Die Energie von Professor Turturs Vakuum

Im Artikel

Quantenquark und braune Sauce

hatte ich ja schon angekündigt, auf den Quark von Professor Claus Turtur noch einmal näher einzugehen. Turtur behauptet, dass man Energie aus dem Nichts erzeugen könne – und dass sich das mit der Quantenfeldtheorie begründen ließe.

Inzwischen hat aber noch ein anderer Akteur aus dem gleichen Artikel von sich reden gemacht: Auch wenn er in den Originalquellen namentlich nicht genannt ist, deutet alles darauf hin, dass es Ernst Köwing, der Honigmann, ist, der demnächst eine Haftstrafe wegen Volksverhetzung antreten darf. Nach der ersten Verurteilung 2013 hatte das Gericht dieses Mal offenbar genug gesehen, um die Strafe nicht wieder zur Bewährung auszusetzen. In diesem Blog war Köwing vor allem mit dem Verschwörungsgeschwurbel aufgefallen, das CERN werde vom Vatikan kontrolliert und solle ein Portal öffnen, um eine Invasion durch Außerirdische zu ermöglichen.

Ein weiterer Kopf der braun-esoterischen Szene, mit dem ich mich hier schon beschäftigen musste, hatte auch keine so gute Woche vor Gericht. Peter I., oberster Souverän des Königreichs Deutschland, gilt für seine verschwundenen 1,3 (oder mehr) Millionen Anlegergelder wohl als voll schuldfähig. Der Gutachter hält ihn zwar für narzisstisch gestört, aber dem selbstgekrönten Monarchen fehle es nicht an Einsichtsfähigkeit, sondern nur an Einsicht. Zu der könnte ihn ein längerer Aufenthalt hinter Gittern ja möglicherweise führen.

Zur Einsicht scheint mir aber vor allem die deutsche Justiz im Umgang mit solchen Leuten allmählich zu gelangen…

Schließlich noch eine Leseempfehlung vorneweg: Auf Krautreporter hat sich gestern Jakob Herpich kritsch mit „Menschlichen Energiefeldern“ und Rechtfertigungsversuchen unter Berufung auf den deutschen Nachkriegsphysiker Burkhard Heim beschäftigt. Mehr zu Burkhard Heim gibt es unter anderem von mir auf der SkepKon zu hören, in der Urania Berlin vom 29. April bis 1. Mai. Mein Vortrag ist am 30. April nachmittags, in einer Session mit Martin Lambeck, der dort ebenfalls über ein Quantenquark-Thema spricht.

Aber kommen wir zu Herrn Turtur. Es handelt sich dabei nicht um die literarische Figur sehr ähnlichen Namens, die ebenfalls die Eigenschaft hat, immer unbedeutender zu werden, je genauer man hinsieht. Vielmehr ist Claus Wilhelm Turtur Professor für Experimentalphysik und Werkstofftechnik, beschäftigt in der Fakultät Elektrotechnik an der Ostfalia Hochschule in der Naturwissenschaftsmetropole Wolfenbüttel. Wenngleich Turturs Themen vordergründig unpolitisch sind, ist es schon interessant, in welchem Millieu er sich so herumtreibt: Wie schon im vorhergehenden Artikel erwähnt, trat er auf derselben Antizensurkonferenz in der Schweiz auf, auf der auch Sylvia Stolz ihre jüngste Volksverhetzung beging. Außerdem publiziert Turtur im Kopp-Verlag, dessen prominent platzierte Bücher gerade in den vergangenen Tagen der Buchhandelskette Hugendubel ordentlich Ärger eingebracht haben. Turtur trat auch 2016 auf dem ersten großen Kopp-Kongress  auf und verlinkt den rechtsesoterischen Verlag ganz ungeniert von der Homepage seiner Hochschule.

Nun muss man von einem Professor aus den Ingenieurwissenschaften ja nicht zwangsläufig besondere politische Sensibilität erwarten, aber wer ein Buch mit dem Titel „Prüfungstrainer Physik“ geschrieben hat, von dem erwarte ich wenigstens ein gewisses Grundverständnis von… naja, eben von Physik. Da ist es doch sehr überraschend, dass Professor Turtur öffentlich behauptet, man könne Energie aus nichts erzeugen. Den meisten Menschen ist heutzutage klar, dass so etwas (ein perpetuum mobile) nicht funktioniert, und in seinem Prüfungstrainer stellt Turtur die Energieerhaltung auch nicht in Frage, sondern argumentiert selbst immer wieder damit. Da muss er also kreativ werden, um zu begründen, wo seine angebliche Energie denn herkommt – er muss dem Nichts also einen Namen geben.

Gelegentlich spricht Turtur dabei von einer „Raumenergie“, die man nutzen könne. Dabei handelt es sich um einen Phantasiebegriff, von dem ich in der seriösen Physik noch nie gehört habe. Parallel spricht er aber auch von der Vakuumenergie oder der Nullpunktsenergie des Vakuums, die er mittels des sogenannten Casimir-Effekts nutzen will. Diese Begriffe gibt es in der Physik tatsächlich, und die haben sogar etwas miteinander zu tun. Da lohnt es sich dann doch, mal einen genaueren Blick darauf zu werfen, was sich hinter diesen Begriffen nun eigentlich verbirgt. Wer es genau wissen will, dem sei dieser ausführlichere Artikel vom sehr geschätzten Martin Bäker („Hier wohnen Drachen“ auf Scienceblogs) empfohlen. Ich werde es hier deutlich kürzer und einfacher belassen.

Was Nullpunktsenergie an sich ist, hatte ich schon einmal erklärt: Das ist die Energie, die ein quantenmechanisches System wegen der Unschärferelation immer noch haben muss, nachdem man ihm alle entnehmbare Energie entnommen hat. Da sie eben nicht entnehmbar ist, kann man sie auch nicht nutzen, womit eigentlich schon klar sein sollte, dass sie als Ausrede für Turtur nicht taugt.

Mit der Quantenfeldtheorie wurde dann klar, dass auch das Vakuum eine Nullpunktsenergie hat, und die bezeichnet man, wenig überraschend, als Vakuumenergie. Rein rechnerisch ist die Vakuumenergie sogar beliebig groß. Weil man ihr aber weder etwas hinzufügen noch etwas wegnehmen kann, ist ihre absolute Größe aber für messbare Werte letztlich ziemlich egal. Das bedeutet aber nicht, dass die Vakuumenergie keine Effekte hätte. Sie äußert sich in sogenannten Vakuumfluktuationen: Im Vakuum (und damit auch überall sonst) entstehen und vergehen aus der Vakuumenergie ständig virtuelle Teilchen und Antiteilchen. Die wiederum stehen in Wechselwirkung mit den Teilchen, deren Kollisionen wir in Experimenten messen können, und wenn man die Ergebnisse dieser Kollisionen sehr genau vorausberechnen will, muss man die Vakuumfluktuationen als Korrekturen berücksichtigen.

Viele Physiker, darunter die Skeptiker-Ikone Lawrence Krauss halten es für plausibel, dass sogar das ganze Universum nicht weiter ist als eine riesige und glücklicherweise ziemlich langlebige Vakuumfluktuation:

Es gibt noch einen weiteren experimentellen Effekt, der auf Basis der Vakuumenergie vorhergesagt wurde. Die virtuellen Teilchen und Antiteilchen wandeln sich nämlich auch in elektromagnetische Wellen um, die eine Wellenlänge haben. Bringt man jetzt zwei Platten im Vakuum sehr dicht zusammen, dann können durch die Vakuumfluktuationen zwischen diesen Platten nur solche Wellen entstehen, deren Wellenlänge kurz genug ist, um zwischen die Platten zu passen. Außerhalb der Platten sind alle Wellenlängen möglich. Dort gibt es also mehr Vakuumfluktuationen als dazwischen, was dazu führt, dass die Platten minimal zusammengedrückt werden. Dieser Effekt wurde von Hendrik Casimir 1948 vorhergesagt und ist deswegen als Casimir-Effekt bekannt.

Professor Turtur behauptet nun in seinen Vorträgen, Casimir sei damals ausgelacht und der Effekt erst 1997 experimentell nachgewiesen worden:

Das ist vollkommener Unsinn. Hendrik Casimir wurde für diese und viele andere Erkenntnisse, zu denen er beigetragen hat, geradezu mit Ehrungen überhäuft, und erste experimentelle Bestätigungen werden schon in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1954 beschrieben. Wie in Martin Bäkers schon erwähntem Artikel zu lesen ist, gibt es inzwischen auch theoretische Erklärungen zum Casimir-Effekt, die ohne die Vakuumenergie auskommen – es ist also nicht mehr so ganz klar, ob beide Effekte wirklich zusammengehören.

Kann man aber nun mit dem Casimir-Effekt Energie gewinnen? Es gibt ja eine Kraft, die die Platten zusammendrückt. Gibt man dieser Kraft nach und bewegt die Platten noch näher zusammen, wird dabei natürlich Energie frei, ähnlich wie eine alte, mechanische Wanduhr Energie daraus erhält, dass sich ihre Gewichte im Laufe der Zeit absenken. Soll die Uhr längerfristig laufen, muss man die Gewichte natürlich wieder hochziehen. Dazu braucht man genau die Energie, die die Gewichte beim Absenken abgegeben haben, und genau das passiert mit den Platten beim Casimir-Effekt. Um sie wieder auseinanderzubewegen braucht man ebensoviel Energie, wie beim Zusammenbringen frei wurde, und am Ende gewinnt man – nichts.

Jetzt kommt Professor Turtur auf einen Trick, den er für genial hält: Er will eine der Platten durch eine Art Rotor aus schrägen Teilplatten ersetzen und meint, durch die Anziehungskräfte müsste dieser in Drehung versetzt werden. Das ist aber genauso, als wolle man ein Windrad mit eisernen Flügeln dadurch in Drehung versetzen, dass man einen Magneten vor das Rad hält: Da bewegt sich nichts. Das Windrad bewegt sich erst dadurch, dass etwas an ihm vorbeiströmt (oder man zum Beispiel den Magneten bewegt, was wieder Energie erfordert). Beim Casimir-Effekt strömt aber nichts – das ist ein rein statischer Effekt zwischen den Platten.

Mit dem Unterschied von statischen und dynamischen Effekten scheint der Herr Professor ohnehin seine Probleme zu haben. Auf seiner Institutsseite hat er einen Artikel, in dem er die gesamte Theorie seiner Energiegewinnung aus Vakuumenergie darstellt. Als Grundlage berechnet er die Energie bewegter elektrischer Ladungen und der daraus resultierenden veränderlichen elektrischen Felder nach der Elektrostatik, also der Theorie unbewegter Ladungen und unveränderlicher Felder. Dabei findet er eine Differenz zwischen erwarteter und errechneter Energie – kein Wunder, wenn man die falsche Theorie verwendet. Für Turtur ist das aber der Beweis für die gesuchte Vakuumenergie. Anschließend treibt er fast identischen Unfug mir der Relativitätstheorie: Er berechnet, wie sich ein unveränderliches elektrisches Feld mit Lichtgeschwindigkeit im Raum ausbreitet. Ein unveränderliches Feld breitet sich aber nicht aus – es ist die ganze Zeit da, weil eben unveränderlich. Ausbreiten könnte sich nur eine Veränderung des Feldes – dafür ist dann aber mal wieder die Elektrostatik der falsche Ansatz.

Könnte einem auffallen, wenn man Professor in der Elektrotechnik ist…

Natürlich behauptet Professor Turtur auch noch, einen experimentellen Nachweis für seine Energieerzeugung gefunden zu haben. Dabei soll sich ein auf Öl schwimmender Rotor von wenigen Gramm Masse unter dem Einfluss einer Hochspannung von fast 30.000 Volt in einer Stunde ungefähr einmal um die eigene Achse gedreht haben. Turturs Versuchsanordnungen aus Materialien wie Streichhölzern, Aluminiumfolie und aus Baukästen für Kinder wirken allerdings wie Vorrichtungen zur Maximierung von Messfehlern, so dass man aus dem am Ende resultierenden kleinen Differenzen von großen Zahlen absolut nichts herauslesen kann.

Zu diesem Ergebnis kamen auch zwei Turtur eigentlich eher zugetane Bastler aus Österreich beim Versuch, seine Ergebnisse zu reproduzieren.

Das sollte dann auch eigentlich der Punkt sein, wo man Turturs Phantastereien endgültig zu den Akten legen sollte. Und tatsächlich schreibt er auf seiner Website, genau das hätte er wenigstens vorläufig getan:

Bedauerlicherweise hält ihn das nicht davon ab, sich in seiner online verfügbaren Präsentation als Opfer hinzustellen, zu behaupten, die Physik hätte Angst vor der Raumenergie und seine Wundertechnologie werde im Auftrag der Energiewirtschaft unterdrückt.

Irgendwie kann er einem tatsächlich leid tun.

Quanten- und schlimmerer Quark (das gab es mal) im Shop des Deutschen Museums

Update:

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Das war eine schnelle und richtige Reaktion vom Deutschen Museum. Respekt! Und auch die Shop-Betreiber haben nicht nur zugesagt, sondern auch gehandelt:

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Sicherlich ein gutes Vorbild für andere Händler, bei denen der eine oder andere Leser vielleicht die gleichen Produkte als „Lernspielzeug“ findet.

„Das Deutsche Museum mit seinen Zweigmuseen ist ein herausragender Ort für die Vermittlung von naturwissenschaftlich-technischer Bildung und für einen konstruktiven Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.“ So heißt es auf der Homepage dieser altehrwürdigen Einrichtung. Wer diesen herausragenden Ort der Bildung besucht hat und entsprechend beeindruckt war, möchte sich oder dem werten Nachwuchs möglicherweise etwas zur Bildung und Erbauung mitbringen und sucht den Souvenirshop des Museums auf – oder eben später dessen offiziellen Onlineshop. Wie könnte der Nachwuchs besser zu naturwissenschaftlich-technischer Bildung gelangen als mit einem Experimentierkasten. Und weil sich im Deutschen Museum ja so viel um Energie dreht und Energietechnik ja auch ein wichtiger Aspekt für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist, landet man dann schnell bei diesem Experimentierkasten hier:

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Wenn man in Physik gut aufgepasst hat, könnte einem hier etwas seltsam vorkommen: Es handelt sich ja erkennbar um einen Elektronik-Experimentierkasten, aber „freie Energie“, so wie die seriöse Physik den Begriff versteht, kommt aus der Thermodynamik.

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle eine verständliche, anschauliche Erklärung verlinken, was freie Energie in der Thermodynamik eigentlich bedeutet. Das Dumme ist, ich finde tatsächlich keine, also versuche ich mich als kurzen Einschub schnell selbst daran: Freie Energie ist die Energie, die man einem System zuführen oder entnehmen kann, wenn sich die Temperatur im System dabei nicht ändert. Dummerweise ändert sich die Temperatur meistens, wenn man einem System Energie zuführt oder entnimmt (wenn man zum Beispiel ein Gas zusammenpresst, wird es heiß, und die Erwärmung führt zu einem verstärkten Gegendruck), so dass Prozesse, in denen die freie Energie eine Rolle spielt, meistens sehr langsam ablaufen – dann kann ein Temperaturausgleich mit der Umgebung erfolgen. Kurzfristig ist die freie Energie sozusagen gerade nicht frei. Im Alltag spielt die innere Energie (Energiezufuhr ohne Wärmeausgleich mit der Umgebung) meist eine wichtigere Rolle als die freie Energie. Den Unterschied kann man sich hier ganz gut visualisieren, wobei die farbige Fläche ein kompressibles Medium, also zum Beispiel ein Gas, in einem Zylinder darstellt:

FreieEnergie

Genau um diese freie Energie geht es in dem Experimentierkasten im deutschen Museum aber nicht. Soweit der Beschreibung auf der Seite und beim Hersteller Franzis zu entnehmen ist, handelt es sich um einfache Elektronikexperimente wie Batterien aus Alltagsmaterialien oder Spielereien mit elektrostatischer Aufladung. Gegen einen Kasten mit solchen Experimenten ist im Prinzip natürlich überhaupt nichts einzuwenden. Entscheidend ist, welche physikalischen Vorstellungen damit vermittelt werden, und da liegt der Hase im Pfeffer. Die „freie Energie“, die der Name des Experimentierkastens ankündigt, ist nämlich ein Begriff aus der Esoterik – die Pauschalerklärung dafür, warum manche Bastler behaupten, ihr Perpetuum mobile funktioniere doch, obwohl den meisten Leuten heutzutage klar ist, dass ein Perpetuum mobile eben nicht funktioniert. Freie Energie ist die fiktive Energiequelle für alle Maschinen, die angeblich Energie aus nichts erzeugen sollen. Alternativ werden auch andere physikalische Begriffe dafür verbogen oder zweckentfremdet und man spricht von „Raumenergie“, „Vakuumenergie“ oder „Nullpunktenergie“. Der Unsinn bleibt immer der gleiche, auch wenn die Szene sich gerne im Umfeld der erneuerbaren Energieträger einschleichen will. Die wichtigsten Akteure in Deutschland sind Klaus Volkamer und Claus Turtur. Die meisten dieser Maschinen wandeln einfach so lange Energie von einer Energieform in die nächste um, bis man völlig den Überblick verloren hat, wo überall Energie zugeführt wurde und wieviel davon am Ende übrig bleibt. Realistisch betrachtet sind das alles Maschinen zur Umwandlung von nutzbarer Energie, zum Beispiel Strom, in Abwärme.

Der pseudowissenschaftliche Hintergrund des Experimentierkastens erschließt sich von außen bedauerlicherweise allenfalls im Kleingedruckten. So findet sich in der Beschreibung folgender Text: „Forscher sprechen von riesigen, bisher ungenutzten freien Energiequellen. Doch ihre Existenz wird von der Schulphysik verneint.“ Und genau diese von der Schulphysik verneinte freie Energie soll der mit dem Mitbringsel aus dem Deutschen Museum beschenkte Enkel oder die Enkelin dann „entdecken, nutzen damit experimentieren.“ Zu den außen angekündigten Experimenten gehört unter anderem ein „Spannungsoszillator nach Bedini“. Der Namensgeber ist John Bedini, einer der Gurus der amerikanischen Freie-Energie-Szene.  Bei Amazon kann man erfreulicherweise nachrecherchieren, dass der Entwickler des Experimentierkastens Peter Lay auch Autor eines Buches zu freier Energie ist. In dem Buch geht es neben Energie aus nichts auch um angebliche kalte Kernfusion, um das eingebildete „Brummton-Phänomen“, das wohl am ehesten der Massenpsychologie zuzuordnen ist, und um erfundene Wirkungen elektromagnetischer Wellen auf das Pflanzenwachstum. Außerdem hat er ein Buch darüber geschrieben, dass man mit Überlichtgeschwindigkeit kommunizieren könne und eines zur Kirlian- oder Auraphotographie, über deren absurde Anwendungen in der Scharlatanerie sich der Leser dann „für die eine oder andere Seite entscheiden“ soll.

Vom gleichen Autor und auch aus dem Franzis-Verlag, der den Experimentierkasten herstellt, gibt es auch noch ein Buch über Experimente zur freien Energie (in Auszügen hier herunterzuladen). Es enthält ein wüstes Sammelsurium aus technischen Spielereien wie der Lichtmühle, nicht funktionierender Technik wie der kalten Fusion und esoterischem Unsinn wie dem Orgonakkumulator, dem im Buch unter „Kurioses“ immerhin drei Seiten gewidmet sind. Selbst zu echter erneuerbarer Energie wie der Windkraft enthält das Buch Absurdes: Statt eines Windrades sollte man Segel an Piezokristallen anbringen, also an Materialien, in denen bei Verformung eine elektrische Spannung auftritt. Das Problem dabei erkennt der Autor offenbar selbst, erwähnt es aber nur ganz kurz am Ende des Abschnitts: Man hätte damit eine Windkraftanlage gebaut, die bei gleichbleibendem Wind überhaupt keine Energie gewinnt, sondern nur Schwankungen des Winddrucks nutzen könnte…

Nun könnte es natürlich theoretisch sein, dass der gleiche Autor und der gleiche Verlag beim Experimentierkasten im Shop des Deutschen Museums plötzlich seriös geworden sind. Auf Amazon beschwert sich immerhin ein Rezensent, mit dem Paket könne man ja gar keine freie Energie erzeugen. Auf einen Testkauf des absurden Pakets habe ich aber verzichtet. Dafür gibt es im Shop des Deutschen Museums noch einen zweiten Experimentierkasten, auch zu freier Energie und auch von Franzis:

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Über dieses „Lernpaket“ finden sich auführlichere Informationen auf Youtube. Die Videoblogger von MG Productions haben es mal zerlegt, unter dem Namen „Prof. Quax“, in einem in der Form wenig professoralen und recht eigenwilligen aber inhaltlich sehr aufschlussreichen Filmchen. Neben ein paar ziemlich banalen Elektronikbauteilen fanden sie ein Heft unter anderem mit Anleitungen für „Paramedizinische Messung am Computer“, für einen „Kaltfusionsreaktor“ und einen „Schaltplan zur Wasserelektrolyse“. Die Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff ist eine beliebte Spielerei in der Freie-Energie-Szene. Dummerweise verbraucht sie nicht nur viel mehr Strom, als man aus der Verbrennung der Endprodukte zurückgewinnen kann, sondern die bei unprofessionellen Anordnungen entstehende Mischung aus Sauerstoff und Wasserstoff ist auch hochexplosiv.

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Im Video heißt es, das „Lernpaket“ sei vom Kopp-Verlag. Der Hersteller ist natürlich Franzis, aber in der Tat – verkauft werden die Franzis-Experimentierkästen zu freier Energie, „Tesla-Energie“ und Stirlingmotoren nicht nur im Deutschen Museum, sondern auch von den Verlag-gewordenen Gralshütern rechtsesoterischer Verschwörungstheorien. Natürlich kann ein Autor oder Spieleentwickler kaum verhindern, dass ein Onlinehändler einen in seinen Shop nimmt (man kann dort sogar die Dissertation des Verschwörungstheorie-Kritikers und erklärten Kopp-Gegners Sebastian Bartoschek bestellen), aber die Aufmachung der Sets passt doch zu genau in den Themenschwerpunkt Energie-Verschwörungstheorien bei Kopp, und in die Kaufempfehlungen der völkisch-okkultistischen „Thule-Gesellschaft“ muss man es auch erst mal schaffen. Der „herausragende Ort für die Vermittlung von naturwissenschaftlich-technischer Bildung“ bewegt sich also in erlesenster Gesellschaft.

Und das ist noch nicht alles. Ebenfalls von Franzis findet sich im Shop des Deutschen Museums auch noch das Paket „Elektrosmogdetektor selbst bauen“, komplett mit der platten Erklärung: „Zu viel Elektrosmog schadet der Gesundheit.“ Das ist sachlich nicht falsch. Wenn man mit dem Begriff Elektrosmog zum Beispiel Mikrowellenstrahlung wie beim Mobilfunk meint, dann wäre zu viel genau dann erreicht, wenn durch Überhitzung des Körpers Verbrennungen auftreten. Davon ist man bei dem, was landläufig als Elektrosmog bezeichnet wird oder was man mit dem im Museumsshop verhökerten Feldmessgerät nachweisen kann, aber seeeeehr weit entfernt. Die maximale Sendeleistung irgendeines heute noch gebräuchlichen Handys (das wäre ein D-Netz-Gerät bei GSM-Empfang) liegt bei 2 Watt, typische durchschnittliche Sendeleistungen beim Telephonieren bei 0,2 Watt. Davon geht mehr als die Hälfte am Körper vorbei. Um mit 0,1 Watt das nächstgelegene Kilogramm Körper (oder vielmehr Kopf) auch nur um 1 Grad zu erwärmen, bräuchte man rund eine Kilokalorie, also gut vier Kilojoule und damit die Sendeleistung von über 11 Stunden. Selbst bei voller Sendeleistung (weil man sich zum Beispiel in einem mit viel Metall umschlossenen Raum befindet, in dem das Gerät gerade noch Kontakt zur Sendestation bekommt oder den Empfang seines Handys mit irgendwelchen esoterischen Gadgets abgeschirmt hat) bräuchte man dafür immer noch über eine Stunde. In dieser Zeit hätte der Blutkreislauf diese Wärme aber im Rest des Körpers verteilt und über die Haut abgegeben. Durch das Anfassen eines vom Batteriebetrieb erwärmten Smartphones nimmt man wahrscheinlich mehr Wärme auf als über dessen Sendeleistung.

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Letztlich ist es beim Elektrosmogbaukasten wie bei der freien Energie: Das Problem ist nicht die enthaltene Technik, sondern die Interpretation der Ergebnisse, und die entlarvt sich schon in der Wortwahl des Titels. Wer elektromagnetische Wellen als Elektrosmog bezeichnet, verbreitet damit irrationale Ängste. Wer Elektronikspielereien als Experimente zur Freien Energie bezeichnet, erweckt irrationale Hoffnungen auf Energie aus nichts. Wer beides in Produkten für Kinder und Jugendliche tut, handelt im besten Fall verantwortungslos.

Da es in diesem Blog ja schwerpunktmäßig um denjenigen physikalischen Unsinn geht, der mit Quantenmechanik und Relativitätstheorie zu tun hat, stellt sich natürlich die Frage, findet sich im Shop des Deutschen Museums auch echter Quantenquark? Das wäre schon etwas erschreckend. Schließlich ist Museums-Generaldirektor Wolfgang Heckl nicht nur ein großer Freund des Reparierens und politisch korrekter Bekämpfer der Wegwerfgesellschaft, sondern war an der LMU Professor für Experimentalphysik und ausgewiesener Experte für Nanotechnologie, der das kleinste Loch der Welt erzeugt haben soll. Da geht es nicht ohne ausgiebige Beschäftigung mit Quantenmechanik, und man würde auf Bücher zu diesen Themen vielleicht einen kritischeren Blick erwarten als auf Elektronik-Experimentierkästen. Tatsächlich macht die Buchauswahl zum Thema Physik einen insgesamt soliden Eindruck. In der Kurzbeschreibung von Brigitte Röthleins Schrödingers Katze findet sich zwar die unsägliche Behauptung: „Kaum eine Theorie ist so umstritten wie die Quantentheorie, die selbst Einstein mit vehement ablehnte,“ aber das Buch selbst erscheint beim stichprobenhaften Hineinlesen weitaus seriöser, als der Kurztext vermuten lässt.

Quantenquark, wenngleich von der eher subtilen Sorte, findet sich unter den ausgewählten 32 Physikbüchern im Shop dann aber doch, und auch der hat mit Erwin Schrödingers unglücklich gewähltem Versuchstier zu tun. (Schrödingers Laborratte hätte als Gedankenexperiment die Menschen wahrscheinlich weitaus weniger umgetrieben, es wäre weniger Unsinn darüber zusammenspekuliert worden, und Stephen Hawking hätte sich seine Gewaltphantasien sparen können.) Auch im Shop des Deutschen Museums ist nämlich der alte Bekannte John Gribbin (aus meinem Nobelpreisträger-Artikel) auf der Suche nach Schrödingers Katze. Gribbin versteht es grandios, einerseits physikalische Einzelheiten ordentlich und sogar recht verständlich zu erklären, andererseits die Schlussfolgerungen so blumig und übertrieben zu formulieren, dass er seinen Lesern die absonderlichsten Flausen in den Kopf setzt. So folgert er schon im Prolog seines Katzenbuches aus der quantenmechanischen Unbestimmtheit des Ortes klassischer Teilchen, eine Realität gäbe es nach der Quantenmechanik nicht. Anscheinend darf Realität für Herrn Gribbin nur aus festen Gegenständen bestehen – ein höchst bedauerliches Weltbild für jemanden, der seinen Lesern moderne Physik nahebringen möchte. Kurz gesagt, kein Buch für den Giftschrank, aber es wäre ganz sicher nicht auf meiner Liste der ersten 32 Bücher, die ich zum Thema Physik anbieten würde.

Natürlich gibt es diese Produkte nicht nur im Shop des Deutschen Museums, aber wer solche Bücher und „Lernpakete“ verkauft, übernimmt damit eine Verantwortung und verbindet seinen eigenen Leumund mit dem seiner Produkte. Das gilt vor allem, wenn man erkennbar ein überschaubares Sortiment ausgewählter Angebote vermarktet. Deswegen ist es auch ein Unterschied, ob man solche Produkte beim Kopp Verlag, bei Amazon oder beim Deutschen Museum bestellen kann. Natürlich finde ich es auch ärgerlich, wenn man das Verdummungssortiment von Franzis in normalen Spielwaren- oder Elektronikgeschäften findet, wie zum Beispiel hier im Herbst 2015 bei Conrad Electronic in Frankfurt. Aber dort gehen diese Angebote irgendwo in einem wesentlich größeren Gesamtsortiment von allem Möglichem unter, und Conrad Electronic behauptet auch nicht, „ein herausragender Ort für die Vermittlung von naturwissenschaftlich-technischer Bildung“ zu sein. Hoffe ich jedenfalls.

Conrad