auch noch Geld verdienen muss. Es liegt aber auch zu einem nicht unerheblichen Teil an einem tollen Projekt, das ein kleiner Kreis von Ehrenamtlichen seit Juli in Gießen auf die Beine gestellt hat: Den Aktionstagen gegen geistige Brandstiftung.

Im Laufe des Sommers wurde bekannt, dass ein Zusammenschluss von Esoterikern, Verschwörungstheoretikern und rechten Reichsbürgern einen Kongress in Gießen angekündigt hatte. Die Referentenliste war beeindruckend erschreckend: Zu den bekanntesten Angekündigten gehörten wohl Motivationsguru Robert Betz, Reichsbürger Jo Conrad, „die Ursache deiner Krankheit liegt in dir selbst“-Dahlke, und Franz Hörmann, ein Wirtschaftsprofessor, der empfiehlt, seine Kredite einfach nicht zurückzuzahlen und meint, dass Gaskammern nichts mit Gaskammern zu tun gehabt hätten. Quantenquark war auch reichlich im Angebot: Michael König bietet eine Ausbildung zum Quantenpraktiker an (und meint damit nicht Fußpflege), Konstantin Meyl will die Relativitätstheorie widerlegt haben, nimmt dafür aber die Existenz sogenannter elektromagnetischer Skalarwellen an, die nie jemand finden konnte, und Nassim Haramein wäre eigentlich einen ganzen eigenen Artikel wert. Tatsächlich gerne mal live hören würde ich Simon Parkes, dessen Gruppenmeditation im September 2015 dem Teilchenbeschleuniger am CERN nicht genügend Energie zuführen konnte, um das Raumtor zu öffnen, so dass dann einige außerirdische Reptilienwesen auf der Erde festsaßen – das schreibt er zumindest auf seiner Homepage. Später wurde dann auch noch der gerade Haft sitzende oberste Souverän des Reichsbürger-Königreichs Deutschland angekündigt.

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Mit ein paar Leuten, die schon beim Protest gegen den Quer-Denken-Kongress 2015 in Friedberg dabei waren, ist es gelungen, ein Gegenprogramm zu planen und gleichzeitig die Stadtpolitik über den anstehenden Kongress und die Problematik damit aufzuklären. Irgendwie schaffen es rechtsesoterische Veranstalter  immer wieder, für ihre Unsinn öffentliche, aus Steuergeldern finanzierte Stadthallen anzumieten. In Friedberg und Neu-Isenburg dürfte die Verwaltung nach den dortigen Quer-Denken-Kongressen wachsamer sein, also hatte man dieses Mal in Gießen die Kongresshalle gemietet. Tatsächlich haben wir es aber auch in Gießen wieder geschafft, ein breites, parteiübergreifendes Bündnis von Junger Union bis Linksjugend und vom Humanistischen Verband bis zum Rat der Religionen für einen Protest gegen den Kongress zusammenzubekommen.

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Erfreulicherweise hat es dann aber die städtische GmbH durchgesetzt, nach einem Wechsel des offiziellen Veranstalters ihre peinlichen Mieter wieder loszuwerden, so dass der Kongress in Gießen nicht mehr stattfinden kann. Es gibt aber andernorts trotzdem noch genug von der Sorte. Im November steigt wieder ein Quer-Denken-Kongress, diesmal in Köln, mit einem großen Teil der Redner, auf die Gießen nun glücklicherweise verzichten durfte. Vom Rest der Redner konnte man die meisten (nur Simon Parkes nicht, der würde mich wirklich interessieren…) schon Anfang Oktober beim Kongress des Kopp-Verlags in Stuttgart sehen.

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Was aber (unter anderem auch wegen der vielen ähnlich gelagerten Kongresse) trotzdem in Gießen stattfinden wird, sind drei wunderbare Aufklärungsveranstaltungen, die eigentlich gegen den Kongress protestieren und über diesen aufklären sollten. Die Veranstaltungen werden vom ganzen Bündnis unterstützt – veranstaltet werden sie von der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Justus-Liebig Universität und dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) Hessen. Also kein Esoterikkongress in Gießen, dafür drei richtig gute skeptische Veranstaltungen. Da kann man nur sagen, der Anspruch als Wissenschaftsstadt wird voll erfüllt.

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Schon am Donnerstag, 13.10.2016 um 20 Uhr läuft im kommunalen Kino im Jokus, Ostanlage 25 in Gießen der Dokumentarfilm Die Mondverschwörung. Wer sich beim Lesen dieses Artikels gefragt hat, was Esoterik eigentlich mit rechtsextremem Gedankengut zu tun hat, ist bei diesem Film genau richtig. Hier ist der Trailer, aber am 13.10. haben wir noch viel mehr zu bieten. Im Anschluss an den Film steht der Regisseur Thomas Frickel für eine ausgiebige Diskussion zur Verfügung, und die ist mit ihm erfahrungsgemäß ähnlich unterhaltsam wie der Film, nur eben mit der Möglichkeit, nachzufragen.

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Für Montag, den 17.10.2016 um 20 Uhr im Margarete-Bieber-Saal der Universität, Ludwigstraße 34, konnten wir einen juristischen Experten und engagierten Blogger über die Reichsbürgerszene gewinnen: Oliver Gottwald schreibt den Eisenfrass-Blog und macht Fortbildungen für hessische Justizbeamte zum Thema. Passend zu den Reichsbürger-Rednern, die Gießen erspart geblieben sind, spricht er über Peter Fitzek, das Königreich Deutschland und die Reichsbürger. Wer noch keine Ahnung hat, wer Peter Fitzek ist; das auf dem Screenshot unten ist nicht etwa der Prinz Karneval, sondern der oberste Souverän persönlich, und beim Draufklicken kommt man auf eine längere Doku des MDR, vielleicht zum Vorgruseln vor Olivers Vortrag. Infos zum Nachlesen finden sich auch bei unseren Unterstützern vom Sonnenstaatland.

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Unsere Hauptveranstaltung wird dann der große Infoabend am 20.10. um 19.30 im großen zoologischen Hörsaal der Universität, Stephanstraße 24. Unter dem Titel „Schwurbler, Nazis, Scharlatane?“ werfen wir einen unterhaltsamen Rundumblick auf das Gedankengut, das auf rechtsesoterischen Kongressen und Internetseiten so verbreitet wird. Ich stelle Kongresse dieser Art und ein paar der eher realsatirischen Referenten (hatte ich schon erwähnt, dass ich Simon Parkes auf eine gruselig-bizarre Art interessant finde?) kurz vor. Später am Abend werde ich dann auch noch eine Quantenheilung zelebrieren und damit hoffentlich ganz viele Zuhörer heilen – also, vom Glauben an Quantenheilung wenigstens. Die beiden großen Jungs vom Heißluftdampfer machen eine Live-Podcastaufzeichnung über Reichsbürger, bei der auch Experte Oliver Gottwald wieder mit an Bord sein wird. Der Physiker und skeptische Blogger (Nullius in Verba) Sebastian Schmalz, mit dem ich letztes Jahr in Friedberg viel Spaß als Vortragsduo hatte, knöpft sich populäre Mainstreamesoteriker wir Robert Betz und Rüdiger Dahlke vor und erklärt, warum deren Vorstellungen eben nicht sanft und harmlos sind. Der Ingenieur Dr. Norbert Aust, der auch gerne über Homöopathie schreibt, spricht über die angeblich unbegrenzt verfügbare Freie Energie, deren Aushängeschild Klaus Volkamer Gießen auch erspart geblieben ist. Der Gießener Satiriker und Autor Jörg Schneider liest: „So werde ich Nazi – Welcher Extremismus passt zu mir?“. Durch den Abend führt der Musiker und Kolumnist Frank Mignon.

Vielen Dank an alle Beteiligten, die mitgeholfen haben, das Programm auf die Beine zu stellen. Es hat schon im Vorlauf und bei unseren Treffen mit den vielen Leuten aus den ganz unterschiedlichen Parteien und Organisationen einen Riesenspaß gemacht.

Danke auch an Alexander von Alistration, der uns vier von seinen großartigen Comics für unsere Aktionstage zur Verfügung gestellt hat. Hier ist nochmal einer von seiner eigenen Seite: