Mal was Vernünftiges zu Impfungen

Bevor ich wieder etwas über Physik schreibe (versprochen, versprochen), geht es heute doch nochmal kurz um Impfungen. Im Gegensatz zu meiner kleinen Materialsammlung über Clemens Arvay und sein Unterstützerumfeld neulich habe ich heute aber mal ein erfreuliches Thema.

Wenn man sich das Programm der großen Publikumsverlage ansieht, könnte man ja den Eindruck bekommen, Pseudomedizin, Verschwörungsglauben und Esoterik seien bei uns der absolute Normalfall. Bei Bastei Lübbe erscheint Clemens Arvays Agitation für die Verlängerung der Pandemie; Droemer Knaur verlegt Martin Hirtes angebliches „Handbuch für die individuelle Impfentscheidung“, ein nur oberflächlich getarntes Impfgegnermachwerk, und die auflagenstärkeren unter den Unsäglichkeiten von Rüdiger Dahlke finden sich quer durch die Bertelsmann-Gruppe sowie beim zur Ganske-Gruppe gehörenden Verlag Gräfe und Unzer. Bei Gräfe und Unzer erscheinen auch gleich serienweise Homöopathieratgeber mit Highlights wie Homöopathie für Kinder, Globuli statt Pillen und „Die sanften 3 der Naturheilkunde“. Ohne alle gelesen zu haben, kann man getrost davon ausgehen, dass man in diesen Büchern weder den Hinweis finden wird, dass Homöopathie eben nicht Naturheilkunde ist noch den alles entscheidenden: Homöopathie wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus. Weil man mit Büchern über Homöopathie gut Geld verdienen kann, findet man diese wie bei so ziemlich allen anderen größeren Verlagen natürlich auch bei „meinen“ beiden, aber dort eben wenigstens auch deutlichen Widerspruch.

Wenn man jetzt zwischen den ganzen Homöopathieratgebern bei Gräfe und Unzer ein Buch mit dem Titel „Fakten-Check Impfen“ findet, dann kann man leicht auf den Gedanken kommen, dass es sich um Impfgegner-Propaganda wie von Martin Hirte handelt. Vermutlich war es auch genau die Absicht der Autoren, auf diesem Weg die richtigen, nämlich die am Impfen zweifelnden, Leser zu erreichen – gehört doch zum Autorentrio mit Prof. Cornelia Betsch eine der anerkanntesten Expertinnen für für die Psychologie der Impfgegner. Der Mediziner Jan Oude-Aost ist einer der Initiatoren des wissenschaftsnahen Informationsnetzwerks Impfen (INI), das leider noch nicht die Reichweite des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) erreicht hat. Gleichzeitig ist er, auch aus seiner Tätigkeit als Kinder- und Jugendpsychiater heraus, einer derjenigen Skeptiker, die sich für einen verständnisvollen Dialog mit Anhängern antiwissenschaftlicher Glaubenssysteme einsetzen. Nicola Kuhrt ist eine erfahrene Medizinjournalistin und war jahrelang Chefredakteurin der Onlineausgabe der Deutschen Apotheker Zeitung. Inzwischen ist sie mit dem Rechercheportal MedWatch fragwürdigen medizinischen Behauptungen auf der Spur.

Im Sinne eines klassischen Ratgebers richtet sich das Buch vor allem an Leser, die zu Impfungen in irgendeiner Form verunsichert sind. Gleich am Anfang finden sich schon Verweise auf bestimmte Kapitel für Leser, die eher zum Impfgegnerlager tendieren, für Unentschlossene, Zögerliche und für Menschen, die zum Impfen bereit sind. Es geht dabei nicht schwerpunktmäßig um die aktuell heiß diskutierten innovativen Impfstoffe gegen Covid-19, wobei diese natürlich auch erwähnt werden. Gerade dem Thema Impfungen für Kinder wird breiter Raum gegeben, und neben einem Interview mit einer Kinderärztin gibt es praktische Tips, wie man den Impftermin für Kinder möglichst positiv gestalten kann.

Nach einem einführenden, sehr praxisbezogenen Teil gliedert sich das Buch in drei weitere große Abschnitte: Zunächst einmal wird, in viele Einzelfragen aufgeteilt, die Wirkung und Sicherheit von Impfstoffen erklärt. Dazu gehören die unterschiedlichen Impfstofftypen, auch innovative, die erst in der Pandemie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten sind, ebenso wie Fragen der Erprobung und Zulassung, bis hin zu den auch für zugelassene Impfstoffe nicht selbstverständlichen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Im folgenden Abschnitt wird ein breites Spektrum an Impfmythen und mehr oder weniger unrealistischen Vorbehalten diskutiert, von Inhaltsstoffen über den vermeintlichen Nutzen von Kinderkrankheiten bis hin zu typischem Verschwörungsdenken. Dann folgt ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal dieses Buches: Ein umfassender Einblick in die Struktur und Argumentationsweise der Impfgegnerszene, von einer Kommunikation, die fast nur noch in der eigenen Blase stattfindet, über das Herauspicken einzelner, methodisch minderwertiger Studien bis zum Nacherzählen reißerischer und oft realitätsferner Einzelfallgeschichten. Abschließend folgen noch Empfehlungen für Diskussionen mit dem Partner und anderen Eltern, ein Quellennachweis sowie Hinweise auf nützliche Informationsquellen im Internet.

„Fakten-Check Impfen“ ist allgemeinverständlich und angenehm zu lesen, wobei die Ratgeberstruktur dazu führt, dass beim Durchlesen von vorne nach hinter gelegentlich der Eindruck relativ erratischer Themensprünge entsteht. Unterhaltsam ist es ebenfalls, nicht nur dank des Vorworts von Eckart von Hirschhausen.

Alle Inhalte sind solide und fachlich belegt, und es ist zu hoffen, dass viele Verunsicherte, vor allem viele Eltern, im Regal mit den Gesundheitsratgebern zu diesem wirklich erfreulichen Werk greifen.

 

Leider noch was zu Arvay

Update24.3.23: Ein bisschen was zum Nachdenken für die Querdenker, die hier in ihren Kommentaren herumpöbeln (die außer im Archiv für die Staatsanwaltschaft ohnehin nirgends zu sehen sein werden) und allen Ernstes von „Hetze“ gegen den Impfgegner und Verschwörungspropagandisten Arvay fabulieren, weil ein paar wissenschaftsinteressierte und -kompetente Bürger ihre Freizeit aufgewendet haben, um aufzuklären über die lebensgefährliche Desinformation, die Arvay über Covid, Impfungen und andere Schutzmaßnahmen verbreitet hat, über seine Verschwörungsideologie und seine Verbindungen zur rechten Szene. Seht es Euch an und überlegt einfach mal, ob Ihr wirklich zu diesen Leuten gehören wollt:

Nach dem Artikel über Clemens Arvay vom letzten September hatte ich mir vorgenommen, die Aktivitäten dieses Menschen nicht mehr weiter zu kommentieren, um ihm nicht noch zusätzliche Aufmerksamkeit zuzuleiten. Ich habe ihn dann nur noch beiläufig in Antworten auf die Kommentare zu anderen Artikeln erwähnt und bei wichtigen Themen den früheren Artikel aktualisiert.

Update 14.6.21: Falls jemand das gerade aktuelle Arvay-Video durchlitten hat und eine Einordnung von seriöser Seite sucht oder einfach wissen möchte, welcher Unsinn dort jetzt wieder herumgeistert, dem kann ich den folgenden Twitter-Thread (für die Nicht-Twitterer: ein Twitter-Posting samt einer Reihe von Antworten, auch ohne Twitter-Anmeldung sichtbar) von @DerGraslutscher empfehlen. Der Mediziner Janos Hegedüs hat Arvays neues Geschwurbel inzwischen auch in einem Video fachlich eingeordnet.

Da er die Aufmerksamkeit dank der Beihilfe des Lübbe/Quadriga-Verlags, seiner vielen Fans aus der Querdenker-, QAnon– und Reichsbürgerszene und diverser willfähriger Journalisten nun ohnehin bekommen hat, hat sich dieser Vorsatz inzwischen erledigt. Lust auf einen ausführlichen, kommentierenden Artikel habe ich aber immer noch nicht, also liste ich einfach mal auf, was sich in letzter Zeit so alles ereignet hat. Das ist nicht mehr als eine Aneinanderreihung einzelner Beobachtungen – erwartet also keinen durchdachten Artikel.

  • Nachdem Arvay seine Fanboys inzwischen mehrfach in weinerlichen Videos gegen mich aufgewiegelt hat, werde ich von denen mehr als sechs Monate nach meinem Artikel über ihn immer noch auf unterschiedlichen Kommunikationskanälen belästigt, womit sich inzwischen auch schon die Staatsanwaltschaft beschäftigen musste.
  • Da er seit vergangenem Jahr ja immer wieder darauf aufmerksam gemacht wurde, dass einen ein Abschluss in Agraringenieurwesen mit einer Masterarbeit zu einem soziologischen Thema nicht zum Biologen macht, hat sich Arvay von der European Countries Biologists Association ein Zertifikat als „European Professional Biologist“ ausstellen lassen, mit dem er jetzt ständig in den sozialen Netzwerken herumwedelt. Dazu ist er offenbar auch der Austrian Biologist Association (ABA) beigetreten, was tatsächlich ein seriöser Fachverband ist. Nachdem deutlich wurde, wozu Arvay seine Mitgliedschaft benutzt, hat sich die ABA am 16. April sehr nachdrücklich von seinem Gedankengut distanziert und sich zu Covid-Impfungen und den Aussagen der entsprechenden wissenschaftlichen Institutionen bekannt – vorsichtshalber ohne Arvays Namen zu nennen, aber inhaltlich klar erkennbar.
  • Wo er jetzt ja das Zertifikat hat, hat Arvay auch erklärt, er habe eine Doktorarbeit in Biologie begonnen – er will also offenbar doch noch versuchen, zu lernen, wie man wissenschaftlich arbeitet. Dazu behauptet er: „Ich habe zuvor noch nie ein Doktorat begonnen und habe auch nie eine Dissertation abgebrochen.“
    Das ist allerdings irgendwie seltsam, denn für sein Buch „Der Biophilia-Effekt“ wurde schon seit mindestens 2016 (und auch noch vor vier Wochen) mit der Aussage geworben, er arbeite an einem Doktorat in Medizinwissenschaft über ein ganz anderes Thema. Nachzulesen war das auf der Homepage seines eigenen Verlags. Mir würde ja auffallen, wenn einer meiner Verlage in der Darstellung eines meiner Bücher mit falschen Behauptungen zu meiner Biographie werben würde. Da fragt man sich doch, von wem der Verlag die Biographie seines Autors denn bekommen hat.
    Dort ist auch nachzulesen, dass sich Arvay zu seinem Buch ein Vorwort von Rüdiger Dahlke hat schreiben lassen. Dahlke verbreitet unter anderem den Verschwörungsmythos, dass wir alle im Auftrag diverser Regierungen von Flugzeugen gezielt mit Giften (Chemtrails) besprüht würden. Auf dem rechtsesoterischen Quer-Denken-Kongress in Friedberg 2015, von dem damals führende NPD-Funktionäre begeistert berichtet haben, erklärte Dahlke, (ähnlich wie in diesem Video) wir hätten zu viel Demokratie und zu wenig Hierarchie.
  • Inzwischen ist ja auch Arvays lange angekündigtes Anti-Impf-Buch erschienen. Dr. med. Jan Oude-Aost (einer der Autoren des sehr viel empfehlenswerteren Buchs Fakten-Check Impfen)  hat es in drei Artikeln auf eingeimpft.de (1 2 3) ausführlich auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft. Ich finde es bewundernswert, wie Jan Oude-Aost es schafft, ein so vernichtendes Ergebnis so respektvoll und wertschätzend zu formulieren. Ich hoffe, meine Leser hier erwarten das nicht auch von mir.
  • Ein lustiges Falschmeldungs-Spiel gab es im April zwischen Arvay und der Frankfurter Rundschau. Zunächst, am 8. April, brachte FR-Wissenschaftsredakteurin Pamela Dörhöfer eine vollkommen unkritische Rezension über Arvays inhaltlich, wie schon erwähnt, höchst mangelhaftes Anti-Impf-Buch. Vier Tage später berichtete dieselbe Autorin dann über eine israelische Studie zur Wirksamkeit von Impfungen gegen unterschiedliche Virusvarianten. Die Erkenntnis aus der Studie ist eigentlich weder sonderlich neu noch schwer zu verstehen: Aktuelle Impfstoffe schützen gegen alle Virusvarianten, aber gegen die „südafrikanische“ B.1.351 (vor allem in den ersten zwei Wochen nach der Impfung) nicht ganz so herausragend gut wie gegen die bei uns vorherrschende „britische“ B.1.1.7. In der Rundschau wurde daraus für mehrere Tage die falsche Aussage, „dass sich Geimpfte häufiger als Ungeimpfte mit der südafrikanischen Variante infizierten.“ Arvay sprang auf die Falschmeldung (die er als angeblicher Experte doch eigentlich sofort hätte erkennen müssen…) nicht nur auf, sondern setzte noch eins drauf:

    Infektionsverstärkende Antikörper, also der bei einigen wenigen Viren auftretende Effekt, dass bestimmte Reaktionen des Immunsystems dem Virus seine Arbeit erleichtern anstatt sie zu verhindern, gehören logischerweise zum Ersten, wonach man bei einem neuen Impfstoff lange vor der Zulassung sucht. Dass sie bei SARS-CoV-2 (und zwar bei allen bekannten Varianten) keine relevante Rolle spielen können, zeigt sich aber auch schon daran, dass die zugelassenen Impfstoffe vor allen Varianten schützen – nur eben nicht vor allen gleich gut.
    Um den 21.4. herum wurde der Artikel auf der Seite der FR dann stillschweigend korrigiert – und war kurz darauf von Arvays Facebookprofil spurlos verschwunden.
  • Es gibt tatsächlich auch Zeitungen, die die Mängel in Arvays Behauptungen deutlich ansprechen, zumindest in seiner Heimat Österreich. Im Zusammenhang mit Covid-19 und der Querdenkerbewegung ist allerdings auch der Blog Volksverpetzer.de zu empfehlen, der nicht nur die Fehler in der Frankfurter Rundschau und die Löschung kritischer Kommentare (unter anderem von mir) durch die FR ausführlich aufgearbeitet hat. Auch zu Arvays absurder Agitation gegen die Wissenschafts-Erklärvideos von MaiLab gibt es dort zwei sehr lesenswerte Artikel. Wer mich kennt, kann sich denken, dass ich kein besonderes Interesse damit verbinde, einen deutlich linken Politblog zu promoten, aber gerade bei allem, was mit Covid und den damit verbundenen Verschwörungsmythen zu tun hat, sind die Qualität der Recherchen und die journalistische Aufarbeitung beim Volksverpetzer wirklich hervorragend und stellen die Arbeit vieler etablierter Medien deutlich in den Schatten.
  • Falls jemand tatsächlich noch Zweifel hatte, dass es sich bei Clemens Arvay  um einen Hardcore-Querdenker handelt, empfehle ich mal einen Blick darauf, wie er auf der Facebook-Seite von ORF 2 das Gedenken an die Opfer der Pandemie verhöhnt, von „hunderttausenden“ Toten durch den Lockdown halluziniert und sich dann auf seiner eigenen Seite auch noch damit brüstet:
    Um die wirren Behauptungen zu Malaria und Hunger mal in Perspektive zu rücken: Innerhalb eines Jahres sterben laut Global Burden of Disease Monitor weltweit rund 140.000 Menschen an Unterernährung und knapp 600.000 an Malaria. Wie sich diese Zahlen durch Maßnahmen gegen Covid-19 nennenswert verändern sollen, erscheint mir nur im Rahmen eines völligen Realitätsverlusts durch Versinken im Verschwörungsglauben nachvollziehbar. Innerhalb der letzten 12 Monate wurden dagegen allein schon rund 3 Millionen Todesfälle durch Covid-19 offiziell erfasst. Hinzu kommen  diejenigen Covid-Toten in Entwicklungsländern, die nie diagnostiziert werden, weil sie ohne ärztliche Versorgung zu Hause gestorben sind – und dazu noch sämtliche Covid-Toten in Ländern wie Tansania, Nicaragua oder Nordkorea, wo überhaupt nicht getestet wird.
  • Interessant übrigens, dass in Arvays eigenem Screenshot oben eine Mitteilung des Telegram-Messengers zu sehen ist, wo er doch behauptet, Telegram noch nie gesehen zu haben und überhaupt nicht zu benutzen:
  • Angesichts der aktuellen Enthüllungen über Frank „den Reisenden“ Schreibmüller, der für diverse Größen der Rechts- und Querdenkerszene Telegram-Kanäle etabliert und ihnen dann zur Übernahme angeboten haben soll, erhält Arvays Behauptung allerdings eine gewisse Glaubwürdigkeit, der inzwischen umbenannte Telegram-Kanal mit seinem Namen sei nicht von ihm selbst eingerichtet worden.
  • Wenn man liest, wie Arvay auf Facebook über die extrem seltenen Komplikationen durch Astra Zenecas Impfstoff Vaxzevria schreibt, könnte man meinen, er hätte im Fußball gewonnen.

    Nein, es hat niemand gewonnen; es sind Menschen gestorben. Genau gesagt sind europaweit bis zum 25.3. dieses Jahres 18 Menschen gestorben, von rund 25 Millionen, die bis dahin diesen Impfstoff erhalten hatten. Zur Einordnung: Wären diese Menschen dauerhaft ungeimpft geblieben, hätte man damit rechnen müssen, dass zwischen 50.000 und 200.000 von ihnen an Covid-19 sterben. Dass wir überhaupt über so seltene Impfkomplikationen reden, liegt eigentlich nur daran, dass wir mit den mRNA-Impfstoffen Alternativen haben, bei denen noch nicht einmal dermaßen seltene schwerere Probleme zu finden sind. Dass er vor ein paar Monaten gegen die auch agitiert hat, erwähnt Arvay zumindest in seinen Facebook-Posts vorsichtshalber nicht mehr.
  • Dass Arvay sein ganzes Anti-Impf-Geschwurbel vor einem Jahr mit dem Verbreiten der großen Bill-Gates-Impf-Verschwörung eingeleitet hat, hatte ich ja schon im letzen Artikel erwähnt. Er propagiert aber auch alle möglichen anderen abstrusen Verschwörungsmythen. Vor ein paar Tagen hat er sich erst einen Artikel über einen implantierbaren Chip herausgegriffen, der dazu dienen soll, Ausbrüche ansteckender Krankheiten in isolierten Militäreinheiten schnell zu erkennen. Dazu spinnt er sich dann zusammen, mit dem Chip seien „offenbar“ Bewegungsverfolgung und Überwachung möglich, und er sei entwickelt worden, um (gerichtet an seine Facebook-Fans) „Euer Blut permanent zu überwachen“.
    Damit verbreitet er unmittelbar den Chip-Implantat-Überwachungsmythos antisemitischer Verschwörungsideologen, wie er schon seit Jahren immer wieder auch vom Hetzkanal kla.tv der OCG-Sekte verbreitet wird, gerne auch als Teil von Anti-Impf-Propaganda. Kein Wunder, dass man in den Videos von kla.tv dann auch den „besorgten“ Bürger Arvay wiederfindet, was um so witziger ist, weil er in letzter Zeit offenbar auch versucht, sich an selbsternannte „revolutionäre Antifaschisten“ anzubiedern.
  • An anderer Stelle schreibt Arvay, Bill Gates habe in ein Patent zur Verdunkelung der Sonne investiert. Dazu gibt er als Fußnote einen Artikel auf einer Seite namens TechAndNature an, was den Eindruck erweckt, es handele sich um einen Beleg für seine Behauptung – nur dass in dem Artikel von einem Patent oder sonstiger wirtschaftlicher Verwertung mit keinem Wort die Rede ist. Arvay macht aber gleich weiter mit der Behauptung, das geschilderte Forschungsprojekt über denkbare Technologien zur Abschwächung des Klimawandels sei für Gates „bestimmt gewinnbringend“ und bringt das mit Gates‘ angeblich lukrativen „Pharmaseilschaften“ in Verbindung.

    Wie ein Zuschuss über eine gemeinnützige Stiftung zu einem Experiment der Grundlagenforschung, von dem selbst die Versuchsleiter sagen, dass sie die erforschte Technologie lieber nicht in großem Maßstab eingesetzt sehen möchten, gewinnbringend sein soll, kann Clemens Arvay sich selbst wahrscheinlich irgendwie erklären. Zur Frage, warum aus der Sicht von Verschwörungsgläubigen hinter solchen Aktivitäten unbedingt finstere Gewinnerzielungsabsichten stehen müssen, empfehle ich die Bücher Verschwörungsmythen und Warum der Antisemitismus uns alle bedroht des Antisemitismusbeauftragten von Baden-Württemberg, Michael Blume.
  • Ende Dezember verlinkt Arvay auf Facebook ein Video über angebliche „Mediale Diffamierung“ gegen ihn in der österreichischen Wochenzeitung Falter und kommentiert das mit: „Dank an den Urheber!“

    Unter dem Link diskutiert Arvay mit Kommentatoren fröhlich, wer „the Fuck“ die im Video attackierte Journalistin sei.

    Damit kann ihm eigentlich auch nicht entgangen sein, welch wirre Fake News und antisemitisches Verschwörungsgeschwurbel in den weiteren Kommentaren zu seinem Post verbreitet werden. Das scheint ihn aber nicht zu stören, denn er hat es bis heute weder kommentiert noch gelöscht:


    Wer der von Arvay mit solchem Dank bedachte Urheber des Videos ist, kann ich leider nicht mehr feststellen, weil selbiger offensichtlich Gründe hatte, das Video auf Youtube wieder zu löschen. Eine Google-Suche nach dem Titel zeigt aber deutlich, bei welchem Umfeld Arvay sich da bedankt: Sie führt auf die Seite Korrekter.com:

    Sämtliche Links rechts neben dem Arvay-Video führen weiter auf die Seite „Journalistenwatch“, laut ZEIT eins der einflussreichsten Medien der Neuen Rechten in Deutschland. Unter der Rubrik „Verbotenes Wissen“ verlinkt Korrekter nicht nur wirre Räuberpistolen über UFOs, Aliens, die Antarktis und Erich von Däniken, sondern auch eine ganze Serie islamfeindlicher Videos des Pegida-Aktivisten Michael Stürzenberger.
    Die Dankbarkeit fügt sich also nahtlos ein in Arvays Verbrüderung mit Leuten wie Gunnar Kaiser, Wikihausen oder dem früher mal gerade noch ultrakonservativ zu nennenden österreichischen Querdenker-Granden Raphael Bonelli, sein Interview bei den NachDenkSeiten und seinen Solidaritätsbekundungen für den Verschwörungspropagandisten Sucharit Bhakdi, der inzwischen öffentlich erklärt hat, Deutschland sei eine Diktatur. Falls also tatsächlich noch jemand Clemens Arvay die Frage abkauft, wer ihn immer wieder mit der rechten Szene in Verbindung bringt: Das ist er selbst.

Update 29.8.21: Endlich fangen, wenigstens in Österreich, auch die Medien mal an, sich mit dem rechten Propagandanetzwerk um Clemens Arvay zu beschäftigen. Deutsche Medien, wie hier z.B. die Frankfurter Rundschau, fallen ja leider immer wieder auf ihn herein.

Bewusstlosensprechstunde

Ich konnte es mir mal wieder nicht verkneifen, meinen Senf zu einem Buch dazuzugeben.

In „Bewusstlosensprechstunde – Wissenswertes über den Weltuntergang“ stöbern Jörg Schneider (Satiriker und unter anderem Autor des von mir auch schon mit verunstalteten „So werde ich Nazi“, aus Mittelhessen) und Dominic Harapat (Landesvorsitzender von Die PARTEI, überraschenderweise auch aus Mittelhessen) eben diesem Weltuntergang hinterher, dessen Ursache sie beim galoppierenden Irrsinn unserer Zeit verorten. Neben ihren eigenen grundsätzlichen Sichtweisen, die mir schon in Lesungen vor dem Erscheinen Appetit auf das Buch gemacht haben und eigenen Antworten auf Fragen, die ihnen zukünftige Leser angeblich oder tatsächlich gestellt haben, umfasst das Buch vor allem 25 Interviews. Darin haben die beiden, ja, genau, 25 Leute befragt, die sie für kompetent halten, etwas über den galoppierenden Irrsinn der Welt zu sagen – und irgendwie bin ich auf diese Liste geraten.

Wer sich das Opus beim örtlichen Buchhändler (oder meinetwegen auch beim großen Onlinehändler) für erschwingliche 16 Euro bestellt, kann dann also unter anderem nachlesen, welche sexuelle Vorliebe ich nicht habe, wann ich beim Mikado verloren habe und wie ich mich lange geweigert habe, das unappetitlich braune Schimmern unter der Oberfläche des Irrsinns wahrzunehmen. Dafür durfte ich dann auch erklären, warum ich den Irrsinn in unserer Zeit nun auch nicht so viel schneller galoppieren sehe, als er das ohnehin getan hat, und dass ich Menschen… also so eigentlich… wenn man ein bisschen ein Auge zudrückt… schon irgendwie… ganz okay finde.

Soviel kann ich schon mal dazu sagen – wenn es mehr werden soll, muss ich irgendwie die Zeit finden, auch noch das zu lesen, was ich nicht sowieso schon kenne, und dazu höre ich jetzt auf zu schreiben und wünsche einfach einen vergnüglichen Weltuntergang.

Mal was Positives: Wissenschaftliches Denken für die Schule

Eigentlich müsste ich heute anlässlich des Physik-Nobelpreises wohl einen Artikel über Roger Penrose und seine wüsten Spekulationen, das Gehirn sei ein Quantencomputer, schreiben. So schnell bin ich aber nicht und beschränke mich zu diesem Thema auf den Hinweis, dass ich Penrose hier schon erwähnt habe und ein paar Zeilen mehr über ihn im Quantenquark-Buch vorkommen. Wo Penrose noch nicht vorkam, ist mein Artikel darüber, dass ein Physikstudium und selbst ein Nobelpreis eben nicht davor schützen, Quantenquark zu verzapfen. An dieser Stelle beschränke ich mich aber auf den Hinweis, dass er für seine bedeutenden Arbeiten zur Relativitätstheorie und dort insbesondere zu schwarzen Löchern ausgezeichnet worden ist – und natürlich nicht für seine quantenphysikalische Schnapsidee, für die allerlei Schwurbler aus Matrix 3000, Tattva Viveka etc. den Preis sicher als Bestätigung ausgeben werden. Erst einmal möchte ich aber auf etwas Erfreulicheres kommen:

Auf Twitter wird momentan eifrig über unseren „Ferngespräch“-Livetalk zum Thema Schule mit Tommy Krappweis diskutiert, weil er jetzt gerade auf Hoaxilla als Podcast verfügbar ist. Bei dem Thema bin ich ja nun alles Andere als ein Experte, auch wenn Schulpolitik mich seit meinen Junge-Union-Zeiten in den 90ern beschäftigt. In der Skeptikerszene kursiert die Klage über mangelhafte Bildung zu den Grundprinzipien der Wissenschaft auch schon seit ich erstmals bei der GWUP aufgetaucht bin und mehrfach versucht habe, Arbeitskreise zu wissenschaftlichem Denken in der Schule zu initiieren oder wenigstens zu unterstützen. Ganz selbstkritisch muss man dazu anmerken, dass da seit den wunderbaren, aber eben der Zeit entsprechend noch aus handgemalten Overhead-Vorlagen bestehenden Materialsammlungen von Wolfgang Hund nicht wirklich viel herausgekommen ist.

Die spannendsten Ergebnisse zur naturwissenschaftlichen Bildung in der Schule, die mir in jüngerer Vergangenheit begegnet sind, stammen aus der Arbeitsgruppe für Biologiedidaktik um Professor Dittmar Graf in Gießen. Mit Anna Beniermann, die sich dort mit Verständnis und Akzeptanz von Evolution beschäftigt und dann viel zum Evokids-Projekt beigetragen hat, durften wir ja erfreulicherweise auch auf Twitch diskutieren.

Nach den erschreckenden Ergebnissen der Analyse von Elvira Schmidt zu Lehrbüchern, wenn es um Medizin und „Alternativmedizin“ geht, kam wieder die Erkenntnis: Man müsste doch mal. Der Unterschied ist diesmal, sie hat es tatsächlich getan, und so freut es mich, das Unterrichtsmaterial „Medizin und Wissenschaft“ von Elvira Schmidt und Dittmar Graf kurz vorzustellen – auch wenn ich eben gerade kein Didaktiker und auch kein Praktiker aus der Schule bin.

Das Spannende ist; das Buch ist weit mehr als das, was der Untertitel verspricht, nämlich „Grundlagen für eine sachgerechte Gesundheitsförderung“. So geht es im zweiten von elf Modulen (für jeweils eine Doppelstunde) ganz grundsätzlich um die Frage, was eigentlich Wissenschaft ist, wie sie zu Erkenntnissen gelangt und man sie von unwissenschaftlichen Vorgehensweisen abgrenzen kann. Eingeleitet von Beispielen werden Kriterien für die Wissenschaftlichkeit von Aussagen wie Prüfbarkeit oder Widerspruchsfreiheit in Gruppen erarbeitet. Indem die Zusammensetzung der Gruppen (jeder bearbeitet ein anderes Thema/alle bearbeiten zusammen dasselbe Thema) zwischendurch gewechselt wird, wird gleichzeitig verdeutlicht, was eine Person zum Experten macht und was man von Experten erwarten kann. Im abschließenden Arbeitsblatt sollen die Schüler unterschiedliche Aussagen als wissenschaftlich oder nicht wissenschaftlich einordnen.

Im folgenden Modul wird das Thema auf Wissenschaftlichkeit in der Medizin zugespitzt und ausführlich auf die Abfolge der Studien bei der Zulassung von Arzneimitteln eingegangen. Hier hätte man meines Erachtens weniger ambitioniert sein können, indem man zunächst auf die grundsätzlichen Herausforderungen der Forschung mit Patienten im Vergleich zu einer Laborwissenschaft mit im Prinzip beliebig oft wiederholbaren Experimenten eingeht. Die Schüler lernen diesen für mich besonders wichtigen Aspekt in den folgenden Modulen mehr oder weniger nebenbei kennen – das setzt aber voraus, dass wirklich alle Module bearbeitet werden.

Anhand von Beispielen rund um Mund und Magen wird in den weiteren Modulen ein Laborversuch mit einem Arzneimittel (gegen Sodbrennen) bearbeitet, ein „Patientenversuch“ (zum Erkennen von Getränken am Geschmack) einfach- und doppelblind durchgeführt und dann über drei Module die Homöopathie als alternativmedizinisches Konzept eingeführt und im Laborversuch mit dem medizinischen Arzneimittel verglichen. Der Unterschied der Homöopathie zur Medizin wird schön verdeutlicht, wobei vermutlich kein Homöopathiegläubiger ernsthaft erwartet, dass Rosskastanien-Globuli tatsächlich eine Säure neutralisieren.

Grundsätzlicher wird es wieder im Modul 9 mit der Frage, was bei der Alternativmedizin tatsächlich wirkt. Da sich das Thema weniger für einen Versuch anbietet, erfolgt dies eher klassisch mit einem Arbeitsblatt in Einzel- oder Gruppenarbeit und einer Diskussion im Plenum.

Sehr schön umgesetzt ist das Modul 10, das mit dem Impfen ein Einzelthema der Gesundheitsförderung heraushebt. Nach der Auseinandersetzung mit den Gründen für Impfungen und den Argumenten von Impfgegnern illustriert ein Simulationsspiel das Prinzip des Herdenschutzes bei unterschiedlichen Impfquoten.

Spannend stelle ich mir die Diskussion mit vorgegebenen Rollen (z.B. Pharmavertreter/in oder Heilpraktiker/in) in Modul 11 vor, vor allem wenn Schüler dabei in Rollen landen, die außerhalb ihrer Komfortzone liegen. Nicht minder spannend dürfte allerdings die Reaktion alternativmedizingläubiger Eltern werden, wenn die Sprößlinge den abschließend zum Photokopieren und Ausschneiden abgedruckten „Universellen Therapiegenerator“ zum Erfinden neuer Therapiebezeichnungen nach Hause bringen…

Und ich muss jetzt nur noch dem Drang widerstehen, sämtliche Lehrer in meinem Bekanntenkreis, ganz unabhängig von ihrer Fachrichtung, mit diesem Buch zwangszubeglücken.

 

Zwei Germanen und ein Recherchefehler

Kennen Sie das auch? Sie haben einen Text geschrieben, ein Bild gemalt, einen Schrank geschreinert, Ihren Garten bepflanzt, sich dabei größte Mühe gegeben, immer wieder nach möglichen Fehlern gesucht, keine Fehler mehr gefunden – und genau in dem Moment, in dem Sie vor dem Ergebnis Ihrer Arbeit stehen und nichts mehr verändern können, werfen Sie noch einmal einen Blick darauf, und was ist das Erste, was Sie sehen?

Das ging mir bei meiner Diplomarbeit so, bei meiner Doktorarbeit, und ich habe sowohl bei Quantenquark als auch beim Verschwörungsmythen-Buch das erste Exemplar in meinen Händen nur sehr zögerlich aufgeschlagen, weil ich mir fast sicher war, auch dort würde mich von der ersten Seite, die ich ansehe, mindestens ein Tippfehler anspringen. Glücklicherweise sind diese Bücher aber bei den Verlagen schon von Programmplanern und Lektoren sorgfältig durchgearbeitet worden, so dass mir eine solche Erfahrung in diesen Fällen erspart geblieben ist. Es gab einzelne Verbesserungsvorschläge von Lesern zur ersten Quantenquark-Auflage, aber insgesamt bin ich mit der Qualität sehr zufrieden.

Und dann ist es mir doch passiert: Vor ein paar Wochen, es war ein Dienstagabend; das Hörbuch war gerade erschienen; am Montag hatte ich die Druckfreigabe für die zweite Auflage gegeben. Ein paar Tage zuvor hatte mich jemand auf den „veganen Germanen“ angesprochen – den googelte ich also nochmal, um nachzusehen, was der aktuell gerade so alles verzapft, und stellte fest – der „vegane Germane“ heißt Andreas Goebel. Im Quantenquark-Buch hatte ich allerdings geschrieben, der Blogger Aleksander Armbrust bezeichne sich selbst als „der vegane Germane“, und Armbrust heißt nun mal nicht Goebel. Das ist mir schon beim Verfassen der ersten Auflage passiert, weder den Lesern noch mir beim Überarbeiten aufgefallen, wurde im Hörbuch so gelesen – aber wenn ich es einen Tag früher bemerkt hätte, wäre es wenigstens in der zweiten Auflage noch zu korrigieren gewesen.

Aleksander Armbrust ist der Hauptautor des Terraherz-Blogs. Den muss man nicht unbedingt kennen, außer, man hat eine Vorliebe für wüste Verschwörungsmythen, Klimawandelleugnung, Nähe zur Reichsbürgerideologie, nicht nur unterschwelligen Antisemitismus und abstruse Pseudomedizin, oder man braucht Hinweise, wie man sich verhalten sollte, wenn man als Reichsbürger oder Rechtsextremist Anlass zu einer Hausdurchsuchung gegeben hat. Aktuell heißt es dort auch, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei „ein halbtotes Wrack“ oder ihr gelegentliches Zittern werde durch das Hören des ihr offenbar unerträglichen Deutschlandlieds ausgelöst. Überwiegend werden dort Inhalte von anderen Internetseiten oder Youtube-Kanälen verlinkt und mit kurzen Hinweistexten angekündigt.

Andreas Goebel, der „vegane Germane“ verbreitet seine Vorstellungen in einem Videoblog, der sich, wenig überraschend, vor allem an die Veganerszene wendet. Auch den muss man nicht kennen, außer, man hat eine Vorliebe für wüste Verschwörungsmythen, Nähe zur Reichsbürgerideologie, Rechtfertigung der Nazi-Verbrechen, Homophobie, nicht nur unterschwelligen Antisemitismus und abstruse Pseudomedizin.

Seinen Weg ins Quantenquark-Buch hat der erste der beiden seltsamen Germanen, Alexander Armbrust, mit der Aussage gefunden, mein peinlicher ehemaliger Institutsdirektor Hans-Peter Dürr sei einer seiner „größten Idole und Mentoren“ und Dürr beschreibe alles, wofür Armbrust „genauso einstehen würde“. Der entsprechende Artikel aus dem Jahr 2015 ist auf dem Blog heute nicht mehr zu finden. Dass solche Aussagen von jemandem kommen, der gleichzeitig verbreitet, die Erde sei eine Scheibe, sagt natürlich einiges darüber aus, welch wirre Vorstellungen von Quantenphysik Dürrs wichtigtuerisch vorgebrachte private philosophische Vorstellungen bei Laien ausgelöst haben.

Der Eindruck, Armbrust und der „vegane Germane“ seien dieselbe Person, ist bei mir beim Verfassen des Manuskripts für die erste Auflage im Jahr 2016 entstanden. Auslöser war anscheinend, dass Armbrust im Terraherz-Blog Videos verlinkt, bei denen er die Ankündigungstexte oft wörtlich übernimmt. Das tut er auch bei Goebels Videos, aktuell zum Beispiel bei diesem hier:

Auf Armbrusts Terraherz-Blog ist der Text absolut identisch:

Mitunter sind solche Ankündigungstexte auch in der ersten Person verfasst. So muss bei mir der Eindruck entstanden sein, Armbrust kündige ein eigenes Video an und sei selbst der „vegane Germane“. Im Detail kann ich das nicht mehr nachvollziehen, weil ich die Beiträge von damals auf der Seite nicht mehr finde.

Dennoch ist das natürlich schlampig recherchiert und darf nicht passieren. Ich entschuldige mich also bei den Lesern. Bei den beiden Germanen würde ich mich eventuell auch entschuldigen – nur ist mir nicht so ganz klar, wer von denen diese Verwechslung wohl eher als Beleidigung und wer als Auszeichnung verstehen würde…

Interviews, die Quantenquark-Neuauflage, und das Hörbuch auf der Top-10-Liste

Eigentlich verbringe ich ja in den letzten Wochen so ziemlich meine gesamte für skeptische Themen verfügbare Zeit mit dem Thema der Verschwörungsmythen sowie der Rechtsesoterik – und damit mehr oder weniger mit meinem aktuellen Buch. Da gab es Vorträge bei der SkepKon in Augsburg sowie in Göttingen, Gießen und Wien. Für den Herbst sind aktuell Auftritte in Hofheim am Taunus, Wetzlar, Dornbirn (Vorarlberg), Mannheim und Basel in Planung. Auf Hoaxilla könnte ich eventuell demnächst auch mal wieder auftauchen…

Das 50jährige Jubiläum der ersten bemannten Mondlandung in der kommenden Woche bringt außerdem auch gerade ein ziemliches Medieninteresse mit sich. Auf eine Anzahl von Radiointerviews hatte ich ja schon in einem früheren Artikel verwiesen, und in der kommenden Woche kommen auch noch zwei Interviews im Fernsehen. Am 17.7. wird sich das Politik-Magazin „Kontrovers“ im BR-Fernsehen (wenn nichts Brandaktuelles dazwischenkommt) mit den Verschwörungsmythen um die Mondlandung beschäftigen. In den aufgezeichneten Interviews kommen dazu soweit ich schon weiß Martin Elsässer von der Volkssternwarte München (wo ich übrigens vor 20 Jahren meine erste Skeptikerverstaltung besucht habe) und ich zu Wort. In der Hessenschau abends im HR-Fernsehen wird die Mondlandung die ganze kommende Woche über ein Thema sein, und auch da kommt natürlich einmal die Frage an die Reihe, ob diese vielleicht doch insgesamt nur vorgetäuscht gewesen sein könnte. Wie es aussieht, werde darin nicht nur ich, sondern auch mein wackerer Mitstreiter aus dem Buch, Buzz Playdrin, zu sehen sein – ich weiß nur noch nicht, an welchem Tag.

Ich bin also eigentlich gerade voll im Verschwörungsmythen-Modus, weshalb hier inzwischen auch schon zwei angefangene Quantenquark-Artikel aufs Weiterschreiben warten.

Heute hat sich dann aber doch das Quantenquark-Thema samt zugehörigem Buch zurückgemeldet, und das gleich richtig. Heute Nachmittag sind die ersten drei Exemplare der Neuauflage bei mir angekommen.

Ich gehe also mal davon aus, dass die neue Version jetzt auch über den Buchhandel und als E-Book zu bekommen ist. Sie enthält nicht nur aktualisierte Daten und ein paar kleine Korrekturen, sondern auch einige komplett neue Unterkapitel. Da geht es zum Beispiel um die Frage, ob wir eine Quantenphilosophie brauchen, angefangen mit der durchaus nachvollziehbaren Verwirrung der frühen Quantenphysiker über die spekulativen Ansätze des Frankfurter Physikdidaktikers Thomas Görnitz bis hin zu reinem Quantenquark, der sich als Philosophie ausgibt. Der immer häufiger in Deutschland auftauchende Quantenquarkproduzent Nassin Haramein hat ein eigenes Unterkapitel bekommen, und da das Thema Biophotonen leider auch nach dem Tod von Fritz-Albert Popp (wovon ich beim Verfassen des Manuskripts noch nicht gehört hatte) nicht aus der Mode zu kommen scheint, musste ich auch auf diese ausführlicher eingehen. In den vorderen Kapiteln hat sich nicht so viel verändert – die Physik ist ja zum Glück (oder eigentlich leider – wir wollen ja dazulernen) seit 2017 weitgehend dieselbe.

Kaum hatte ich die Bücher ausgepackt, kam auch schon vom Hoaxmaster Alexander Waschkau der Hinweis, dass das Quantenquark-Hörbuch bei Audible unter den Top 10 der Sachhörbücher ist.

Darüber freue ich mich natürlich auch ganz besonders, und ich möchte auch an dieser Stelle nicht vergessen zu erwähnen, dass das Hörbuch sehr viel der Stimme, dem Schnitt, der Tontechnik und (in meinen Partien) dem Coaching von Hoaxmistress Alexa Waschkau zu verdanken hat. Inhaltlich entspricht das Hörbuch übrigens dem ungekürzten Text der Neuauflage. Übrigens freue ich mich auch, dass auf der Top-10-Liste relativ wenige Schwurbelbücher auftauchen.

Gelegentlich kommen Fragen, warum das Hörbuch ausgerechnet bei Audible mit seinem für manche Hörer möglicherweise lästigen proprietären Dateiformat und seinem Abokonzept erschienen ist. Die Antwort ist letztlich ganz einfach: Springer hat keinen eigenen Hörbuchverlag – nach allem, was ich gehört habe, ist das erst das zweite Sachhörbuch, das Springer, eigentlich ja ein reiner Wissenschaftsverlag, überhaupt produziert hat. Ohne die relativ unkomplizierte Möglichkeit, es über die Plattform von Audible zu veröffentlichen, würde das Hörbuch also schlicht nicht existieren.

Ein kleines bisschen ärgerlich ist für mich, dass (zum Glück mir selbst) buchstäblich einen Tag nach der Druckfreigabe für die Neuauflage und wenige Wochen nach Erscheinen des Hörbuchs noch ein kleiner inhaltlicher Fehler aufgefallen ist, der sich schon in die erste Auflage eingeschlichen hatte und bisher offenbar niemandem aufgefallen war. Da sich der Fehler unmittelbar auf eine von mir kritisierte Person bezieht, werde ich das in den nächsten Tagen in einem eigenen Artikel richtigstellen.

Um zum Schluss noch einmal zurück zum Thema Interviews: Ebenfalls gerade eben bei Springer erschienen (aber noch nicht gedruckt bei mir angekommen) ist das Buch Physik studiert – und dann? von Nina Niebuhr, Jeannette Jansen und Katharina Spindeldreier. Darin haben die drei Physikerinnen 24 Fachkollegen interviewt, die ganz unterschiedliche Berufswege eingeschlagen haben oder zumindest irgendwie in diesen gelandet sind. Darin ist unter anderem auch zu lesen, warum ich selbstständiger Unternehmensberater bin, obwohl ich früher überhaupt keinen Bezug zur Beratung hatte und auf gar keinen Fall selbstständig sein wollte.

Quantenquark als Hörbuch – mit einer besonderen Vorlesestimme

Manchmal erfährt man Dinge als Autor ja zuletzt. Nachdem ich seit dem Abschluss der Aufnahmen im Februar ungeduldig gewartet und sogar am Freitag nach Büroschluss noch einmal per Mail beim Verlag nachgefragt hatte, konnte ich am Sonntag in meiner Facebook-Timeline und auf dem GWUP-Blog nachlesen, dass das Quantenquark-Hörbuch jetzt bei Audible verfügbar ist.

Das Hörbuch enthält alle Kapitel des Buchs in ungekürzter Form, also alles, was sich in der Druckversion auch findet, mit Ausnahme des Vorworts, (natürlich) der Abbildungen und des Anhangs mit den Formeln zur speziellen Relativitätstheorie. Das ergibt in der Summe über 10 Stunden Quantenquark zum Hören, damit sich die Investition in das Hörbuch oder das Audible-Abo auch lohnt. Die Abbildungen, die im Hörbuch erwähnt werden, kann man auf https://quantenquark.com/hoerbuch/ ansehen oder als pdf herunterladen. Um die Dinge nicht komplizierter zu machen, als sie sein müssen, ist dazu keine Anmeldung erforderlich.

Ganz besonders freut mich, dass wir zum Lesen des Hörbuchs (und daraus hatte ich ja in meinen Ankündigungen ein kleines Geheimnis gemacht) eine von mir sehr geschätzte Freundin aus dem skeptischen Umfeld gewinnen konnten, nämlich Alexa Waschkau. Alexa dürfte vielen Quantenquark-Lesern nicht nur als Hoaxmistress aus dem seit letztem Winter wieder sehr aktiven Hoaxilla Podcast und aus Hoaxilla TV bekannt sein. Mit ihrem Mann Alexander Waschkau, mit Daniela Menschig und mit Sebastian Bartoschek hat sie selbst mehrere Bücher geschrieben; sie hat Bücher von Edzard Ernst übersetzt, und sie ist in ihrem eigenen Vorlesepodcast Black Sweet Stories sowie auf ihrem Hörbiographieprojekt Lebenslinien zu hören. Zu meiner Schande war es nicht einmal meine Idee, Alexa für diese Aufgabe anzusprechen – die Idee kam tatsächlich vom Verlag. Vielleicht war es aber auch ganz gut, dass unsere geschäftlichen Kontakte zum Verlag unabhängig voneinander waren. So musste sie sich zu nichts verpflichtet fühlen, und wir konnten uns ganz entspannt damit beschäftigen, gemeinsam das Hörbuch aufzunehmen. Gemeinsam (zumindest zu gewissen Teilen) war es deshalb, weil meine Stimme im Hörbuch auch zu hören ist, nämlich in den zusammenfassenden Infokästen „Zum Mitnehmen“ am Ende der Unterkapitel und in den „Quarkstückchen“-Einschüben mit Beispielen, die so absurd sind, dass sie nur aus der Realität stammen können.  Beim Aufnehmen dieser kurzen Passagen und vor allem beim Probehören der fertigen Aufnahmen ist mir erst klar geworden, was für eine Aufgabe ich Alexa da „zugeschrieben“ hatte, mit den unvermeidlichen Fachausdrücken, den fremdsprachigen Namen und meiner Freude an komplexen, pointierten Sätzen. Ich kann nur sagen, ich bin über das Ergebnis sehr glücklich und dankbar.

Der „berühmt berüchtigte Großmeister des Skeptizismus“ (so hat mich in den Kommentaren zum Hörbuchhinweis auf dem GWUP-Blog tatsächlich jemand bezeichnet – ich glaube davon mal nur das „berüchtigt“) wünscht viel Spaß beim Hören.

Skeptisch ist man nicht allein

Das Verschwörungsmythen-Buch ist da! Die Kiste mit den ersten Exemplaren kam am letzten Wochenende bei mir an, und eigentlich wollte ich dazu nicht schon wieder einen Artikel schreiben, denn das soll hier ja nicht zur reinen Werbeseite verkommen.

Leider habe ich aber bei der Ankündigung des Buchs etwas sehr Wichtiges vergessen – nämlich mich zu bedanken. Dabei geht es in erster Linie um zwei von mir sehr geschätzte Menschen und tolle Experten, die ganz maßgeblich zu dem Buch beigetragen haben – sie haben nämlich jeweils praktisch ein komplettes Unterkapitel geschrieben. Dazu aber gleich mehr.

Zu den Büchern haben nämlich noch viel mehr Menschen beigetragen, und manche wussten es, manche aber auch nicht. Zunächst einmal braucht man für ein Buch, wenn man es professionell angehen will, natürlich einen Verlag. Bei meinen Büchern kam sogar die Initiative, sie zu schreiben, von den Verlagen, Springer und Hirzel. Bei „Relativer Quantenquark“ hatte ich im Schreibprozess viel Unterstützung durch Lisa Edelhäuser von Springer, die nicht nur vom Schreiben her, sondern mit ihrem fachlichen Hintergrund in der Quantenfeldtheorie auch inhaltlich viel betragen konnte und mich von mancher voreiligen Aussage abgehalten hat. Hinzu kam aus dem privaten Umfeld die unschätzbare Hilfe von Stephanie Dreyfürst mit ihrer langjährigen Erfahrung in akademischer Schreibdidaktik und Schreibforschung. Für mein erstes Buch war das genau richtig. Bei „Verschwörungsmythen“ hat mir Angela Meder, meine Ansprechpartnerin bei Hirzel, deutlich mehr Freiheiten gelassen – und ich muss sagen, das war jetzt auch genau richtig.

Nicht unterschätzen darf man aber vor allem die Bedeutung des skeptischen Umfeldes im Zustandekommen der Bücher. Am sichtbarsten ist das noch bei den Photos. Beim Quantenquark-Buch brauchte ich zur Geschichte der Relativitätstheorie ein Bild der Jupitermonde, wie sie durch die Teleskope des 17. Jahrhunderts ausgesehen haben könnten: Oliver Debus konnte genau das liefern. Bei „Verschwörungsmythen“ hatte ich in der Hinsicht gleich mehrere unkomplizierte Helfer. Für das Kapitel über die Flacherdler brauchte ich ein Schiff, das hinter dem Horizont verschwindet, und Mark Bailey stimmte sofort zu, dass ich seine gerade auf Facebook veröffentlichte Serie verwenden konnte. Martin Schmidt, mein Mitstreiter in einem Vortrag zu Chemtrails, lieferte zum entsprechenden Kapitel ein Bild von einem Himmel voller Kondensstreifen über Frankfurt-Höchst. Als ich für das gleiche Kapitel schließlich noch ein Photo von einem Halo um die Sonne suchte, bekam ich nach einem Aufruf auf der Facebookseite des Blogs buchstäblich Dutzende von spektakulären Aufnahmen angeboten. Die passendste, auch von Aufnahmezeitpunkt und -ort her, war schließlich eine von Jan Keilholz.

Gar nicht einzeln anzusprechen sind die vielen Anregungen, Inspirationen, Fragen, Hintergrundinformationen und Ideen, die ich aus dem skeptischen Umfeld aufnehmen konnte. Manche kamen bei den monatlichen Treffen der Frankfurter Regionalgruppe, andere nach Vorträgen, auf der SkepKon, bei Hoaxilla (ich freue mich auf das Neuschwabenlandbuch, das ich so gerne schon zum Zitieren gehabt hätte), im Skeptiker, auf Facebook oder auf Twitter, aber auch international bei der Euroscepticscon, bei Ratio in Bulgarien oder bei den vielfältigen Aktivitäten der britischen Skeptiker. In Deutschland spielt immer wieder die GWUP eine zentrale Rolle, ohne die ich mich kaum jemals so intensiv mit diesen Themen beschäftigt hätte, während vor allem die Briten weitaus weniger zentral organisiert sind. Offensichtlich haben es die Briten einfach nicht so mit dem Dazugehören…

Aber jetzt endlich zu meinen beiden Gastautoren:

Wenn man ein Buch über Verschwörungsglauben schreiben will, kommt man meines Erachtens nicht daran vorbei, wenigstens am Rande auf die Frage einzugehen, warum Menschen so etwas glauben, und was das am Ende für uns bedeutet. Dazu kann ich natürlich Theorien und Ergebnisse wiedergeben, die Andere veröffentlicht haben – und über die Jahre habe ich einige davon gehört und gelesen und mit Wissenschaftlern gesprochen, die aus unterschiedlichsten Blickwinkeln zu Verschwörungsglauben forschen. Ich kann aber nicht jemanden ersetzen, der selbst jahrelang zu diesem Thema geforscht hat, der immer wieder in den direkten Kontakt zu Menschen getreten ist, die an die unterschiedlichsten seltsamen Dinge glauben, der sogar Dr. Axel Stoll interviewt hat… Es ist schon einige Jahre her, dass ich auf einer SkepKon (die damals noch nicht SkepKon hieß) unter vielleicht 100 Zuhörern saß (größer waren die damals nicht) und einem jungen Psychologen zuhörte, der über die ersten Zwischenergebnisse aus seinem Promotionsprojekt über Verschwörungsglauben berichtete. Und falls sich jetzt jemand fragt, warum ich diese Geschichte aus dem Gipskrieg erzähle: Während ich den Vortrag hörte, noch bevor wir ein Wort gewechselt hatten, dachte ich mir: Mit dem müsste ich ein Buch zusammen schreiben. Wir haben das dann später versucht, und es ist nie etwas daraus geworden. Ich hatte keine Ahnung, wie man Verlage anspricht; er hatte zig andere Projekte; wir waren beide mit unserer Selbstständigkeit beschäftigt; er wurde Vater, ich geschieden… Als irgendwann der Hirzel-Verlag mit einer sehr ähnlichen Idee auf mich zukam, habe ich Sebastian Bartoschek erst einmal gefragt, ob er nicht als Koautor mitmachen will. Letztlich passte auch das nicht, also haben wir das wenigstens in kleinen Stückchen nachgeholt: Ich habe ein paar Fußnoten zu „Muss man wissen!: Ein Interview mit Dr. Axel Stoll“ und ein paar O-Töne im gleichnamigen Film beigetragen, und nun hat Sebastian also in meinem Buch die für mich immer etwas sperrige Frage beantwortet: „Warum wollen wir an Verschwörungen glauben?“.

Ein zweites Thema, das für mich sperrig war, kam im Zusammenhang mit dem Kapitel zu den Chemtrails. Wegen Behauptungen, Flugzeugkondensstreifen seien in Wirklichkeit Gifte, die mit finsteren Absichten über uns versprüht werden, habe ich 2005 erstmals angefangen, mich mit Verschwörungsmythen zu beschäftigen, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als das Thema erstmals in deutschsprachigen Medien auftauchte. Ein Stichwort, das mir dabei über die Jahre immer wieder begegnet ist, sind Morgellons: Die Vorstellung, dass Menschen durch Chemtrails oder ähnliche Belastungen Fasern unter der Haut wachsen, die merkwürdigerweise außer ihnen selbst niemand erkennt. Wie erklärt man aber als Physiker jemandem, der sich als krank empfindet, dass ihm körperlich sehr wahrscheinlich nichts, auf jeden Fall nicht das Vermutete, fehlt? Damit müsste sich ein Mediziner befassen, idealerweise jemand, der auch Erfahrung mit psychisch bedingten Erkrankungen hat. Es müsste jemand sein, bei dem glaubhaft ist, dass er die Beschwerden der Betroffenen ernst nimmt, auch wenn er erklären muss, dass die Ursachen nicht die vermuteten und sehr wahrscheinlich gar nicht organischer Natur sind. Am besten wäre jemand, der auch einem Saal voller Skeptiker erklären kann, dass große Mehrzahl der „verrückten“ Esoteriker alles andere als verrückt ist, sondern möglicherweise geistig gesünder als wir Skeptiker. Und idealerweise sollte ihm die Entwicklung unserer Gesellschaft am Herzen liegen und die Bedrohung für ihren Zusammenhalt durch Extremismus und Verschwörungsdenken bewusst sein. Wenn Jan Oude-Aost auf meine Anfrage nicht zugesagt hätte, wäre es sehr schwer geworden, diese Lücke zu füllen. Hat er aber, und ich bin stolz auch auf diesen wunderbaren Gastbeitrag.

Und jetzt, wo die überfälligen Danksagungen geschrieben sind, kann ich mich im nächsten Post wieder den Blogthemen zuwenden, die hier über die letzten Wochen schon wieder liegengeblieben sind.

Ein neues Buch zu einem (fast) anderen Thema

Wer den Blog schon über längere Zeit verfolgt, dem dürfte aufgefallen sein, dass es hier im vergangenen Jahr über einen längeren Zeitraum auffällig ruhig war und erst im Februar 2019 so richtig wieder Leben auf quantenquark.com eingekehrt ist. Der Grund für die lange (gelegentlich für einzelne Artikel unterbrochene) Pause war nicht, dass ich plötzlich so faul war, sondern schlicht, dass ein Tag nur 24 Stunden hat und ich ja auch einen Beruf habe. Ein großer Teil der verbleibenden Zeit ging in inzwischen an anderer Stelle fürs Schreiben drauf: Auf der einen Seite war da die Überarbeitung des Quantenquark-Buchs für die Neuauflage, die man rechts oben schon vorbestellen kann, und für das Hörbuch, das es demnächst über Audible anzuhören gibt. Gleichzeitig hatte ich noch ein völlig neues Buchprojekt in Arbeit, das im April bei Hirzel erscheinen wird und jetzt endlich offiziell angekündigt ist.

Nun geht es hier im Blog natürlich in erster Linie um Verdrehungen der modernen Physik, aber weil in der Esoterik (ganz im Gegensatz zur Quantenmechanik) eben alles mit allem zusammenhängt, spielten hier neben der AltenaivAlternativmedizin ohnehin schon immer auch allerlei Verschwörungsbehauptungen eine Rolle. Sie sind auch neben der Pseudophysik eins meiner zentralen Betätigungsfelder in der Skeptikerbewegung, seit 2005 zum ersten Mal Anfragen zu den damals noch weitgehend unbekannten Chemtrails über das Skeptische Zentrum ihren Weg in meine E-Mail gefunden haben.

Nachdem Verschwörungsglauben seit ungefähr fünf Jahren viel deutlicher als vorher mit politischem Extremismus in Verbindung steht, bekommt das Thema auch in den Publikumsmedien deutlich mehr kritische Aufmerksamkeit. In der Bewertung dieser Vorstellungen stehen jedoch in der Regel politische, mitunter auch noch psychologische Aspekte im Vordergrund – und nicht unbedingt ein naturwissenschaftlicher Blick. Das ist auch in gewisser Weise nachvollziehbar: Wenn man überzeugt ist, dass so eine Verschwörungsbehauptung nicht stimmt, drängen sich die Fragen geradezu auf, warum Menschen so etwas dennoch glauben und welche Folgen dieser Glaube für unsere Gesellschaft als Ganzes hat. Dass allerdings diese Behauptungen tatsächlich nicht stimmen, ist jedoch nicht in allen Fällen und vor allem eben nicht für jeden offensichtlich.

Wenn man nun als Skeptiker Aufklärungsarbeit betreibt, begegnen einem zwangsläufig früher oder später die besseren Skeptiker, die einen (besonders gerne in schrifticher Form) belehren, man müsse die Sorgen der Verschwörungsgläubigen doch ernster nehmen. Besonders schön ist das im Zusammenhang mit der Ermahnung, man möge den besorgten Bürgern doch bitte nicht mit Fakten kommen. Der herablassende Tonfall richtet sich dabei allerdings nicht nur gegen uns Skeptiker, sondern vor allem gegen die so ungefragt in Schutz Genommenen. Wie kann man behaupten, jemanden ernst zu nehmen, wenn man ihm gleichzeitig nicht zutraut, sich mit Fakten auseinanderzusetzen?

Erfreulicherweise sind es oft die Verschwörungsgläubigen selbst, die eine faktenbasierte Diskussion, gerade mit naturwissenschaftlichen Argumenten, suchen – dabei aber oft die Fakten oder ihre Zusammenhänge nicht richtig verstehen. Vom 11. September bis zur flachen Erde: Wer meint, eine Verschwörung durchschaut zu haben, argumentiert gerne naturwissenschaftlich, macht aber nur allzu oft den Anschein zum Beweis.

An dieser Stelle hakt das Buch ein und nimmt sich exemplarisch einige der bedeutendsten modernen Verschwörungsbehauptungen vor. Wie stichhaltig sind die vorgebrachten Belege? Wie realistisch sind die alternativen Erklärungen? Und lässt sich daraus ein Muster erkennen, wie Verschwörungsgläubige argumentieren und wie man ihnen begegnen kann? Die Hardcore-Verschwörungspropagandisten wird man so nicht überzeugen können – dazu gibt es auch sonst kein Patentrezept. Man kann sich aber mit dem Wissen und den Methoden wappnen, ihnen nicht auf dem Leim zu gehen.

Sicher werden in nächster Zeit Verschwörungsbehauptungen auch hier eine etwas größere Rolle spielen. Vielleicht taucht auch das eine oder andere Thema aus dem Buch hier wieder auf. Geschrieben ist das Buch aber völlig anders: Sicherlich weniger frech und provokant, dafür mit deutlich mehr Möglichkeiten, Hintergründe auszuleuchten und Zusammenhänge darzustellen.

Ein Buch zu schreiben ist eben etwas völlig anderes als einen Blog wie hier. Freude macht natürlich beides – aber irgendwie ist man dann auch froh, wenn man es geschafft und das Ergebnis vor sich hat.

Ein paar Wochen noch.

 

Ein Blick von außen auf das Quantenquark-Buch

Das eigene Buch kann man ja naheliegenderweise schlecht rezensieren, und selbst mit einer überschaubaren, aber halbwegs umfassenden Zusammenfassung hatte ich bislang so meine Schwierigkeiten. Für alle, die gerne etwas mehr als den Klappentext gelesen hätten, ehe sie sich natürlich für das Buch entscheiden, hat der Humanistische Pressedienst (hpd) eine wunderbar umfassende Rezension von Gerfried Pongratz, der ich mich in vollem Umfang anschließe, allein schon weil sie so positiv ausfällt.

Freundlicherweise hat der hpd erlaubt, den Text hier zu übernehmen – herzlichen Dank dafür:

Rezension

Relativer Quantenquark

Von:
Gerfried Pongratz

Der in der Skeptikerszene aktive, promovierte Kern- und Teilchenphysiker Holm Hümmler räumt mit der Vorstellung auf, dass esoterische und alternativmedizinische Konzepte mit der Relativitätstheorie und/oder Quantenphysik zu begründen wären. Auf populärwissenschaftlich hohem Niveau erläutert er – auch für Laien mit Vorwissen gut verständlich – die Grundlagen der Relativitätstheorie und Quantenmechanik, wie auch Fragen zur wissenschaftlichen Theorienbildung und Spitzenforschung in der modernen Physik.

„Viele Fälle, in denen die Relativitätstheorie oder die Quantenphysik als Belege für Heilmethoden, seltsame Gerätschaften oder Psychotechniken zitiert werden, dienen vor allem dazu, nicht verstanden und nicht hinterfragt zu werden“. Je ein Kapitel ist „Missverständlichem und Fehlgeleitetem – Jenseits der Grenzen des Seriösen“ sowie „Missbräuchlichem und Unbrauchbarem“ gewidmet; so z.B. der These, dass aus der berühmten Einsteinschen Formel E=mc² gefolgert werden könne, dass Materie aus der Energie von Gedanken entstehen und daraus „alles ist vorstellbar“ resultieren könne. Quantenheilung und Vieles mehr, was aus Unwissenheit und/oder Geschäftemacherei rund um die Themen Relativitätstheorie und Quantenmechanik angeboten wird, kann unter „Quantenquark“ zusammengefasst werden (irrationale Glaubenssätze existieren nicht im leeren Raum. Hinter ihnen stehen Welterklärungsansätze, die ein gefährliches Eigenleben entwickeln können).

Was steckt hinter den Theorien der modernen Physik? Das Buch bietet, beginnend bei geschichtlichen Entwicklungen und mit zahlreichen Quellen belegt, klare Definitionen und Erläuterungen mit einer weitgespannten Fülle neuester Erkenntnisse, die unsere Zukunft wesentlich mitgestalten werden. Vom „Welle-Teilchen-Dualismus“ über den „Tunneleffekt“ hin zur „Verschränkung und Nichtlokalität“ führt der Weg (über das unglückliche Beispiel von „Schrödingers Katze“) hin zu neuen Überlegungen wie der Stringtheorie und zu wahrscheinlichen Entwicklungen in der Quantenbiologie und im Quantencomputing.

Aus der Fülle der behandelten Themen einige Beispiele:

Was sind Quanten und was versteht man unter Quantenmechanik?

Als Quanten – sie sind keine besonderen Teilchen und keine andere Form von Materie – werden die kleinsten Energiemengen oder Wellenpakete bezeichnet, aus denen eine elektromagnetische Welle, wie zum Beispiel Licht aufgebaut ist. Die Quantenmechanik beschreibt die Welt dieser kleinsten Teilchen; man kann ihre Eigenschaften wie den Ort nicht messen, ohne sie durch die Messung zu verändern (bestimmte Eigenschaften sind nur in Form von Wahrscheinlichkeiten festgelegt). Wenn man sie perfekt von der Außenwelt isoliert, zeigen beschleunigte Teilchen Eigenschaften von Wellen, umgekehrt haben Licht und andere Wellenphänomene Teilcheneigenschaften, die sich bei Betrachtung sehr kleiner Energien zeigen (im Experiment verschwinden solche Effekte, sobald der Kontakt zur Außenwelt, zum Beispiel durch eine Messung, wieder hergestellt ist).

Ein ähnlicher Effekt ist die Überlagerung von einem zerfallenen und einem nicht zerfallenen Zustand, im klassischen Sinne ist der Zustand des Teilchens hierbei bis zur Messung nicht definiert. Zwei Teilchen, die aus demselben Prozess hervorgegangen sind, können, auch wenn sie voneinander entfernt sind, quantenmechanisch einen gemeinsamen („verschränkten“) Zustand bilden, bis sie mit der Außenwelt wechselwirken (Einstein sprach von „spukhafter Fernwirkung“). All dies, und noch mehr, beschreibt die Quantenmechanik; so z.B. auch die Chemie auf der Basis von Physik (als Beschreibung der Welt der kleinsten Teilchen und der Eigenschaften von Atomen).

Was sind Quantencomputer?

Quantencomputer nutzen Quanteneffekte, um mit beliebigen Zahlen anstatt nur mit Nullen und Einsen zu rechnen; so können sie bestimmte Rechenaufgaben möglicherweise sehr viel effizienter lösen als klassische Computer. Sie befinden sich zur Zeit noch in einer frühen Phase der Entwicklung und da der technische Aufwand bei der Herstellung und dem Betrieb, wie auch bei der Programmierung, noch große Probleme bereitet, ist schwer absehbar, welche Rolle sie in Zukunft spielen werden.

Was versteht man unter Quantenbiologie?

Die Quantenbiologie erforscht das mögliche Auftreten von Quanteneffekten in Lebewesen. Einige der dabei gefundenen Effekte sind vor allem deshalb bemerkenswert, weil sie in lebenden Zellen, also in warmen, ungeordneten Umgebungen, ablaufen. Ihre Ausdehnung beschränkt sich aber in der Regel auf Größenordnungen zwischen einzelnen Teilchen und dem Durchmesser großer Moleküle. Effekte der Quantenmechanik, die sich nicht auch mit klassischer Physik erklären lassen, kommen in biologischen Systemen allenfalls innerhalb einzelner Moleküle vor. Elektromagnetische Wellen oder Wellenlängen, die man als „Elektrosmog“ bezeichnet, wirken auf biologisches Gewebe praktisch nur in Form einer Erwärmung und „Quantenheilung ist nicht mehr als eine Suggestionstechnik, die als Form der Geistheilung praktiziert wird. Mit Quanten- oder sonstiger Physik hat sie absolut nichts zu tun (S. 178).

Quantenquark selbst angerührt (S. 212-214):

  1. Erwähne verblüffende Tatsachen aus der Relativitätstheorie oder Quantenmechanik:
    Z.B.: „In der Relativitätstheorie sind Masse und Energie äquivalent (E=mc²) und nach der Quantenmechanik können Teilchen an unterschiedlichen Orten miteinander verschränkt sein.“
  2. Verallgemeinere diese Tatsachen zu einer falschen Aussage, die in einem übertragenen Sinne noch einen wahren Kern enthält:
    Z.B.: „Da Masse und Energie äquivalent sind, ist Materie folglich nichts weiter als reine Energie. Da auch entfernte Teilchen miteinander verschränkt sind, hängt auf der Welt alles mit allem zusammen.“
  3. Nimm die Verallgemeinerung wörtlich und definiere die Begriffe so um, wie du sie brauchst:
    Z.B.: „Materie ist reine Energie, und diese Energie mobilisieren wir bei der Meditation. Da alles mit allem zusammenhängt, funktioniert Quantenheilung (sogar auch via Telefon).“

Ein großer Vorzug des Buches ist, dass jedem Themenbereich eine Zusammenfassung „Zum Mitnehmen“ beigeordnet wurde, die knapp, klar und präzise die Kernaussagen enthält. Allein das Lesen dieser 26 Kurzbeschreibungen würde genügen, einen guten Überblick und viel Wissen zu gewinnen. Zusätzlich zu diesen Zusammenfassungen enthält das Buch in zahlreichen Einschüben sogenannte „Quarkstückchen“, die beschreiben, was oftmals an Unsinn, Esoterik und Geschäftemacherei zum jeweiligen Thema verkündet und verkauft wird. Auch werden einige mehr oder weniger esoterische „An- und Einsichten“ ursprünglich seriöser Wissenschaftler (Hans-Peter Dürr, Burkhard Heim, Markolf Niemz) sowie fragwürdige Theorien, wie z.B. die „schwache Quantentheorie“ (formuliert von Harald Walach), mit sich daraus ergebenden pseudowissenschaftlichen Behauptungen und Methoden (z.B. in sogenannten „Familienaufstellungen“), kritisch beleuchtet: „Die schwache oder verallgemeinerte Quantentheorie hat mit Quanten nichts zu tun. Sie entnimmt der Quantenmechanik lediglich Begriffe und Formalismen, gibt ihnen dabei aber neue Definitionen. Experimentelle Belege, dass dabei eine sinnvolle Theorie herausgekommen ist, gibt es nicht.“ (S. 166)

Uneingeschränkte Leseempfehlung für physikaffine Leserinnen und Leser, die nicht nur von moderner Physik mehr verstehen möchten, sondern auch Interesse daran finden, esoterische Glaubensvorstellungen sachlich fair, ohne Häme, widerlegt und Scharlatane entlarvt zu sehen.

Holm Gero Hümmler: Relativer Quantenquark – Kann die moderne Physik die Esoterik belegen?, Springer-Verlag, 2017, ISBN 978-3-662-53828-9, 233 Seiten, 19,99 Euro