Talken (und Musik hören) in der Krise

In der Coronakrise ist es um diesen Blog ja wieder etwas ruhiger geworden, was zum einen an meinem laufenden Buchprojekt liegt, zum anderen daran, dass ich zwar „Soloselbstständiger“, aber zum Glück durch die aktuellen Einschränkungen nicht arbeitslos geworden bin. Andere haben es da momentan weitaus schwieriger, und das sind nicht nur Musiker, Schauspieler und andere künstlerische Berufe. Betroffene Selbstständige sind zum Beispiel aus meinem Beraterumfeld alle, die primär von Coaching, Training, Vorträgen oder Veranstaltungsmanagement leben. Und, ja, im vergangenen Jahr gab es tatsächlich auch immer wieder Veranstalter, die bereit waren, für einen Vortrag über Quantenquark oder Verschwörungsmythen zu bezahlen. Diese Veranstaltungen sind in diesem Jahr erst mal alle abgesagt oder mehr oder weniger unbestimmt verschoben, was sicher richtig ist, aber auch ärgerlich, weil ich ganz abgesehen von der Bezahlung einfach auch gerne vor Publikum erzähle und nicht immer nur in einen Rechner tippen möchte. In der Summe muss ich aber sagen, solange mein Hauptberuf noch läuft, habe ich sicher keinen Grund, mich zu beschweren.

Sollte hier übrigens in letzter Zeit jemand ein bisschen den ursprünglichen Quantenquark vermisst haben –  in den kommenden Tagen sollte auf Welt online ein Artikel über Bioresonanztherapie erscheinen, zu dem ich meinen Senf dazugeben durfte. Falls der Redakteur meine Zitate so verwendet, wie ich hoffe, könnt Ihr da erfahren, was Bioresonanztherapie mit Fußwippen vor der Disco zu tun hat.

Ein Nebeneffekt der Krise ist, dass plötzlich ein paar unheimlich gute Leute, die normalerweise abends auf irgendwelchen Bühnen stehen, nichts besseres zu tun haben, als sich per Videochat mit mir zu unterhalten. Wenn dann auch noch die richtigen Technikleute dazukommen, wie zum Beispiel André Reitz von CB-Akustik Wetzlar, der eigentlich auch Veranstaltungen macht, dann kommen dabei Livestreams mit tollen neuen Talkformaten heraus, an denen ich viel Freude habe, auch wenn ich den Beteiligten doch eher Events mit Publikum im Saal gönnen würde.

Den Anfang gemacht hat am 26.3. Frank Mignon, mit der ersten Folge seines wöchentlichen „frank & frei bewegt“, das man über Facebook oder Youtube verfolgen kann. Bei dem Format wechseln sich längere Videointerviews ab mit Livemusik von Frank und seiner Bühnenpartnerin Anita Vidovic. Die Musik ist so, dass auch die ältere Generation nicht abschaltet, aber Anitas Stimme kann man finde ich auch dann mit Freude zuhören, wenn man die meisten Stücke noch als Kindheitserinnerungen kennt. Die Livestream-Reihe ist als Spin-Off von Franks gleichnamiger Kolumne in der Wetzlarer Lokalpresse angelegt, so dass Mittelhessen bei den Interviewpartnern durchaus überwiegt. Die Themen sind aber durchweg von überregionalem Interesse.

Mit mir hat sich Frank vor allem über Corona-Verschwörungsmythen unterhalten, und bemerkenswerterweise fällt mir nach vier Wochen noch nichts in dem Interview auf, was schon vollkommen überholt wäre. Dass Frank mich als „großartigen Wissenschaftler“ ankündigt (ich bin seit fast 20 Jahren kein Wissenschaftler mehr, und ich habe mich in der Physik immer als ziemlich durchschnittlich erlebt), möge man ihm nachsehen…

Die aktuelle Folge, an der ich nicht beteiligt war, ist übrigens weitaus weniger regional besetzt.

Ein völlig anderes Format mit mir kam dann in dieser Woche: Das „Ferngespräch“ von Tommy Krappweis sind satte eineinhalb Stunden geballter Talk – auch alles per Videochat, und, nein, mit Tommy sind auch eineinhalb Stunden alles andere als langweilig. Was will man auch mit jemandem Erwarten, in dessen Wikipedia-Artikel im ersten Satz steht: „ist ein deutscher Autor, Komiker, Regisseur, Produzent, Stuntman und Musiker“. Seine Gesprächspartner waren im „Ferngespräch“ auch schon Wigald Boning und Bernhard Hoëcker, aber zu skeptisch-wissenschaftlichen Themen bestand die Besetzung bisher neben Tommy aus den Hoaxillas Alexa und Alexander Waschkau, Kriminalpsychologin Lydia Benecke und GWUP-Multikanalkommunikator Bernd Harder. Am 21.4. durfte ich Lydias Platz übernehmen, und am 28.4. will Tommy uns irgendwie zu fünft auf den Schirm quetschen. Dann geht es um den aus den USA stammenden, aber gerade im Umfeld deutscher Reichsbürger immer populärer werdenden QAnon- Verschwörungsmythos.

Am 21. haben wir dagegen über die bizarre Vorstellung gesprochen, die aktuelle Covid-19-Pandemie hätte etwas mit 5G-Mobilfunk zu tun. Tommys Grundidee für die Talkrunde war wohl, dass ich etwas zur technischen Seite sagen könnte, Bernd zu Mobilfunkgeschwurbel der letzten 20 Jahre und die Hoaxillas zu den historischen und psychologischen Hintergründen, aber es war natürlich vorauszusehen, dass sich daran nach 10 Minuten keiner von uns mehr halten würde. Wer jetzt noch wissen möchte, was das ganze mit Pornos zu tun hat, der muss sich eben das Video ansehen.

Anzusehen sind die Ferngespräche jeweils live und später als Aufzeichnung unter dem Kanal WildMics auf twitch.tv, das für mich neu war und vom Look and Feel ziemlich an Youtube erinnert, mit dem Unterschied, dass man neben dem Livestream ein (in diesem Fall auch sehr aktiv genutztes) großes Chatfenster für die Zuschauer hat. Dafür sehe ich keine Kommentarfunktion, wie man sie von Youtube kennt. Die wird aber auf Youtube meiner Erfahrung nach hauptsächlich dafür genutzt, dass Leute, die sich die ersten fünf Minuten eines zwei Jahre alten Videos angesehen haben, dort ihre Hasskommentare absondern. Für mich persönlich muss ich sagen, während ich in Facebook eigentlich keiner Diskussion ausweiche, weigere ich mich strikt, auf die ganz überwiegend unterirdischen Youtube-Kommentare zu reagieren.

Für die coole Musik, die Tommy Krappweis eben auch macht, war in dem Format natürlich kein Platz, also reiche ich sie bei der Gelegenheit gleich mal nach. Aus skeptischer Sicht fallen mir da natürlich vor allem zwei Stücke ein, die Tommy über die Jahre gemacht hat und die man ganz gut mal in einer Onlinediskussion verlinken kann, die man… sagen wir, nicht weiterführen möchte. Da wäre zum Beispiel sein wunderbarer Dunning-Kruger-Blues:

Sollte man es nun aber mit jemandem zu tun haben, bei dem das nicht hilft, weil er zum Beispiel keine Ahnung hat, was der Dunning-Kruger-Effekt ist… naja, dann hilft eben nur noch eins:

Für die Freunde der eher elektronischen Klänge (da habe ich mich hier ja auch schon mal geoutet) ist mir vor ein paar Tagen noch etwas zum Thema in meine Inbox geflattert:

In einem kleinen Making-of dazu betreiben Manuel Volk und seine Conerdy-Partnerin auch gleich noch etwas geschicktes Product Placement (ich hab davon nix gewusst und kannte die beiden auch gar nicht, ich schwör’s):

So, und ganz zum Schluss, und um das Wirrwarr von Musikrichtungen perfekt zu machen, habe ich dann noch ein Musikvideo, das nur ganz am Rande (oder vielleicht doch nicht ganz so am Rande…) mit meinen Themen zu tun hat und eine Art von politischer Agitation ist, für die dieser Blog eigentlich überhaupt nicht gedacht ist. Aber… naja, ich finde es einfach nur treffend und saulustig, und die Musik (in der Version der Tokens natürlich) fand ich schon als kleines Kind gut. In diesem Sinne, auf die Raging Grannies of Mendocino…

Karl, mei‘ Trobbe – aber bitte nicht die von Karl Probst

„Karl, mei Trobbe!“ Als Skeptiker muss ich natürlich darauf aufmerksam machen, dass es höchst umstritten ist, ob Mama Hesselbach ihren berühmten Stoßseufzer jemals wirklich gesagt hat. Dass die Familie Hesselbach mir bis heute ein Begriff ist, obwohl die HR-Fernsehserie schon in meiner frühen Kindheit nur noch als Wiederholung lief, mag damit zu tun haben, dass auch mein Großvater eine kleine Firma hatte und von ihm in unserem Haus eigentlich immer nur als „der Chef“ gesprochen wurde. Der Ruf nach den Herztropfen ist aber nicht nur mir im Gedächtnis geblieben, sondern rund um Frankfurt 50 Jahre nach dem Ende der Serie immer noch ein geflügeltes Wort.

Karl, mei Trobbe. Das war auch so ziemlich das erste, was mir durch den Kopf ging, als ich anfing, mich mit den Behauptungen von Dr. med. Karl J. Probst zu beschäftigen. Nötig wurde das beim Versuch, dem Bürgermeister von Bergheim begreiflich zu machen, dass es keine gute Idee ist, die städtische Kongresshalle für einen Esoterikkongress mit vielfältigen Reichsbürger-Verbindungen zu vermieten. Karl Probst ist sicherlich einer der bizarrsten unter den Referenten, die für den Akasha-Congress angekündigt sind, wobei es mir fern liegt, eine Rangliste der Skurrilität innerhalb dieses Gruselkabinetts zu erstellen. Der Grund, warum er Jahre nach seiner Emigration nach Bolivien wieder auf Kongressen in Deutschland auftaucht, ist offenbar, dass er, wie er in einem Video, das uns hier noch beschäftigen soll, erklärt, eine Privatklinik in der Nähe von Dresden plant. Aktuell findet man ihn im Netz jedoch als Inhaber eines „Wellness-Energie-Zentrums“ in Trier.

Über Probsts politische Aktivitäten am rechten Rand habe ich schon im letzten Artikel geschrieben – das soll uns hier nicht noch einmal beschäftigen. Vielmehr möchte ich ein paar seiner Behauptungen ganz gezielt naturwissenschaftlich hinterfragen – vor allem solche, die auch sonst immer mal an den Rändern der Alternativmedizinszene auftauchen. Quantenquark im engeren Sinne ist nicht dabei: Ich habe den Eindruck, für eine Wiedergabe von Inhalten der Quantenphysik oder Relativitätstheorie, selbst in absurden Fehlinterpretationen, fehlt Probst schlicht das naturwissenschaftliche Verständnis.

Einen grundlegenden Überblick über die Inhalte, die Probst in letzter Zeit so verbreitet, hat die Kölner Skeptikerin Monika Kreusel für einen Artikel zusammengetragen, der bislang nur auf Facebook veröffentlicht ist und von dem ich hier als Einleitung zu Probst einige Passagen (natürlich mit ihrer Zustimmung) übernehmen möchte:

Am Wochenende nahm ich mir die Internetseite und einen Artikel über Biofilme vor, in welchem Dr. Karl J. Probst explizit neben Schwefel zur Darmsanierung Petroleum und Leichtbenzin empfiehlt. Ich habe also das Wochenende damit verbracht, mich über Biofilme zu informieren, deren tatsächliche mögliche Gefahren für die Gesundheit und die von diesem Naturheilarzt empfohlenen Behandlungsmethoden. Aber auch darüber hinaus habe ich recherchiert. Ich sah mich veranlasst dazu durch das auf seiner Internetseite eingefügte Video seines Interviews bei Jo Conrad, desweiteren wegen des Verweises auf Helmut Wandmaker und auch wegen einzelner Formulierungen in seinem Artikel über Biofilme in der von Helmut Wandmaker gegründeten Zeitschrift. Mal abgesehen von den Schreckensszenarien, die er zeichntet darin, so fragte ich mich, wessen Geistes Kind dieser Arzt eigentlich ist.

Bei dem Video handelt es sich um die folgende 50-minütige Interviewsendung des Reichsbürger-Aktivisten Jo Conrad mit Probst auf Conrads rechtsesoterischem Videoportal Bewusst.tv:

Wer viel Zeit und eine hohe Schmerztoleranz hat, kann sich das ansehen. Es ist… ach, man weiß nie, ob man lachen oder weinen, sich aufregen oder einfach resignieren sollte.

Nun will ich an dieser Stelle direkt zurück zu Dr. med. Karl Probst und dessen Vorstellungen zur Behandlung chronischer Krankheiten, wobei er wesentlich auch auf Darmsanierung und Entgiftung setzt. Bei der Darmsanierung empfiehlt er Schwefel, wobei er Paracelsus einen Pionier nennt. Das macht für mich deutlich, dass dieser Naturheilarzt, wie er sich selbst bezeichnet, gerne ungeachtet moderner evidenzbasierter Medizin auf alte Heilmethoden zurückgreift. Auch vor Paracelsus macht er dabei nicht halt.

Paracelsus wurde 1493 oder 1494 als Theophrastus Bombast von Hohenheim in Egg im Kanton Schwyz geboren und starb am 24.09.1541 in Salzburg. Seit 1529 nannte er sich Paracelsus. Zu seiner Zeit gab es unsere moderne Medizin nicht. Eigentlich ist es überflüssig, das ausdrücklich zu erwähnen.

Es befremdet mich daher, das heute in der Gegenwart ein Arzt auf Darmsanierung zur Behandlung von Krankheiten setzt, dabei Paracelsus als Pionier bezeichnet, während er den Gebrauch von Schwefel empfiehlt und das ganze im Kontext von Biofilmen. Paracelsus war zu seiner Zeit gewiss weit entfernt von Kenntnissen über Biofilme und wie mit ihnen umzugehen sei bei der Behandlung von Krankheiten.

Das ist allerdings nicht die einzige fragwürdige Therapie, für die Probst wirbt:

Zum letzteren wären die genannten fragwürdigen vermeintlich natürlichen Heilmethoden zu nennen. So lobt er Jim Humble für die als Mineral Miracle Supplement (MMS) bezeichnete bei Einnahme gefährliche Chemikalie Chlordioxid als „Therapie von Krankheiten aller Art“ und begründet dies mit der „antimikrobiellen Wirksamkeit“. Dieser Arzt erklärt allen Ernstes, diese ätzende und keinesfalls zur Einnahme geeignete und schon gar nicht als Arzneimittel zugelassene Chlorbleiche sei, ich wiederhole es, eine Therapie von Krankheiten aller Art. Dabei spricht er auch selbst das Verbot von MMS in Europa und in den USA an, nicht etwa zum Schutz vor Vergiftungen und Verätzungen, sondern als Hilfe für die Medizinindustrie, wie er meint. Das sah das Landgericht Hildesheim im vergangenen Herbst anders, als es jemanden wegen des Verkaufs von MMS zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte.

Eine weitere Methode, die sehr wohl unter Umständen, bei Arteriosklerose nämlich, gefährlich werden kann, ist die Chelat-Therapie, von der er behauptet, diese habe sich seit Jahrzehnten bewährt im naturheilkundlichen Bereich „bei allen Arten chronischer und invalidisierender Erkrankungen“. Da sind wir eindeutig bei der Pseudomedizin. Es gibt eine einzige wirkliche medizinische Indikation für eine Chelat-Therapie mit EDTA und zwar eine schwere (!) nachgewiesene Vergiftung durch Schwermetalle.

Eine solche Behandlung ist aufwendig, langwierig und teuer. Das weiß auch Dr. med. Karl J. Probst, womit ich dann gleich auch zum Petroleum komme.

„Allerdings benötigt die Chelattherapie therapeutische Begleitung durch einen Arzt oder Heilpraktiker und ist zudem sehr teuer. Deshalb sollen nachstehend einige weitere höchst wirksame Therapien angegeben werden, die jedermann zu Hause allein durchführen kann ohne auf Therapeuten irgendwelcher Art angewiesen zu sein. Es ist sozusagen die Hohe Schule der Befreiung vom gesamten Medizinsystem. “

[…]

„Allerdings wirken die Erdölprodukte wie Petroleum oder Leichtbenzin noch schneller als Schwefel, vermutlich durch die direkte Zerstörung der Biofilme der Mikroorganismen, und können daher als Panazee, also als Universalheilmittel, bei Erkrankungen aller Art wirksam sein.“

Nun habe ich aber genug zitiert und möchte auf ein paar der von Probst propagierten Ideen etwas genauer eingehen. Dass er gleich von mehreren Therapien behauptet, sie seien zur Behandlung buchstäblich aller Krankheiten geeignet, ist für jemanden, der Medizin studiert haben soll, natürlich schon haarsträubend genug, aber ein paar Punkte aus seiner Gedankenwelt lohnen schon einen genaueren Blick. Dazu hangele ich mich der Einfachheit halber (mit Zeitmarken) an seinem Interview mit unserem alten, äh… Freund Jo Conrad entlang:

  • Die berühmte Übersäuerung: (5:00) „pH-Wert von 0 bis 7 ist sauer, das ist eben nicht gesund, da kann Krankheit überhaupt sich ansiedeln. pH-Werte von 7 bis 14 sind alkalisch, und das hat sich inzwischen selbst in der Schulmedizin herumgesprochen, dass der pH-Wert des Körpers von Bedeutung für die Gesundheit ist.“ Wer, wie offenbar Herr Probst, Zweifel daran hat, dass ein zu hoher pH-Wert für den Körper genauso schädlich ist wie ein zu niedriger, möge sich bitte vor Augen führen, was Abflussreiniger – pH-Wert 14 – aus den im Küchenabfluss steckengebliebenen Lebensmittelresten macht. Ansonsten regelt unser Stoffwechsel den pH-Wert praktisch überall im Körper mit hoher Genauigkeit selbst. Das ist auch notwendig, weil eben viele chemische Reaktionen nur im richtigen pH-Bereich in der notwendigen Form und Geschwindigkeit ablaufen. Das tut der Körper sehr effektiv. Nahrung zum Beispiel wird bei der Verdauung zunächst durch die Magensäure auf pH-Werte um 2 gebracht, dann neutralisiert und hat dann im Darm einen basischen pH-Wert von ungefähr 8. Kurzfristige Schwankungen sind zum Beispiel in Muskeln möglich, wenn bei starker Beanspruchung zu wenig Sauerstoff im Muskel ankommt und die Muskelfasern als kleine Energiereserve eine chemische Reaktion nutzen, bei der Milchsäure produziert wird. Das spürt man als brennenden Muskelschmerz bei Überlastung (nicht etwa später als Muskelkater – der hat offenbar mit der Milchsäure nichts zu tun). Dagegen hilft: Belastung reduzieren, Atmen. Sobald genügend Sauerstoff vorhanden ist, wird die Milchsäure langsam wieder abgebaut. Deutlich schlimmer ist es, wenn der Säuregehalt im Blut nicht mehr richtig geregelt werden kann. Eine solche metabolische Azidose tritt als Folge schwerer Erkrankungen (unbehandelter Diabetes, Nierenversagen, akute Vergiftungen, extremer Durchfall) auf und ist ohne sofortige Behandlung lebensbedrohlich.
    Die zur Zeit allgegenwärtige „Übersäuerung“ hingegen ist eine Modediagnose der Heilpraktikerszene. Pardon, „Diagnose“ sollte man in diesem Kontext unbedingt in Anführungszeichen setzen, denn mit einer einer Diagnose wie in der seriösen Medizin hat das nichts zu tun. „Die Symptome einer langsam entstandenen Übersäuerung sind vielfältig und nicht sehr spezifisch,“ ist dazu auf einschlägigen Seiten wie www.saeure-basen-ratgeber.de zu lesen. Vorsichtshalber wird dazu auch gleich angemerkt, dass eine tatsächliche Messung des pH-Werts im Blut durch den Arzt (aus den oben genannten Gründen) sehr wahrscheinlich keine Abweichung anzeigt. Stattdessen wird zum Führen eines Ernährungstagebuchs geraten, in dem Nahrungsmittel nach einer Tabelle in Säurebildner und Basenbildner eingeteilt werden – andere Seiten verwenden etwas offener gleich die bezeichnenden Begriffe Gut und Böse. Die entsprechenden Tabellen sind auch einigermaßen bizarr: Es fehlen nicht nur jegliche quantitativen Angaben (woher sollten die auch stammen?), auch die Zuordnung der Lebensmittel zur einen oder anderen Seite wirft Fragen auf. Was saurer Rhabarber oder Sauerampfer bei den „basischen“ Lebensmitteln zu suchen haben, kann man ja eventuell noch dadurch erklären, dass sie angeblich zu irgendwas Basischem verstoffwechselt werden, aber „Wilde Kräuter“??? Für die basenfastenden Heilpraktiker wirken offenbar alle Kräuter gleich. Kleiner Spoiler zu den Tabellen noch: Alles, was man für gewöhnlich gerne isst, ist natürlich böse. Schokolade ist nach der einen Tabelle selbstverständlich böse, nach der anderen zwar säurebildend, aber trotzdem gut – aber nur, wenn sie selbst hergestellt ist. Entstanden sein sollen die Tabellen durch die Messung des pH-Werts im Urin nach dem Verzehr der jeweiligen Lebensmittel. Da der Urin eben die Reststoffe abführt, die übrig bleiben, nachdem der Körper unter anderem seinen pH-Wert stabisiert hat, und da der Körper auch keinen Grund hat, den Säuregehalt dessen zu regeln, was er ohnehin ausscheidet, verwundert es nicht, dass der pH-Wert dort je nach Nahrung etwas schwanken kann. Um so unklarer ist aber, wozu es gut sein soll, ausgerechnet einen basischen Urin zu haben – leicht saurer Urin schützt nämlich vor Blasenentzündungen, weshalb man die, wenn sie häufiger auftreten, auch mit harnansäuernden Mitteln behandelt. Ein basischer Urin (allerdings auch ein extrem saurer) begünstigt auch die Bildung von Nierensteinen.
    [5.11.2019 Da der Artikel offenbar immer noch gerne gelesen wird, füge ich hier mal eine wunderschöne aktuelle Illustration zur Selbstregulierung des pH-Werts im Körper vom skeptischen Kiwi ein:]

    Probst hat für das nicht existierende Problem der Übersäuerung auch gleich eine Rosskur parat und empfiehlt (5:54) schlicht die Einnahme von Natron. Natron wurde früher gegen Sodbrennen verwendet. Es ist (ausnahmsweise tatsächlich) basisch und neutralisiert die Magensäure. Dabei enststeht allerdings Kohlendioxid, was nicht nur zu Blähungen führen, sondern auch das Sodbrennen verstärken kann. Außerdem kann Natron die Magenschleimhaut schädigen, weshalb man heute lieber Mittel verwendet, die die Bildung neuer Magensäure reduzieren.
  • Elektronen und das Redoxpotential: (ab 5:22) „Wir brauchen viele Elektronen, freie Elektronen in einem System, alle Stoffwechselvorgänge brauchen Elektronen.“ Probst erklärt hier, wir bräuchten für unsere Stoffwechselvorgänge Stoffe mit einem negativen Redoxpotential, die also in chemischen Reaktionen Elektronen abgeben oder, anders ausgedrückt, oxidiert werden können. Da hat er Recht. Oxidiert werden können in unserem Stoffwechsel vor allem Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße. Wenn man das pseudophysikalische Geschwafel weglässt, sagt Probst hier also folgendes: Damit unser Stoffwechsel funktioniert, brauchen wir Nahrung. Immerhin, das hat er verstanden.
    Dann (7:00) ist es mit der Nachvollziehbarkeit seiner Argumentation allerdings auch wieder vorbei. Um Elektronen aufzunehmen, empfiehlt er nämlich auch Barfußlaufen in feuchtem Gras oder am Strand. Die Erde sei nämlich ein großer Kugelkondensator, an desssen Oberfläche wir über die Fußsohlen Elektronen aufnehmen. Nein, Herr Probst: Der Erdboden ist, wie schon aus dem Begriff hervorgeht, geerdet. Die Luftionisatoren, die er gleich im Anschluss anpreist, sollen uns auch Elektronen zuführen, die den gleichen Zweck erfüllen sollen wie die, die wir mit der Nahrung zu uns nehmen. Nun mag es stimmen, dass negativ geladene Ionen, das man zum Beispiel einatmet, Elektronen abgeben. Das passiert allerdings nicht in Form einer Redox-Reaktion, sondern die Elektronen erzeugen schlicht eine statische Aufladung, und sobald man eine leitende Verbindung zum Erdboden hat, fließen sie dorthin ab. Der Sinn von Luftionisatoren ist einfach nur, Staubpartikel statisch aufzuladen, so dass sie sich schneller absetzen.
    Als nächstes (9:30) erklärt Probst dann, dass Zucker (natürlich) schädlich ist, und widerspricht damit genau seiner Argumentation von eben, denn Zucker kann der Körper sogar ganz hervorragend oxidieren.
  • Schwefel zur Darmsanierung (ab 10:27): Zu sogenannten Darmsanierungen kursiert im Moment mal wieder aller möglicher Unsinn. Probsts weitgehendes Alleinstellungsmerkmal dabei ist seine Schwefelkur. Zunächst mokiert sich Probst über Warnungen vor der Gefährlichkeit von Schwefel, und Interviewer Jo Conrad probiert dazu plakativ auch gleich eine Fingerspitze voll Schwefel direkt aus der Tüte.  (15:00) Dieser Schwefel tötet laut Probst gezielt genau die bösen Darmbakterien ab, die angeblich die Darmwand durchlöchern, so dass unverdaute Speisen ins Körperinnere gelangen können. Dieses sogenannte Leaky-Gut-Syndrom (löchriger Darm) ist eine derzeit häufig präsentierte Begründung für „Darmsanierungen“, wobei zu einer schlüssigen Diagnose ebenso wenig zu finden ist wie zu belastbaren Nachweisen, dass diese Krankheit überhaupt existiert. Mit dem angeblichen Leaky Gut sollen durch den Schwefel auch „alle anderen Beschwerden, bis hin zur multiplen Sklerose, auch Krebs“ sowie Rheuma und chronische Müdigkeit zurückgehen. Ein diagnostisches Mittel, um zu erkennen, wann man die Behandlung abgeschlossen hat, nennt Probst auch: „Solange es unanständig riecht, wissen Sie, da brauchen Sie gar keinen Doktor, keine Darmspiegelung, keine Stuhluntersuchung, nichts, da wissen Sie, o Weh, o Weh, da sind noch Bösewichter, die noch weg müssen.“ (13:50)
    Nun riechen aber bekanntermaßen menschliche Fäkalien und die in gleicher Richtung entweichenden Gase eigentlich immer unangenehm. Grund dafür sind vor allem die Schwefelatome, die in den Eiweißmolekülen unserer Nahrung vorkommen. Wenn das Eiweiß (vom Körper oder von Darmbakterien) als Energie verwertet wird, bleibt dieser Schwefel in Form einfacher Verbindungen wie Schwefelwasserstoff oder Schwefeldioxid übrig und entweicht dann mit den bekannten olfaktorischen Showeffekten. Wir haben in unserem Verdauungstrakt also ohnehin ständig einen Überschuss an nicht verwertetem Schwefel. Zusätzlich noch etwas elementaren Schwefel zuzuführen, kann daher die stinkenden Gase allenfalls noch etwas vermehren. Deswegen steht im Sicherheitsdatenblatt  von Schwefel auch nicht etwa, dass der Stoff giftig sei, sondern dass man nach Verschlucken lediglich den Mund ausspülen und nur im Fall von Unwohlsein einen Arzt anrufen solle. Immerhin ist beim Verschlucken größerer Mengen unter Umständen mit Blähungen zu rechnen, die in diesem Fall auch für sich in der Nähe aufhaltende Personen besonders unangenehm sein könnten. Womit Probst die angeblich wunderbare, selektive Wirkung seines Schwefels ausgerechnet auf die angeblich die Darmwand durchlöchernden Bakterien nachgewiesen haben will, bleibt hingegen im Dunkeln. Plausibel ist sie angesichts des ohnehin im Darm schon im Überfluss vorhandenen Schwefels jedenfalls nicht.
  • Petroleum, Benzin und Terpentin als Heilmittel: Ab 20:00 erklärt Probst zur Giftigkeit seiner Heilmittel: „Alles, was uns irgendwie madig gemacht wird […] immer das Gegenteil denken!“ Als Beispiele nennt er neben seinem Schwefel auch Petroleum und Terpentin und verweist auf einen eigenen Artikel, in dem er zur Einnahme von Schwefel, Petroleum und Leichtbenzin erklärt: „Jedermann kann sich im Internet über diese Therapien selber informieren und auf eigene Verantwortung einen Therapieversuch starten.“ Das empfiehlt er „als Universalheilmittel, bei Erkrankungen aller Art“ und erklärt: „Es ist sozusagen die Hohe Schule der Befreiung vom gesamten Medizinsystem.“
    Wie schädlich sind diese Stoffe, die uns da „madig gemacht“ werden, also tatsächlich? Über Benzinvergiftungen gibt es viele Quellen, aber sucht man im Internet nach Informationen über die Giftigkeit von Petroleum, findet man – erst einmal nicht viel, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Das liegt vor allem daran, dass einerseits heute kaum mehr jemand in seinem Alltag mit Petroleum in Kontakt kommt, anderseits auch kaum ein geistig gesunder Mensch von sich aus auf die Idee kommen würde, die stinkende Brühe zu trinken. Im Sicherheitsdatenblatt findet sich immerhin die Information: „Kann bei Verschlucken und Eindringen in die Atemwege tödlich sein“ sowie der toxikologische Hinweis: „Einatmen konzentrierter Dämpfe sowie orale Aufnahme führen zu narkoseähnlichen Zuständen und zu Kopfschmerzen, Schwindel, etc.“ Das meint Probst wohl mit „madig machen“.
    Ausführlichere Hinweise findet man im Netz vor allem zu Lampenöl – aber das ist nicht dasselbe wie Petroleum, obwohl es in Wikipedia anders steht und man auch heute noch gelegentlich von Petroleumlampen spricht. Lampenöl ist (seit es nicht mehr parfümiert werden darf, um die Gefahr des Verschluckens durch Kinder zu reduzieren) in der Regel reines Paraffinöl. Paraffinmoleküle sind Ketten von Kohlenstoffatomen, die rundum vollständig von Wasserstoffatomen gesäumt sind. Paraffine sind bei entsprechender Erhitzung brennbar, aber ansonsten so reaktionsträge, dass sie, einmal glücklich im Magen angelangt, den Verdauungstrakt in kleineren Mengen weitgehend wirkungslos und unverändert durchlaufen. (Ihren liebsten „wie geschmiert“-Witz können Sie hier gerne selbst einsetzen.)
    Von Paraffinöl geht aber, wie auch von den drei oben genannten Substanzen, eine Gefahr aus, die mit unmittelbarer Giftigkeit eigentlich nichts zu tun hat: Bei solchen sehr dünnflüssigen Ölen (Speiseöle sind in der Regel viel dickflüssiger) kann der Kehldeckel nicht verhindern, dass beim Schlucken Teile der Flüssigkeit in die Luftröhre geraten. Da die Schutz- und Transportmechanismen der Atemwege auch nicht geeignet sind, solche Öle wieder auszuwerfen, können sie sich bis in die Lunge ausbreiten und dort eine unter Umständen tödliche Lipidpneumonie (auch das Hauptrisiko für Artisten beim Feuerspucken) auslösen. Bei Kindern, die von Lampenöl getrunken haben, soll eine Lipidpneumonie in 40 Prozent aller Fälle vorkommen. Bei Erwachsenen wird beim Schlucken von 25 Millilitern (also einem guten Schnapsglas) solcher Öle von der Gefahr schwerer Lungenschäden ausgegangen. So viel Petroleum, Terpentin oder Benzin werden hoffentlich auch Probsts Anhänger nicht auf einmal zu sich nehmen. Da diese Substanzen aber kaum verdunsten, können sie sich bei längerfristiger Einnahme auch in der Lunge anreichern.
    Petroleum, auch „gereinigtes“ Petroleum (Oleum Petrae album rectif.), besteht aber eben nicht nur aus Paraffinöl, sondern ist ein buntes Gemisch von so ziemlich allem, was im Erdöl vorkommt und bei Temperaturen zwischen 160 und 280 Grad verdampft. Es enthält also letztlich alles, was in der Raffinerie zwischen dem leichteren Benzin und dem schwereren Diesel oder Heizöl anfällt. Damit enthält Petroleum unter anderem auch alle Bestandteile des Kerosins Jet A-1, das als Standardtreibstoff für Verkehrsflugzeuge eingesetzt wird. Häufig werden die Begriffe Petroleum und Kerosin auch als gleichbedeutend verwendet, obwohl bei der Gewinnung von Kerosin für Flugzeuge eine niedrigere Obergrenze der Verdampfungstemperatur gewählt wird. In Kerosin ist also nur ein Teil dessen enthalten, was alles im Petroleum steckt. Ein großer Teil dieses Gemischs besteht tatsächlich aus Paraffinen und den ähnlich reaktionsträgen Cycloalkanen, es enthält aber auch ringförmige Strukturen von Kohlenstoffatomen mit weniger Wasserstoffatomen, sogenannte Aromate. Diese Aromate verursachen unter anderem den typischen Benzin- und Ölgeruch, sind zum großen Teil giftig und vor allem krebserregend. Das bekannteste Aromat im Petroleum ist Naphthalin, das inzwischen nicht einmal mehr in Mottenkugeln verwendet wird und aus Fußböden oder Dämmstoffen die Luft in vielen öffentlichen Gebäuden vor allem der ehemaligen DDR verpestet. Im Benzin, das Probst ja ebenfalls zum Selbstversuch empfiehlt, ist vor allem das giftige und krebserregende Benzol enthalten.
    Mit Terpentin meint Probst vermutlich Terpentinöl, denn das eigentliche Terpentin,  frisches Harz, aus dem dieses Öl destilliert wird, wird kaum jemand trinken wollen. Die genaue Zusammensetzung variiert je nach angezapfter Baumart. Als ätherisches Öl hat Terpentinöl mit den anderen genannten Substanzen wenig gemeinsam und wird in der seriösen Pflanzenheilkunde durchaus verwendet, allerdings äußerlich zum Einreiben.  Dennoch kann es Hautreizungen und beim Einatmen der Dämpfe Entzündungen der Atemwege auslösen. Früher wurde es auch als Farbverdünner und Pinselreiniger verwendet, später aber aus Kostengründen durch Universalverdünner aus Mineralöl, sogenannten Terpentinersatz, verdrängt – womit wir wieder beim Benzin wären.
    Karl, mei Trobbe!
  • Die bösen Biofilme: Die Begründung, die Probst dafür liefert, dass man Petroleum trinken solle, sind angeblich gefährliche Biofilme im Darm. Biofilme sind dünne, schleimige Schichten an Oberflächen von Flüssigkeiten oder Festkörpern, in denen gleiche oder unterschiedliche Mikroorganismen (Bakterien, Algen, Pilze, Einzeller) jeweils eine Lebensgemeinschaft bilden. Im Biofilm ist die Vermehrung und Fortbewegung der Mikroorganismen gebremst und das Nahrungsangebot begrenzt; dafür bietet die Schicht einen gewissen Schutz vor dem Immunsystem sowie vor chemischen Bedrohungen wie Antibiotika oder sogar Desinfektionsmitteln. Andererseits ernähren sich bestimmte Schnecken, Fische und Krebstiere dadurch, dass sie gezielt Biofilme abweiden. Biofilme sind aber nicht nur biologisch relevant, sondern können zum Beispiel auch Fragen für den Denkmalschutz aufwerfen. Sie kommen fast überall vor und sind alles andere als eine neue Herausforderung für den Menschen: Seit Beginn der Evolution der Tiere existieren Biofilme um uns herum, auf uns und in uns, und möglicherweise sind auch die Zellen höherer Lebewesen ursprünglich aus Biofilmen entstanden. Anders als gelegentlich behauptet wird, sind sie auch keine neue Entdeckung. Zahnbelag, Pilzinfektionen auf Schleimhäuten, Algenteppiche auf Gewässern und so weiter sind seit Jahrhunderten bekannt. Neu ist nur, dass man alle diese Phänomene seit den 1990er Jahren unter einem gemeinsamen Blickwinkel und eben dem Begriff Biofilm betrachtet. Dadurch bietet sich diese scheinbar neue Entdeckung natürlich dafür an, mit dem Begriff allerlei Schindluder zu treiben. Wie wenig Ahnung Probst von Biofilmen hat, beweisen Aussagen wie: „Der Biofilm hat eine Polarität, und zwar ist er negativ geladen.“ Das ist nicht nur physikalisch Unsinn – die Wahrheit wäre sehr einfach in entsprechenden Studien nachzulesen gewesen.
    Da im Darm nicht nur einige möglicherweise ungewollte, sondern auch die lebensnotwendigen Mikroorganismen in Biofilmen vorkommen, wäre es jedenfalls definitiv nicht wünschenswert, alle Biofilme im Darm aufzubrechen, wie es Probst dem Petroleum (ungerechtfertigterweise) zuschreibt. Es gibt sogar den Ansatz, durch spezielle Gelatine gezielt solche Biofilme im Darm zu fördern, die die Ansiedlung schädlicher Colibakterien hemmen sollen.
    Nebenbei empfiehlt Probst gegen Biofilme und „zur erfolgreichen Therapie von Krankheiten aller Art“ auch noch die berüchtigte Chlorbleiche MMS. Einer der zwei Hauptbestandteile von MMS, Chlordioxid, wird tatsächlich erfolgreich eingesetzt, um Biofilme von Legionellen zu bekämpfen – die findet man allerdings in der Form nicht im Menschen, schon gar nicht im Darm, sondern in Rohrleitungen.
    Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass alle therapeutisch versuchten Einflussnahmen auf die Darmflora Eingriffe in ein hoch komplexes, bis heute nur in Teilen verstandenes aber zum Glück weitgehend selbststabilisierendes System sind. Was dabei genau unter welchen Bedingungen wie wirkt, muss jeweils nach wissenschaftlichen Grundsätzen in randomisierten, prospektiven, placebokontrollierten Interventionsstudien nachgewiesen werden, bevor man damit auf Patienten losgeht. Für die Rosskuren, die Probst und Konsorten propagieren, fehlen solche Nachweise natürlich völlig.

Weiter hinten im Video behauptet Probst dann auch noch, Algenkapseln (die mit seinem Namen verkauft werden) könnten Gifte aus dem Bindegewebe lösen (um 30:00). Danach (um 40:00) stellt er noch einmal seine, äh, besonderen naturwissenschaftlichen Kenntnisse zur Schau, indem er erklärt, wenn Heilerde zu fein vermahlen würde, könnten dadurch die enthaltenen Aluminiumatome aus dem Kristallgitter herausgelöst werden. Ich erlaube mir, mich und den Leser mit Details wenigstens zu diesem Unsinn zu verschonen.

Wie gut, dass sich Herr Probst nach eigener Aussage nicht mit esoterischem Geschwafel beschäftigen will: „Mich interessiert nur die wissenschaftliche Primärliteratur!“ (10:20) Vielleicht sollte er erst mal mit Lehrbüchern anfangen. Ich könnte da was empfehlen:

Wie man vom Atommodell zu Jesus kommt – ein Rezept für Quantenquark

Zwischen einem neuen Buchprojekt, der SkepKon, dem Science March und dem kleinen Detail, dass ich nebenbei auch noch irgendwie Geld verdienen muss, gab es ja in letzter Zeit wenig neuen Quantenquark zu lesen. Zur Überbrückung empfehle ich natürlich weiterhin jedem, der es noch nicht hat, das Quantenquark-Buch.

Eigentlich habe ich auch jetzt keine Zeit für einen neuen Artikel, aber wenn ich schon so nett auf Facebook auf geradezu idealtypischen Quantenquark hingewiesen werde, dann ist das doch einen genaueren Blick wert.

Da versucht also jemand, seine religiösen WahnVorstellungen mit Quantenquark zu begründen. Das ist an sich nicht sonderlich neu.

Im vergangenen Jahr hatte ich schon vom Physikprofessor Markolf Niemz von der Uni Heidelberg berichtet. Niemz erklärt die Halluzinationen im Rahmen sogenannter Nahtoderfahrungen zu Blicken ins Jenseits und begründet das ausgerechnet mit der Relativitätstheorie. Die Argumentation bleibt dabei vollständig auf dem Niveau von „es sieht so ähnlich aus, also muss es dasselbe sein; außerdem bin ich Physiker, also glaubt mir“. Als ich letztes Jahr über Niemz recherchiert habe, schien es um ihn etwas ruhiger zu werden, aber seitdem ist er wieder mit dem gleichen Unsinn unterwegs, gibt Interviews für Wallstreet Online, wo er behauptet, das Licht speichere menschliche Erfahrung über den Tod hinaus und tritt auf dem Züricher „Spiraldynamik-Kongress“ auf, zusammen mit Nahtod-Papst Pim van Lommel. Nun hätte man hoffen können, dass die „Elite-Universität“ Heidelberg ähnlich konsequent wäre wie die Hochschule Furtwangen im Fall ihres Professors Konstantin Meyl. Die Hochschule aus dem Schwarzwald (ursprünglich FH) distanziert sich von den Eskapaden ihres Professors und verbietet ihm, dergleichen in Vorlesungen seinen Studenten zuzumuten. Niemz‘ Machwerke hingegen werden von der Pressestelle seiner Universität wiederholt gefeiert, als seien es wissenschaftliche Leistungen. Da ist die Uni Heidelberg allerdings in guter Gesellschaft. Erst diesen Januar durfte Niemz seine Pseudophysik in einem öffentlichen Gastvortrag am Universitätsklinikum des Saarlandes ausbreiten. An der Uni Gießen gab es im April eine Veranstaltung mit dem Titel „Nahtoderfahrungen – Blick ins Jenseits?“, in der die Frage im Titel (wie Teilnehmer aus dem Kreis der Gießener Skeptiker entsetzt berichten konnten) kritiklos mit Ja beantwortet wurde. Das ist auch kein Wunder, wenn man den eben schon erwähnten Pim van Lommel aufs Podium setzt.

Eine wahre Erholung ist da schon Dirk Schneider, der Autor von Jesus Christus Quantenphysiker. Der begründet zwar auch religiöse Heilslehren mit Quantenquark, aber das tut er (soweit ich das herausfinden konnte) zumindest bislang nicht an öffentlichen Hochschulen. Stattdessen hält er seine Vorträge bei Veranstaltungen von Gruppen wie „Heiler Mensch, heile Erde e.V.“ oder der Stiftung Rosenkreuz zur Förderung hermetischen und gnostischen Gedankenguts.

Robi Sonderegger, der in dem eingangs verlinkten Artikel Jesus als Licht der Welt mit der Quantenphysik begründet, tritt auch eher nicht an Universitäten auf. Sein wichtigstes Betätigungsfeld sind Großveranstaltungen der Freikirche International Christian Fellowship, für die er ziemlich beeindruckend um die Welt tourt. Welchen Bezug er zur Quantenphysik hat, ist nicht wirklich klar, denn im Hauptberuf ist der Australier klinischer Psychologe und arbeitet wohl vor allem in der Traumatherapie. Wie sich eine solche Tätigkeit für beeinflussbare, hilfsbedürftige Menschen mit christlich-charismatischem Sektierertum verträgt, ist sicherlich eine relevante Frage, soll uns hier aber nicht weiter beschäftigen.

Viel spannender in Bezug zu unserem Thema ist Dr. Sondereggers Vortrag „Quantum Christianity“, auf den sich der verlinkte Artikel in jesus.ch offenbar bezieht.

Das Video ist inzwischen leider nicht mehr online. Falls es jemand (unter anderem Namen) noch irgendwo findet, bitte ich um Nachricht.

Das Spannende an dem Vortrag: Er enthält ein wunderbares, geradezu idealtypisches Beispiel der Argumentationsweise von Quantenquark. Dafür lohnte es sich tatsächlich, die ersten 15 Minuten durchzuhalten. Länger habe ich es dann allerdings auch nicht mehr geschafft – irgendwann wird die Pseudophysik des Traumatherapeuten für einen Physiker einfach traumatisch.

Der Einstieg kostet schon einiges an Überwindung: Die Frage, wie denn am ersten Schöpfungstag Licht gewesen sein kann, wenn Gott die Sonne erst am vierten Tag erschaffen hat, dürfte nicht nur mich als aktiven Religionskritiker und passiven Pastafari, sondern auch die meisten aufgeklärteren Christen spätestens seit der Grundschule nicht mehr ernsthaft beschäftigt haben. Wenn man die Bibel natürlich als wörtlich zu nehmendes, unbezweifelbares Wort Gottes sieht, hat man da offenbar Erklärungsbedarf, und den stillt Dr. Sonderegger auf seine ganz besondere Art: Mit dem Drei-Punkte-Rezept für Quantenquark.

Als ersten Schritt zum Quantenquark nimmt man eine tatsächliche und einigermaßen verblüffende Aussage aus der modernen Physik. Die gibt man halbwegs korrekt wieder, betont dabei aber vor allem, wie seltsam und verblüffend die moderne Physik doch ist. Sonderegger stellt dabei zunächst das Bohrsche Atommodell mit seinen Elektronenbahnen vor und erläutert dann halbwegs richtig den Wechsel zur Quantenmechanik, die den Elektronen anstatt festen Bahnen nur noch Aufenthaltswahrscheinlichkeiten für jeden Ort zuordnet. Anschließend erklärt er, heute habe die Wissenschaft sich stattdessen überlegt, dass das Innere des Atoms zu über 99,9 Prozent aus Nichts besteht. Dass das seit dem Rutherfordschen Streuversuch 1913 unbestritten ist und weder zum Bohrschen Atommodell noch zur Quantenmechanik in irgendeinem Widerspruch steht, scheint ihm nicht weiter aufzufallen. Nebenbei lästert er, die Wissenschaft könne sich ja nicht entscheiden und käme alle paar Jahre zu neuen Erkenntnissen. Dass es gerade das Prinzip von Wissenschaft ist, immer dazulernen zu wollen und sich dazu ständig selbst zu hinterfragen, muss natürlich tatsächlich befremdlich sein für jemanden, dessen Weltbild seit 2000 Jahren jedes Dazulernen kategorisch ausgeschlossen hat und mit dem Scheiterhaufen bedroht. Tatsächlich scheint Sonderegger auch sein Publikum mit so viel Wissenschaft zu überfordern, denn nach acht Minuten beruhigt er (unter Beifall) erst einmal, dass er nicht nur über Atome sprechen wird: „Jesus is coming!“

Im zweiten Schritt zum Quantenquark nimmt man die dargestellten Aussagen der Physik, interpretiert sie verfälschend in Alltagssprache und spinnt sie vorsichtig weiter. Dabei bleibt man immer so unklar, dass die Aussagen aus physikalischer Sicht zwar nicht wirklich haltbar aber auch nicht eindeutig falsch sind. Sonderegger behauptet dazu, die 99,9999 Prozent Vakuum innerhalb eines Atoms seien eben nicht nichts, sondern eine „quantum light energy“, aus der das Atom erst entstünde. Ein wohlwollender Physiker kann darin wahlweise das elektromagnetische Feld des Atomkerns oder die Vakuumfluktuationen aus der Quantenfeldtheorie erkennen, aber letztlich muss man einfach konstatieren, dass Sondereggers Quantenlichtenergie in der Physik nicht vorkommt. Normalerweise untermauert man diesen zweiten Schritt zum Quantenquark gerne mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten von Einstein, Heisenberg oder anderen Größen aus der Physikgeschichte. Sondereggers Publikum hat an einer Bestätigung durch Autoritäten dieser Art aber offenbar kein Interesse, und so präsentiert er lieber ein Bibelzitat:

Das Innere der Dinge ist unsichtbar, das steht schon in der heiligen Schrift, und inzwischen haben es auch die dummen Wissenschaftler herausgefunden, erklärt Sonderegger dazu. Dass diese relativ banale Aussage weder eine Erkenntnis der Quantenmechanik noch des Christentums ist, sondern sich so ziemlich bei jedem findet, der in den letzten 3000 Jahren Gedanken zur Natur der Dinge aufgeschrieben hat, lässt er vorsichtshalber unerwähnt. Stattdessen spöttelt er, in der Schweiz hätten die Wissenschaftler jetzt meilenlange Mikroskope, um das Etwas im Nichts für Sekundenbruchteile sehen zu können – so ungefähr die kindlich-naivste Beschreibung des CERN, die mir je untergekommen ist.

Im dritten und letzten Schritt zum Quantenquark nutzt der geneigte Quarkproduzent dann die gestiftete Verwirrung, um frei darauf los zu assoziieren und beliebigen Unsinn mit der Physik in Verbindung zu bringen. Sonderegger tut das mit der Behauptung, die Wissenschaft glaube (ein Wort, das er besonders betont) heute daran, dass alles im bekannten Universum von einer unsichtbaren Intelligenz außerhalb von Raum und Zeit zusammengehalten werde. Die angebliche unsichtbare Intelligenz tritt bei ihm dabei von einem Satz zum nächsten nahtlos und ohne jede Begründung an die Stelle der vorher von ihm an den Haaren herbeigezogenen Quantenlichtenergie. Diese so nun völlig haltlose Behauptung wiederholt Sonderegger mehrfach, immer an einzelne Teile des Publikums gerichtet. Und diese unsichtbare Intelligenz, die ja gleichzeitig eine Quantenlichtenergie ist, kann natürlich nur Jesus sein, den ja schon die heilige Schrift als das Licht der Welt bezeichnet. Und überhaupt – die Wissenschaft glaubt! Mit der Quantenphysik bekehren sich sogar die Wissenschaftler…

Herr, wirf Hirn vom Himmel!

Two Star Trek Captains Gone Astray and a Spaced Out Physicist (ausnahmsweise mal eine englische Übersetzung)

The first time around, there was still quite a bit of commotion when two and a half years ago, Kate Mulgrew lent her voice as the narrator to the film The Principle. (A reminder for readers from my generation, that’s The Principle, not The Principal…) That was a bit unusual, considering that Kate Mulgrew can hardly be considered a superstar, even though by now she has once again landed a somewhat prominent role in Orange Is the New Black. However, particularly among us nerds, she will always be remembered as Captain Kathryn Janeway in Star Trek: Voyager.

Obviously, from the commander of a space ship, one would expect a certain understanding of science and particularly of everything related to space. Therefore, it was a rather unpleasant surprise to hear her voice in a „documentary“ claiming that the earth was the center of the universe. Fortunately, Kate Mulgrew had already denounced the film before it appeared, and she made it clear that she had been hired as a speaker without knowing what the film would be about.

As astronomy blogger Phil Plait put it quite well, the film’s main claim (called geocentrism) is even more absurd than creationism, although possibly not quite as wacky as the idea that the earth is flat. Even the flat earth is becoming more and more popular recently, as can easily be seen on Google Trends (in English, the trend is less extreme with a strange spike in January 2016, but the message is the same):

So, it is not just German soul singer Xavier Naidoo who believes in flat earth. There are also other intellectual titans with a tendency to declare themselves citizens of a still existing German Reich and to believe in conspiracy theories. One of them recently gained a certain degree of notoriety by making a fool of himself in a late night call-in show.

These folks fit quite well with the producer of The Principle, because Robert Sungenis has been called „one of the most rabid and open antisemites in the entire radical traditionalist movement“. Besides, Kate Mulgrew isn’t the only one who feels abused by Sungenis‘ product: To support its bizarre claims, the film also uses numerous out-of-context clippings from interviews with popular, reputable physicists like Michio Kaku and, of all people, skeptic and atheist icon  Lawrence Krauss.

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Not surprisingly, Krauss had a few things to say about that and declared that calling Sungenis‘ ideas „obscene nonsense“ would do a disservice to the word nonsense. Krauss also advocated simply never mentioning the film again, but that is a favor I am not willing to do to him in this context.  Michio Kaku hasn’t really said anything on The Principle as far as I know, but that is a problem he must be used to at this point: His popular representations of science are regularly abused in the most absurd ways, sometimes as proof of the existence of god, sometimes as an argument for ingesting colliodal silver, sometimes by followers of the (supposedly) ancient Hawaiian huna cult or by shamans. Other times, one of his books is recommended by a school for spiritual healers. Possibly, Kaku’s pain is even alleviated a bit by the prospect of selling a few books more…

To turn his lunacy about the earth as the center of the universe into relative quantum bollocks (and thus a topic for this blog) Sungenis justifies his claim with – of course – general relativity. According to the theory of relativity, he claims, one could see any given point in the universe as fixed and observe all others based on that. That is actually much older than Einstein’s theory of relativity, as it results from the principle of relativity, which goes all the way back to Galileo: For every observer in uniform motion (not accelerated), physics should be the same. Everyone calculates in one’s own frame of reference, but in the end, everybody should get the same results. According to general relativity, that even applies to observers on the surface of the earch, who are clearly not in uniform motion because the earth rotates around its own axis and moves around the sun (unless you want to believe Mr. Sungenis, of course). From that, Sungenis concludes that it at least allows for his idea of everything moving around the earth – after all, he says, according to general relativity, any point could be the center of the universe, including the earth. However, general relativity does not say you can define any point to be the center. You can only calculate as if it was – in fact, according to general relativity, all points are explicitly equal, meaning there can be no center at all.

One can actually feel bad for Kate Mulgrew, considering the job she inadvertently accepted there. However, one has to say, Kate Mulgrew is not Captain Janeway – in fact, she’s probably a rather uninfluential actress. In the few cases when her opinions on public affairs are actually noticed, that is mostly about Alzheimer’s or about her support for the pro life movement.

That’s a bit different when it comes to her colleague in the Starfleet, Patrick Stewart alias Jean-Luc Picard, captain of the second Enterprise. Not only is Stewart a knight of the British Empire, a former Oxford professor and Prince Andrew’s predecessor as the chancellor of the University of Huddersfield. He is definitely a public person, and his views on life, the universe and everything are taken very seriously by many people. The media reports when he twitters about Donald Trump, publishes a video on the British attitude towards the European convention on human rights, makes statements about conflicts between gay rights and the freedom of expression or if he just says that politicians should watch more Star Trek. By the way, his argument for the latter is precisely the reason why I found the whole Next Generation thing rather boring.

The interesting thing is that apparently nobody cares (or maybe nobody noticed?) that just a few weeks ago, Stewart blundered into the exact same thing Mulgrew did: He sold his voice as the narrator for a pseudo-scientific documentary. The difference to The Principle is that The Connected Universe is explicitly advertised based on Patrick Stewart being the narrator. The director even publically cites Stewart’s „depth of experience behind some of the big questions that he asks in the film.“

The film glorifies the oh-so-groundbreaking insights of questionable physicist Nassim Haramein. I already mentioned Nassim Haramein in a post here in October (in German), stating that he would be worth his own article. So, here it is. The reason for the October post was that Haramein was originally scheduled to appear at a congress on October 22nd in the German college town of Giessen, and he would have been in, uh, let’s say, a unique company: Among the other speakers was Jo Conrad, who once invited to a conference for all the groups who dispute the legitimacy of any German government after Hitler. Also announced was the supreme ruler of the Kingdom of Germany, Peter Fitzek, who wouldn’t have been able to come, anyway, since he’s currently behind bars, trying to explain the whereabouts of 1.3 million Euros of investor money. Then, there should have been Franz Hörmann, a professor at the Vienna University of Economics and Business who was suspended by the university for more than a year because of „questionable statements about the Holocaust“. Hörmann might actually have a solution to Fitzek’s troubles, because he seriously states in a video interview that we have to abolish the use of money or the aliens living among us will put us on another planet. He should have gotten along just fine with yet another previously announced speaker, Britain’s very own Simon Parkes, „life long experiencer of aliens, shadow people, elementals and ufo’s, these include Mantid (Mantis) beings, Draconis Reptilian, Feline, small and tall Grey creatures, Crystalline beings and other creatures that can’t be identified.“ That probably brings us to another speaker, Rick Simpson, who believes that weed cures everything. Unfortunately, the web site with the list of speakers is not archived, but I took a screenshot on August 12, 2016 (after Parkes had already disappeared from the list, probably to hang out with some mantis beings).

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The congress organizers were finally kicked out by the Giessen convention center, after we started spreading the news about it, organizing a series of public talks against ideological incitement. Haramein ultimately had to be content appearing at a much smaller event on the same date, the „Fourth Congress for Fringe Science“ in a public gym in Saarbrücken. A week before that, Haramein had an appearance in Sarajevo with nonsense archaeologist Semir Osmanagic, who claims that a Bosnian mountain is actually a man-made stone age pyramid with healing powers.

Of course, the fact that somebody appears together with pseudo scientists, conspiracy theorists, self-proclaimed citizens of the German Reich and alien believers doesn’t necessarily mean that his physics is wrong. Okay, it’s not really a good sign, either… It’s worth taking a closer, critical look at the physics that Haramein and his film are proclaiming.

The key message from the film is once again the old blabber that according to modern physics „everything is connected with everything“. It would actually be much more logical to claim something like that based on classical physics. According to that, one could actually calculate how everything will evolve in the future, if only one had enough information. Because of all the random statistical contributions from quantum mechanics, however, precisely that is impossbile. The typical argument why everything should be connected in quantum physics is entanglement, which I have written about before (again in German, I’m afraid) here and here. Entanglement means that single particles or very small ultra-cold particle systems can form a joint quantum state, as long as they remain completely disconnected from the outside world. Unfortunately, everything has to connect to the outside world in some way to have an effect on us, and that destroys the entanglement. Therefore, entanglement clearly does not say that everything is connected in any meaningful way.

Besides entanglement, Haramein comes up with another reason why everything is connected: According to him, the protons in all atomic nuclei are linked by wormholes, creating a form of universal consciousness he calls spacememory. Wormholes are in fact theoretically imaginable solutions in general relativity, in which two distant points in space and time might be connected by a kind of shortcut in higher dimensions. They are a science fiction favorite, but there is no experimental evidence whatsoever that they might actually exist. There is no evidence to exclude them, either, but at least large wormholes would have to be pretty rare to never have created any observable effects in the visible universe.

Haramein has actually published that idea in a scientific journal – but not in one specializing in physics. The article appeared in Neuroquantology, more of a fringe science journal about possible quantum effects in neuroscience. The journal actually does have peer review, but at least the members of the advisory board (which contains hardly any physicists) are mostly doing rather fringy research themselves, and few of them look like they’re able to follow Haramein’s tractatus about the innards of black holes. If the reviewers of the article were recruited from the same circles, little substantial criticism of Haramein’s physics arguments is to be expected. The editor of the journal is an assistant professor of medicine from Izmir, and according to an analysis of impact in scientific quotations cited in wikipedia, the journal is among the bottom 5 percent of publications in neuroscience.

The key statements of the article itself are pure, unsubstantiated speculation, and it makes a number of non-quantified assumptions that are then called a „model“. What an experimental test of this „model“ could look like is never mentioned. Instead, the article dwells on apparent similarities with other theories that are either themselves highly questionable, like Stuart Hameroff’s ideas on quantum communication of living cells, or utterly devious, like Rupert Sheldrake’s claims about telepathy.

Apparent similarities are generally a key point in the argument made in Haramein’s article. Inbetween, there are two topics (Haramein’s concept of the proton and suspected quantum effects in the skeletal structure of living cells) that are discussed in some depth and scientific detail. During those highly abstract parts, the reader can easily lose track that they provide no reason whatsoever that what has been introduced with the words „it may be that“ before is treated like a proven fact afterwards.

The core of Haramein’s connectedness by wormholes is an idea which he has published before: that protons are actually black holes. That way, he explains the strong nuclear force – which binds the components of nuclei, like protons, as well as the components of their components, the quarks – as an effect of gravity. In a way, that is a charming little idea. Haramein’s problem is that to make that work, a proton would have to be roughly 100,000,000,000,000,000,000,000,000,000,000,000,000 heavier than it actually is. On top of that, his theory is almost entirely based on general relativity while neglecting basic result of quantum mechanics. His attempts to wiggle out of that are a half pathetically unlogical and half trivial but totally unconnected to the problem. That concept has also appeared in a scientific publication: in the conference proceedings of an American Physical Society conference on programming artificial intelligence. How Haramein’s weird proton model fits into the topic of that conference completely beats me, but it gave him a scientific publication in an apparently reputable medium. Haramein’s subsequent „scientific“ publication appeared in an India-based journal that makes the autors pay for the publication. Unfortunately, there are not many competent physicists taking the time to dismantle Haramein’s work in all its detail.

In a way, Haramein is a great expample why scientists need a solid education and why at least physicists usually work in groups and maintain an intense exchange with critical colleagues within their branch of research. Haramein apparently would have the stuff to become a decent theoretical physicist. He knows (and seems to understand) important theories, has original ideas for new models, implements them mathematically and writes articles that conform to the formal criteria. However, between all that he performs bizarre mental leaps, produces circular or disconnected arguments, ignores experimental results (unless they support his ideas), uses obsolete approaches and quotes ideas from the fringes of science. In a „normal“ scientific context, these problems would already come up in the informal exchange with the closest colleagues. At least in critical discussions with other experts on the subject at specialized conferences or in the peer review of the appropriate journals, somebody would find the sore points in his work and help to resolve then.

Haramein’s work is ultimately the result of two generations of maverick science. He appears to never have completed a Ph.D. thesis, and his „full biography“ doesn’t even say if he has any degree at all. Instead, he started publishing his first scientific papers about 15 years ago, working with Elizabeth Rauscher. Rauscher herself had once worked in renowned institutes, but after getting her Ph.D. in 1978, she had mostly run her own Tecnic Research Laboratory and been involved in all kinds of controversial and speculative research there. After that, Haramein started his own Hawaii Institute of Unified Physics, which, according to the publications must have consisted of just him for most of the time. The quantum bollocks resulting from that are most regrettable, because with solid training and the guidance obtainable in a reputable research group, he might actually have become a productive scientist.

The attempt to explain basically all of physics based on an extension of general relativity, down to some details in the approach, the insular style of working and the publications precisely where they will not be understood strongly resemble another hero of the esoterics scene: the German postwar physicist Burkhard Heim. I will take a closer look at Heim’s tragic life and his questionable scientific heritage in my talk at the next SkepKon from April 29th to May 1st 2016 in Berlin.

Of course, one can hardly expect an actor to do all that research before taking on a narrator role in a documentary for probably mediocre pay. On the other hand, one would have expected the man who was Captain Picard to at least take a five minute look at what’s readily available in Google. A former university chancellor might have actually invested ten minutes.

What’s left as a consolation to me is that I always preferred the first Enterprise crew, anyway. Leonard Nimoy (Commander Spock) may have been a little too religious for my taste, but at least he was religious in a progressive and sometimes provocative way. Nichelle Nichols (Lt. Uhura) spent many years getting women and people from minorities to work in space exploration, and after a stroke, she’s back before a camera at age 83. George Takei (Lt. Sulu), who is not much younger, is still a strong voice for science and reason in the social networks. And William Shatner (Captain Kirk)… well, he’s William Shatner!

Zwei Star-Trek-Kapitäne auf Abwegen und ein Physiker hinter dem Mond

Beim ersten Fall gab es noch ziemlich viel Aufregung, als vor zweieinhalb Jahren Kate Mulgrew ihre Stimme als Erzählerin für den Film The Principle hergab. (The Principle, nicht The Principal, falls sich jemand aus meiner Generation noch erinnert…) Das war etwas ungewöhnlich, denn heutzutage ist Kate Mulgrew wohl eine eher mäßig bekannte Schauspielerin, auch wenn sie in der Serie Orange Is the New Black mal wieder eine etwas prominentere Rolle bekommen hat. Gerade unter uns Nerds unvergessen ist aber ihre Rolle als Captain Kathryn Janeway in der Serie Star Trek: Voyager.

Von der Kommandantin eines Raumschiffs erwartet man natürlich ein gewisses Verständnis für Naturwissenschaft und vor allem für Dinge, die das Weltall angehen. Da war es schon eine eher unschöne Überraschung, ihre Stimme in einem „Dokumentarfilm“ zu hören, der die Behauptung verbreitete, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums. Erfreulicherweise hatte sich Kate Mulgrew schon vor dem Erscheinen des Films sehr deutlich davon distanziert und klargestellt, dass sie einfach als Sprecherin angeheuert worden war, ohne überhaupt zu wissen, worum es in dem Film gehen sollte.

Die Kernthese des Films, der sogenannte Geozentrismus, ist, wie Astronomieblogger Phil Plait es ganz gut auf den Punkt gebracht hat, noch abwegiger als der Kreationismus, wenngleich vielleicht nicht ganz so bekloppt wie die Idee, die Erde sei eine Scheibe. Auch die flache Erde erfreut sich ja gerade wachsender Beliebheit, wie man bei Google Trends eindeutig nachweisen kann:

An eine flache Erde glaubt also nicht nur Xavier Naidoo, sondern auch andere Geistesgrößen mit Hang zu Reichsbürgern und Verschwörungstheorien, zum Beispiel neulich der legendäre Domian-Anrufer.

Dazu passt auch der Macher von The Principle ganz gut, denn Robert Sungenis gilt laut Jewish Chronicle als Holocaustleugner und aggressiver Antisemit. Kate Mulgrew ist auch nicht die Einzige, die sich durch Sungenis‘ Machwerk benutzt fühlt, denn in dem Film verbaut er auch noch viele aus dem Zusammenhang gerissene Schnipsel aus Interviews prominenter, seriöser Physiker wie Michio Kaku und ausgerechnet Skeptiker- und Atheisten-Ikone Lawrence Krauss, um seine absurden Vorstellungen zu untermauern.

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Krauss fand dazu dann auch deutliche Worte und erklärte, Sungenis‘ Thesen als Unsinn zu bezeichnen, sei eine Beleidigung für das Wort Unsinn. Krauss meinte auch, man solle den Film einfach nicht mehr erwähnen, aber den Gefallen kann ich ihm an dieser Stelle leider nicht tun. Michio Kaku hat sich meines Wissens nicht ausdrücklich zu The Principle geäußert, aber der ist auch Kummer gewohnt: Seine populärwissenschaftichen Darstellungen werden regelmäßig in absurder Weise missbraucht, mal als Gottesbeweis, mal als Argument für die nutzlose und in hohen Dosen gefährliche Einnahme von kolloidalem Silber, mal von Vertretern der (angeblich) alt-hawaiianischen Huna-Lehre oder von Schamanen, und ein anderes Mal wird eins seiner Bücher von einer Geistheilerschule empfohlen. Vielleich ist der Kummer auch nicht ganz so groß, wenn er dadurch ein paar Bücher mehr verkauft…

In bester Quantenquark-Manier beruft sich Sungenis mit seiner Erde als Mittelpunkt des Universums ausgerechnet auf die Relativitätstheorie. Nach der Relativitätstheorie könne man ja jeden beliebigen Punkt im Universum als stillstehend ansehen und alle anderen relativ zu diesem betrachten. Das ist tatsächlich schon wesentlich älter als die Relativitätstheorie, nämlich eine Konsequenz des Relativitätsprinzips, das noch auf Galileo zurückgeht: Für jeden gleichförmig bewegten (also nicht beschleunigten) Beobachter gilt die gleiche Physik. Jeder rechnet in seinem eigenen Bezugssystem, es kommt aber am Ende immer das gleiche heraus. Nach der allgemeinen Relatitivitätstheorie gilt das sogar für Punkte auf der Erde, die sich ja nicht gleichförmig bewegen, weil die Erde um ihre eigene Achse und um die Sonne kreist (wenn man Herrn Sungenis nicht glaubt). Sungenis folgert daraus offenbar, seine Vorstellung von der Erde als Mitte des Universums sei dadurch bestätigt – schließlich könne nach der allgemeinen Relativitätstheorie jeder Punkt der Mittelpunkt des Universums sein, also auch die Erde. Tatsächlich ergibt sich aus der allgemeinen Relativitätstheorie aber nicht, dass man sich einen Mittelpunkt aussuchen kann, sondern dass alle Punkte gleichberechtigt sind, es also keinen Mittelpunkt geben kann.

Kate Mulgrew kann einem tatsächlich leid tun für den Job, den sie da angenommen hat. Nun muss man aber sagen, Kate Mulgrew ist eben nicht Captain Janeway, sondern eine relativ beliebige Filmschauspielerin. Wenn sie sich in den letzten Jahren überhaupt öffentlich über Dinge des wirklichen Lebens geäußert hat, dann ging es meistens um Alzheimer oder um ihr öffentliches Engagement bei den amerikanischen Abtreibungsgegnern.

Ein wenig anders ist das bei ihrem Kapitänskollegen von der zweiten Enterprise, Patrick Stewart alias Jean-Luc Picard. Stewart ist nicht nur Ritter des British Empire, ehemaliger Oxford-Professor und Vorgänger von Prince Andrew als Kanzler der Universität Huddersfield. Er ist definitiv eine Person des öffentlichen Lebens, dessen Äußerungen zum Leben, dem Universum und überhaupt von vielen Menschen sehr ernst genommen werden. Es wird berichtet, wenn er über Donald Trump twittert, ein Video über das britische Verhältnis zur europäischen Menschenrechtskonvention verbreitet, sich über Konflikte zwischen Schwulenrechten und Meinungsfreiheit äußert oder wenn er einfach nur meint, Politiker sollten mehr Star Trek sehen (seine Begründung dafür ist übrigens genau der Grund, warum ich Next Generation immer eher langweilig fand).

Um so interessanter ist, dass es offenbar kaum jemanden beschäftigt, dass ihm in diesem Jahr der gleiche Blödsinn passiert ist wie zwei Jahre vorher Kate Mulgrew: Er hat seine Stimme als Sprecher für einen pseudowissenschaftlichen Dokumentarfilm verkauft. Anders als damals für The Principle wird für The Connected Universe sogar ausdrücklich mit der Beteiligung von Patrick Stewart geworben. Der Regisseur beruft sich auch noch auf Stewarts angeblich so große Erfahrung mit den Fragen, um die es in dem Film geht.

Der Film glorifiziert die angeblich bahnbrechenden Erkenntnisse des fragwürdigen Physikers Nassim Haramein. Das ist genau der Nassim Haramein, von dem ich schon im Oktober hier geschrieben hatte, er sei mal einen eigenen Artikel wert. Haramein sollte nämlich eigentlich am 22. Oktober in Gießen beim „WiR-Kongress“ auftreten, und zwar in höchst illustrer Gesellschaft: Zu den anderen angekündigten Rednern gehörten  Jo Conrad, der auch schon mal alle Reichsbürger Deutschlands zu einer gemeinsamen Konferenz eingeladen hat, der oberste Souverän des Königreichs Deutschland Peter Fitzek (der ohnehin nicht hätte kommen können, weil er immer noch wegen verschwundener 1,3 Millionen im Knast sitzt) und Franz Hörmann, der als Professor an der WU Wien wegen „fragwürdiger Äußerungen zum Holocaust“ suspendiert war. Hörmann könnte auch Fitzeks Problem lösen, denn er erklärt in einem ganz ernsten Interview, wenn wir das Geld nicht abschaffen, werden wir von Außerirdischen auf einen anderen Planeten versetzt. Er hatte sich bestimmt schon auf einen anderen Sprecher gefreut, Rick Simpson, der meint, Hanf heile so ziemlich alles… Die Website mit der Rednerliste der Konferenz ist leider nicht archiviert, aber ich habe da noch einen Screenshot vom 12.8.2016:

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Die Veranstaltung wurde von der Kongresshalle Gießen abgesagt, nachdem wir mit den Aktionstagen gegen geistige Brandstiftung angefangen hatten, öffentlich darüber zu informieren. Haramein musste sich dann mit einem wesentlich kleineren Rahmen beim „4. Kongress für Grenzwissenschaften“ in einer Saarbrücker Turnhalle bescheiden. Eine Woche vorher hatte Haramein auch noch in Sarajevo einen gemeinsamen Auftritt mit dem Unsinns-Archäologen Semir Osmanagic, der behauptet, ein bosnischer Berg sei in Wirklichkeit eine steinzeitliche Pyramide mit heilenden Kräften.

Dass jemand zusammen mit Pseudowissenschaftlern, Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern und Alien-Gläubigen auftritt, heißt natürlich noch nicht automatisch, dass seine eigenen Vorstellungen von Physik falsch sind. Naja, glaubwürdiger wird er dadurch natürlich auch nicht… Es lohnt sich also schon ein kritischer Blick auf die Physik, die Haramein und sein Film so verbreiten.

Kernthema des Films ist mal wieder die altbekannte Floskel, nach der modernen Physik sei „alles mit allem verbunden“. Das wäre es ja eigentlich viel eher nach der klassischen Physik, nach der man ja im Prinzip alles vorausberechnen könnte, wenn man nur genug Informationen hätte. Die Quantenmechanik mit ihren Zufallsanteilen bei jeder Messung macht hingegen genau das unmöglich. Die typische Argumentation, warum nach der Quantenmechanik alles mit allem zusammenhinge, beruft sich normalerweise auf die Verschränkung, zu der ich hier und hier schon etwas mehr geschrieben habe. Über die Verschränkung können einzelne Teilchen oder kleine, ultrakalte Teilchensysteme einen gemeinsamen Zustand bilden, solange sie vollständig von der Außenwelt abgeschlossen sind. Da alles irgendwann mit der Außenwelt in Kontakt tritt, bevor es uns in irgendeiner Weise betrifft, und die Verschränkungen damit verschwinden, ergibt sich daraus eben gerade nicht, dass alles mit allem zusammenhinge.

Haramein lässt sich zusätzlich zur Verschränkung allerdings noch etwas besonderes einfallen: Bei Haramein sind die Protonen in allen Atomkernen durch sogenannte Wurmlöcher verbunden, wodurch ein globales Bewusstsein entsteht, das er als spacememory bezeichnet. Wurmlöcher sind rechnerisch denkbare Lösungen in der allgemeinen Relativitätstheorie, nach denen zwei entfernte Punkte in Raum und Zeit sozusagen durch eine Abkürzung in einer höheren Dimension miteinander verbunden sein könnten. Wurmlöcher sind ein beliebtes Thema in der Science Fiction – nur dummerweise gibt es keinerlei experimentelle Hinweise darauf, dass so etwas tatsächlich existieren könnte. Ausschließen kann man es auch nicht, aber zumindest größere Wurmlöcher müssten ziemlich selten sein, um nirgends im sichtbaren Universum beobachtbare Effekte zu erzeugen.

Diese Ideen hat Haramein sogar in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht – allerdings nicht etwa in einer Zeitschrift über Physik, sondern in Neuroquantology, einer eher grenzwissenschafltichen Zeitschrift, die sich mit Quanteneffekten in der Neurowissenschaft beschäftigt. Es gibt dort einen sogenannten Peer Review (die Artikel werden also von Fachleuten begutachtet), aber zumindest die Mitglieder des Advisory Boards (zu denen kaum Physiker gehören) sind selbst alle in hochgradig spekulativen Themen unterwegs, und die wenigsten dürften in der Lage sein, Harameins Abhandlungen über das Innenleben schwarzer Löcher zu folgen. Falls sich die Reviewer der Zeitschrift aus einem solchen Kreis rekrutieren, ist wenig ernsthafte Kritik an seiner physikalischen Argumentation zu erwarten. Der Herausgeber der Zeitschrift ist ein Assistenzprofessor für Medizin aus Izmir, und nach einer in Wikipedia zitierten Auswertung des wissenschaftlichen Zitiertwerdens (dem sogenannten Impact Factor) gehört die Zeitschrift zu den 5 Prozent der unbedeutendsten Fachblätter in der Neurowissenschaft.

Der Artikel selbst ist in seinen Kernaussagen bloße Spekulation und stellt eine Reihe von rein qualitativen Behauptungen auf, die dann als „Modell“ bezeichnet werden. Wie dieses „Modell“ experimentell getestet werden könnte, wird mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen zitiert der Artikel massenweise Ähnlichkeiten zu anderen Konzepten, die entweder reichlich fragwürdig sind, wie die Ideen von Stuart Hameroff zur Quantenkommunikation von Zellen oder völlig abwegig wie Rupert Sheldrakes angebliche Erkenntnisse zur Telepathie. Ähnlichkeiten sind überhaupt ein zentraler Punkt der Argumentation des Artikels. Dazwischen werden zwei Themen (Harameins Vorstellungen zum Aufbau von Protonen und vermutete Quanteneffekte in Skelettstrukturen lebender Zellen) in großer fachlicher Tiefe beschrieben. Darüber verliert man beim Lesen leicht den Überblick, dass diese beiden Passagen logisch in keiner Weise begründen, dass das, was vorher mit den Worten „es könnte sein, dass“ eingeführt wurde, hinterher wie eine gesicherte Erkenntnis behandelt wird.

Im Kern von Harameins Argumentation steht seine Vorstellung, die er schon vorher publiziert hat, Protonen seien in Wirklichkeit schwarze Löcher.  Damit erklärt er die starke Kernkraft, die Atomkerne und ihre Bestandteile wie Protonen zusammenhält, als einen Effekt der Schwerkraft, was eigentlich eine charmante Idee ist. Harameins Problem ist, ein Proton müsste dazu ca. 100.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 schwerer sein als es tatsächlich ist. Außerdem basiert sein gesamtes Modell fast ausschließlich auf der allgemeinen Relativitätstheorie, ignoriert aber ganz grundlegende Erkenntnisse der Quantenmechanik. Seine Versuche, sich aus diesem Problem herauszuwinden, sind zur Hälfte unlogisch und zur anderen Hälfte trivial und ohne Bezug zur eigentlichen Frage. Veröffentlicht hat er das im Sammelband der Vorträge einer Konferenz der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft über Programmierung zur künstlichen Intelligenz. Was Harameins Protonenmodell mit dem Thema der Konferenz zu tun hat, ist mir ein Rätsel, aber die Teilnahme lieferte ihm natürlich eine wissenschaftliche Veröffentlichung in einem seriös erscheinenden Medium. Harameins nächste „wissenschaftliche“ Veröffentlichung erfolgte dann in einer in Indien basierten Zeitschrift, bei der die Autoren für die Veröffentlichung bezahlen. Leider finden sich nur wenige kompetente Physiker, die sich die Mühe machen, Harameins Arbeiten detailliert auseinanderzunehmen.

In gewisser Weise ist Haramein ein gutes Beispiel dafür, warum Wissenschaftler eine solide Ausbildung brauchen und, gerade in der Physik, normalerweise in Gruppen arbeiten und einen intensiven Austausch mit kritischen Fachkollegen pflegen. Haramein hat offenbar die Voraussetzungen für einen ordentlichen theoretischen Physiker. Er kennt (und versteht anscheinend auch) wichtige Theorien, hat originelle Ideen für neue Modellierungen, setzt diese mathematisch um und schreibt Artikel, die den formalen Kriterien entsprechen. Dazwischen finden sich aber immer wieder absurde Gedankensprünge, Argumentationen, die sich im Kreis drehen, das völlige Ignorieren experimentell belegter Erkenntnisse, Rückgriffe auf uralte, längst nicht mehr haltbare Ansätze und das Zitieren von extremen Außenseiterideen, deren Wissenschaftlichkeit fragwürdig ist. Genau diese Probleme würden bei einem „normal“ arbeitenden Wissenschaftler schon im informellen Austausch innerhalb des eigenen Instituts von Kollegen angesprochen und könnten beseitigt werden. Spätestens in der kritischen Diskussion mit Fachkollegen auf speziellen Konferenzen zum eigenen Spezialgebiet oder im Reviewverfahren einer etablierten Fachzeitschrift zu diesem Spezialgebiet würde jemand den Finger in die Wunde legen.

Harameins Arbeit ist letztlich ein Ergebnis von zwei Generationen wissenschaftlichen Einzelgängertums. Eine Doktorarbeit hat Haramein offenbar nie verfasst, und aus seiner „vollständigen Biographie“ ist nicht zu erkennen, ob er ein Studium abgeschlossen hat. Stattdessen veröffentlichte er vor etwa 15 Jahren seine ersten Arbeiten gemeinsam mit Elizabeth Rauscher, die selbst zwar an renommierten Instituten begonnen hat, aber schon seit ihrer Promotion 1978 überwiegend an ihrem eigenen Tecnic Research Laboratory gearbeitet und sich dort mit allerlei umstrittenen Themen beschäftigt hat. Nach der Zeit mit Rauscher hatte Haramein sein eigenes Hawaii Institute of Unified Physics, das den Veröffentlichungen nach die meiste Zeit aus ihm allein bestanden hat. Der daraus resultierende Quantenquark ist sehr bedauerlich, denn mit einer soliden Ausbildung und der Einbindung in die Strukturen echter wissenschaftlicher Arbeit hätte aus Haramein durchaus etwas werden können.

Die Versuche, die ganze Physik aus der Weiterentwicklung der allgemeinen Relativitätstheorie zu erklären bis hin zu Details der Vorgehensweise, das Einzelgängertum und die Veröffentlichungen gerade da, wo sie nicht verstanden werden, erinnern deutlich an einen anderen Helden der Esoterikszene: den deutschen Nachkriegsphysiker Burkhard Heim. Mit Heims tragischem Leben und seiner fragwürdigen wissenschaftlichen Hinterlassenschaft werde ich mich ausführlich in einem Vortrag auf der SkepKon vom 29. April bis 1. Mai 2017 in Berlin beschäftigen.

Das alles muss ein Schauspieler vor einer wahrscheinlich nur mäßig bezahlten Sprecherrolle natürlich nicht unbedingt recherchieren, aber von Captain Picard hätte man irgendwie erwartet, dass er sich wenigstens über das informiert, was per Google in fünf Minuten zu finden gewesen wäre. Der ehemalige Kanzler einer Universität hätte vielleicht sogar zehn Minuten investieren dürfen.

Da bleibt mir persönlich als Trost nur, dass für mich ja ohnehin nie etwas über die erste Enterprise-Serie ging. Leonard Nimoy (Commander Spock) war mir vielleicht ein bisschen zu religiös, aber immerhin auf progressive ArtNichelle Nichols (Lieutenant Uhura) hat sich viele Jahre dafür engagiert, Frauen und Angehörige von Minderheiten für die Arbeit in der Weltraumforschung zu gewinnen und steht nach einem Schlaganfall mit 83 Jahren wieder vor der Kamera. George Takei (Lieutenant Sulu) ist bis heute in den sozialen Netzwerken ein engagierter Streiter für die Wissenschaft. Und William Shatner (Captain Kirk)… ist eben William Shatner.

Physikstudium schützt vor Quark nicht – im Zweifel nicht mal ein Nobelpreis

Vor einigen Tagen schlug es ziemliche Wellen, als mehr als 100 Nobelpreisträger (nach der Veröffentlichung haben sich offensichtlich noch einige angeschlossen – die aktuelle Zahl liegt bei 110) Greenpeace aufgefordert haben, den Widerstand gegen die Agrarbiotechnologie aufzugeben. Nicht nur der Zeitpunkt mitten in der Glyphosat-Debatte, sondern auch der Adressat war offensichtlich rhetorisch gewählt: Greenpeace hat als reine Lobbyorganisation bei dem Thema faktisch natürlich keinerlei Entscheidungsgewalt, und nach einer Kehrtwende bei einem solchen Kernthema könnte sich Greenpeace genausogut gleich selbst auflösen.

Die spannende Frage ist aber eigentlich eine ganz andere: Warum interessiert uns eigentlich, ob der Volkswirtschaftsprofessor Lars Peter Hansen oder der Elementarteilchen-Theoretiker Sheldon Glashow die Risiken der Gentechnik für überschätzt halten? Wissenschaftliche Auszeichnungen bekommt man für besondere Leistungen in einem in der Regel eng begrenzten Fachgebiet, und die sagen oft wenig aus über das Verständnis der Welt im Allgemeinen oder auch nur das Wissen zu anderen Teilbereichen des eigenen Fachs.

Die Relevanz der Unterstützerliste liegt in diesem Fall zum einen in der schieren Zahl der Unterzeichner, zum anderen in der überwältigenden Zustimmung unter den fachnahen Preisträgern. Die Zahl der Unterzeichner übertrifft deutlich die jüngerer Aufrufe zum Klimaschutz (71 Preisträger) und gegen Kreationismus an Schulen (42 Preisträger). Die Unterzeichner des Aufrufs zur Gentechnik machen rund ein Drittel der derzeit überhaupt lebenden Nobelpreisträger aus, und sie kommen ganz überwiegend aus den Naturwissenschaften. Unter den 110 Unterzeichnern finden sich ganze acht Wirtschaftswissenschaftler, nur eine Preisträgerin für Literatur (Elfriede Jelinek) und ein Friedensnobelpreisträger (mit José Ramos-Horta wenig überraschend ein Repräsentant eines Entwicklungslandes, in dem viel Reis angebaut und gegessen wird und der Goldene Reis besonders hilfreich wäre). Vor Elfriede Jelinek ziehe ich in diesem Kontext meinen Hut – ein so klares Bekenntnis zur Gentechnik dürfte ihr unter unseren chronisch fortschrittspessimistischen Intellektuellen wenig Freunde bringen. Die anderen 100 Unterzeichner kommen aus den Fachgebieten Chemie, Physik und Medizin (einen separaten Nobelpreis für Biologie gibt es nicht). Von den neueren Preisträgern für Chemie oder Medizin kann man tatsächlich viele als Experten für Gentechnik bezeichnen, und gerade die haben den Aufruf fast alle mitgetragen. In dieser Zusammensetzung und Geschlossenheit repräsentieren die Preisträger dann eben doch die wissenschaftliche Expertise ihrer Fachgebiete und geben dem Aufruf damit eine gewisse Relevanz, wenn auch wohl gerade nicht für Greenpeace.

Wenn eine solche geschlossene Aussage der Masse fachnaher Nobelpreisträger zumindest eine Trendaussage zum „Stand der Wissenschaft“ ist, heißt das aber nicht, dass auch Aussagen einzelner Nobelpreisträger zu Themen außerhalb ihres Forschungsgebiets immer hilfreich sind. Anderenfalls hätte man sich auch von diesem Herrn hier über Schuhmode beraten lassen können:

Albert Einstein in Plüschpantoffeln

Albert Einstein in Sandalen

Albert Einstein in Bademantel und so einer Art Ballerinas

(die Bilder binde ich nicht mehr ein, dank DSGVO)

Zu den bekannteren traurigen Beispielen von Nobelpreisträgern, die teilweise üblen pseudowissenschaftlichen Unsinn verbreitet haben, gehört der Chemiker Linus Pauling. In seiner wissenschaftlich produktiven Zeit machte er wichtige Entdeckungen rund um chemische Bindungen zwischen Atomen. Ihm wird die Einführung des Begriffs der Elektronegativität zugeschrieben. Daraus, dass jemand im Labor chemische Bindungen untersucht hat, folgt aber leider nicht, dass er auch ein gutes Verständnis der Erforschung von Arzneimittelwirkungen am Menschen hat. Nach seinem Rückzug aus dem aktiven Wissenschaftsbetrieb propagierte Pauling mit geradezu religiösem Eifer (und offenbar auch mit einigem Geschäftssinn) die angeblich positiven Gesundheitseffekte extrem überdosierter Vitamine. Wie viele Menschen seitdem durch seinen „orthomolekularen“ Vitaminwahn gestorben sind, ist schwer nachzuvollziehen, aber allein die Folgen in Südafrika unter der Mbeki-Regierung im vergangenen Jahrzehnt waren dramatisch.

Beim Durchklicken der Gentechnik-Experten unter den Unterzeichnern des Greenpeace-Aufrufs hatte ich dann direkt wieder das Bedürfnis, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Ohne die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) wäre die moderne Biotechnologie kaum denkbar, und ihr Erfinder ist offensichtlich jemand, der etwas über Gentechnik zu sagen hat und ein verdienter Nobelpreisträger. Was Kary Mullis sonst so von sich gibt, lässt mich allerdings stark daran zweifeln, ob ich auf ihn als Unterstützer für ein Anliegen allzu großen Wert legen würde. Mullis glaubt an Astrologie und behauptet, von Außerirdischen entführt worden zu sein und seine wissenschaftlichen Erkenntnisse im LSD-Rausch erlangt zu haben. Wenn man ihn erklären hört, warum er nicht glaubt, dass AIDS vom HIV-Virus verursacht wird, drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass er es mit den Drogen ein Bisschen übertrieben hat:

Kary Mullis

Womit wir, wie es sich für diesen Blog hier gehört, zu den Physikern kommen. „Aber da ist ein Physiker, der hat gesagt…“ war für mich schon der Anfang von so mancher Horrordiskussion und hat mich vor fast 20 Jahren zur Skeptikerbewegung geführt. Die Vorgeschichte dieses Posts hier war ein Facebook-Meme mit dem Text: „The universe responds to the vibrations you create, think happy and happiness will come to you. You must simply resonate your frequencies with the frequencies of the universe. – Said no physicist ever.“ Ich habe das Bild gerne geteilt, aber im Stillen hatte ich meine Zweifel, ob das „no physicist ever“ tatsächlich zutrifft. Bedauerlicherweise ist mir schon viel zu viel Quantenquark von Autoren begegnet, die es eigentlich besser wissen müssten. Dazu muss man nicht einmal bis zu obskuren Physikern wie Dirk Schneider und seinem Buch mit dem absurden Titel „Jesus Christus Quantenphysiker“ gehen. Ich werde mich im Folgenden auf namhafte Forscher mit einer erkennbaren wissenschaftlichen Biographie beschränken.

Glücklicherweise fallen hier wenigstens die Nobelpreisträger nicht unbedingt durch Quantenunsinn auf, jedenfalls mir bislang nicht. Für anderslautende Hinweise bin ich dankbar – ich werde sie dann in einem späteren Artikel verarbeiten. Der Physiknobelpreisträger von 1973, Ivar Giæver, würde allerdings ganz sicher die Mainauer Deklaration zum Klimawandel nicht unterschreiben, denn er verbreitet einige eher fragwürdige Ideen zur Klimaforschung.

Wenn wir mal mit den harmloseren oder vielleicht auch eher missverstandenen Fällen in der Physik anfangen, ist unter den Ersten sicherlich Hans-Peter Dürr zu nennen. Der 2014 verstorbene Dürr war zwar kein Nobelpreisträger, aber ein angesehener theoretischer Physiker, und hat bis heute viele Fans: Als ich im vergangenen Jahr im Editorial des Physik-Jounals appelliert habe, Physiker sollten sich mehr gegen Quantenunsinn engagieren, bezogen sich alle negativen Reaktionen ausschließlich auf meine Kritik an Dürr. Er ging als Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik in München gerade in den Ruhestand, als ich angefangen habe, dort zu promovieren, und etwa seit diesem Zeitpunkt wurden seine Äußerungen auch immer wunderlicher. Seine Aussage „es gibt keine Materie“ wird von Esoterikern besonders gerne zitiert. Als persönliche Spekulationen von jemandem, der eben nicht mehr wissenschaftlich arbeiten muss, sind seine nicht überprüfbaren Aussagen natürlich legitim. Dummerweise werden sie aber bis heute von vielen Leuten als Stand der Wissenschaft aufgefasst, weil sie von einem seinerzeit hochdekorierten Wissenschaftler stammen.

Bei Professoren für theoretische Physik, die mit Begeisterung von Esoterikern zitiert werden, kommt man leider auch nicht am Freiburger Emeritus Hartmann Römer vorbei. Zusammen mit dem Psychologen Harald Walach, der später Hogwarts an der Oder aufgebaut hat, verbreitete er die schwache oder generalisierte Quantentheorie. Ausführlichere skeptische Betrachtungen der schwachen Quantentheorie gibt es von Philippe Leick bei der GWUP und von Joachim Schulz auf SciLogs. Kurz zusammenfassend kann man sagen, die schwache Quantentheorie ist eben keine Quantentheorie, sondern ein Anwenden von Begriffen aus der Quantenmechanik auf Objekte, auf die sie nach den Erkenntnissen der Physik eben nicht anwendbar sind, zum Beispiel die quantenmechanische Verschränkung auf Homöopath und Patient. Walachs Ex-Chef Walter von Lucadou verschränkt auch schon mal Fußballspieler, wie hier schon erwähnt wurde.

Wie auch Walach und Römer stark im religiösen, genauer gesagt katholischen Umfeld verwurzelt ist auch Markolf Niemz, Professor für Biophysik an der Universität Heidelberg. Er beschäftigt sich wissenschaftlich hauptsächlich mit Medizintechnik, vor allem mit der Anwendung von Lasern. Bekannt geworden ist er aber über seine drei Lucy-Bücher. Darin erklärt er, als Roman verpackt aber als Sachbuch gemeint, die Halluzinationen von Menschen, deren Gehirn durch Herzstillstand mit Sauerstoff unterversorgt war, zu Blicken ins Jenseits, und zwar mit abstrusen Begründungen aus der Relativitätstheorie. Im Engel-Magazin behauptet er, beim Sterben würde die Seele auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Seine Begründung, auf der die ganze hanebüchene Geschichte aufbaut: Die Schilderungen der Halluzinationen klingen so ähnlich wie Simulationen der Wahrnehmung von Reisenden nach der Relativitätstheorie aussehen müssten, wenn sie sich der Lichtgeschwindigkeit annähern.

Noch ein Biophysiker, der in dieser Reihe natürlich keinesfalls fehlen darf, ist der Biophotonen-Papst Fritz-Albert Popp. Popp war in den 1970er Jahren längere Zeit Dozent an der Universität Marburg. Dass er eine feste Professur erhielt, wurde damals angeblich von Medizin-Dekan Heinrich Oepen verhindert, dem Gatten der Mitgründerin der Skeptikerorganisation GWUP, Irmgard Oepen. Später hat sich Popp jahrelang mit einem eigenen „Forschungsinstitut“ durchgeschlagen, hat Seminare für Heilpraktiker und andere, sagen wir Interessierte, angeboten, Bücher verkauft und jede Menge Vorträge auf Esoterikerkonferenzen gehalten. Ich halte ihn für jemanden, der anfangs durchaus ernsthafte Forschung betreiben wollte, sich dann in eine Außenseitertheorie verrannt hat und sich schließlich damit eingerichtet hat, dass er Applaus nur von der Eso-Fraktion bekommt. Auf Popps Biophotonen-Unsinn bin ich schon in zwei Vorträgen eingegangen, die man beide auf Youtube ansehen kann, einen ausführlichen und einen im handlichen Science-Slam-Format. Verlinkt sind beide hier schon in diesem Post.

Kein Professor, aber ein äußerst erfolgreicher Sachbuchautor mit Doktortitel aus Cambridge ist John Gribbin. 2009 hat ihn die Association of British Science Writers für sein Lebenswerk geehrt, und in der Tat scheint er lichte Momente zu haben. Dieses Zitat erklärt richtig gut, warum viele Menschen solche Probleme haben, die Quantenmechanik zu akzeptieren (das Verstehen ist ja oft gar nicht das Hauptproblem):

Gribbins unwissenschaftlicher Durchbruch war 1974 das Buch The Jupiter Effect, in dem er und Stephen Plagemann orakelten, am 10. März 1982 würde es auf der Erde zu gigantischen Naturkatastrophen kommen, weil dann sämtliche Planeten auf der selben Seite der Sonne stünden. Bis am genannten Datum natürlich nichts passierte, hatte er Zeit, massenweise Bücher zu verkaufen und auch noch in einem Fortsetzungsband zu erklären, warum dann wohl doch keine Katastrophen passieren würden (weil ja schon 1980 der Mt. St. Helens ausgebrochen war). Eine wirkliche Katastrophe, jedenfalls für das Verständnis von Wissenschaft in der Öffentlichkeit, war hingegen Gribbins Buch Auf der Suche nach Schrödingers Katze. Quantenphysik und Wirklichkeit. Kaum ein konstruktivistischer Philosoph, der sein gefährliches Halbwissen über Quantenmechanik herumschwurbelt, kommt ohne Gribbins Katzensermon als Quelle aus. Quantenheiler, Buddhisten, neurolinguistische Programmierer, Mystiker und Heiler mit Schröpfköpfen berufen sich auf Gribbin, wenn sie sich zusammenspinnen, dass Materie aus dem menschlichen Bewusstsein entstünde.

Ebenfalls ein promovierter Physiker mit Abschluss im angelsächsischen Raum ist Fritjof Capra, der Urgroßvater aller Quantenschwurbler. Von Capras Tao der Physik war schon vor 25 Jahren mein Physiklehrer begeistert, und ich hatte schon damals das vage Gefühl, dass da irgendwas keinen Sinn ergibt – nur hatte ich eben nicht das Wissen, um zu sagen, was. Capras Argumentationsmuster ist das gleiche wie bei vielen seiner Nachfolger: Unsere bildlichen und verbalen Beschreibungen dessen, was die Quantenmechanik berechnet, haben mit viel Phantasie eine vage Ähnlichkeit mit den Schriften antiker asiatischer Mystiker. Na klar, da muss doch irgendein Zusammenhang bestehen! Das kann doch kein Zufall sein!

Irgendwie kommt offenbar niemand darauf, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird: Unser Gehirn hat sich evolutionär nicht dazu entwickelt, sich subatomare Vorgänge, also das Arbeitsfeld der Quantenmechanik, wirklich realistisch vorstellen zu können. Wer versucht, die Quantenmechanik, möglichst auch noch einfach, zu beschreiben, kommt also nicht umhin, mehr oder weniger brauchbare Metaphern zu finden. Die wird man bevorzugt aus Themenbereichen entleihen, die einem vertraut sind aber dennoch weit genug entfernt vom Alltagsleben und der Alltagsliteratur, um nicht allzu wörtlich verstanden zu werden (was dann natürlich doch immer irgendwer tut). In einer Zeit, in der sich die asiatische Mystik als fremdes und faszinierendes Thema unter Europas Intellektuellen ausbreitete, bot sie den idealen Bilderlieferanten, um über die fremdartige Welt der Quantenmechanik zu philosophieren.

Als Murray Gell-Mann in den 1960er Jahren die neu entstehende Quantenchromodynamik in Worte packen musste, benannte er eine darin auftauchende Ordnung von acht Teilchen nach dem achtfachen Weg der Weisheit aus dem Buddhismus. Als er aber wenig später eine Bezeichnung für die immer in Dreiergruppen auftauchenden Bauteile unserer Kernteilchen suchte, hatte er statt der Yanas offenbar gerade James Joyce gelesen und landete bei den in der Physik dadurch berühmt gewordenen „Three quarks for Muster Mark“. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Physiker in der Auswahl ihrer Bezeichnungen und Bilder besonders sorgfältig sein sollten, weil fast überall die seltsamsten Bedeutungen hineingeheimnist werden, wie ja gerade wieder das CERN feststellen muss.

Hätten sich statt der Quantenmechanik die Vorstellungen der „arischen Physik“ um Philipp Lenard als zutreffend erwiesen, würden wir uns heute möglicherweise darüber wundern, welch tiefgründige Einblicke in die Natur der Materie doch die Autoren der Edda hatten…